Von Menschen und ihre Geschichten | Projekte und Unternehmen

„Changemaker“ gesucht: Ashoka fördert soziale Innovationen

Ashoka ist eine gemeinnützige Organisation. Sie fördert Unternehmerinnen und Unternehmer, die gesellschaftliche Probleme lösen möchten. Das globale Netzwerk wurde im Jahr 1980 von Bill Drayton in den USA gegründet und ist heute in mehr als 90 Ländern aktiv. In Deutschland besteht die Organisation seit 2003 als gemeinnützige GmbH. Sie unterstützt und begleitet derzeit rund 70 so genannte Fellows. Laura Haverkamp von Ashoka Deutschland erklärt im Interview, wie das Netzwerk arbeitet.

Gruppenfoto des rund 50 Personen großen Ashoka-Teams im Freien

Frau Haverkamp, was sind soziale Entrepreneure und was macht sie aus?

Das sind Frauen und Männer, die sich mit innovativen, übertragbaren Ansätzen und mit unternehmerischem Geist dafür einsetzen, gesellschaftliche Probleme zu lösen – und dafür meist eine Organisation gründen. Auch wenn der Begriff vergleichsweise neu ist: „Social Entrepreneurs“, also soziale Gründerinnen und Gründer, hat es eigentlich schon immer gegeben. Berühmte Beispiele sind Maria Montessori, die Begründerin der Reformpädagogik, oder Henry Dunant, Mitgründer des Roten Kreuzes. Innovative Ansätze gehen oft von engagierten Einzelpersonen aus, die sich kreativ für einen neuen Zustand unserer Gesellschaft einsetzen. Das gilt für alle Bereiche: Die Themen unserer Fellows reichen von Umweltschutz über Bildung bis hin zur ökonomischen Teilhabe oder der Unterstützung von Familien.

Was ist denn das Besondere an diesem Engagement? Solche Impulse für gesellschaftliche Veränderungen könnten ja zum Beispiel auch aus der Politik kommen.

Wir glauben, dass es kaum etwas Kraftvolleres gibt als eine soziale Innovation, die von einer unternehmerischen Persönlichkeit geführt wird – und daran, dass vielversprechende Ansätze möglichst früh aufgespürt und gefördert werden müssen, anstatt sie erst nach ihrem Durchbruch zu feiern. Dann sind nämlich die anfänglichen, oft sehr hohen Hürden schon längst überwunden, zum Beispiel solche geistigen Haltungen wie „Das haben wir doch noch nie so gemacht!“ und „Dafür sind doch andere zuständig!“. Die Fellows in unserem Netzwerk nehmen sich oftmals Themen vor, die sich über mehrere Generationen hinweg entwickeln – das sind also keine Konzepte und Unternehmen, die übermorgen fertig sind.

Nach welchen Kriterien wählen Sie aus, wer gefördert wird, und wie spüren Sie entsprechende Persönlichkeiten und Ansätze auf?

Ob eine Person Ashoka-Fellow werden kann, entscheiden wir nach weltweit gültigen Kriterien: Unsere Gründerinnen und Gründer müssen kreativ sein, ethisch denken und handeln und Unternehmergeist mitbringen. Das Ziel ihres Ansatzes, den sie mindestens in einem Pilotvorhaben erfolgreich umsetzt haben, sollte es sein, grundlegende gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen. Um solche Menschen und Projekte zu finden, recherchieren wir selbst aktiv und nutzen dabei unsere mehr als 35 Jahre globale Erfahrung, Weltveränderer zu erkennen und zu begleiten. Im Laufe dieser langen Zeit haben wir ein sehr engagiertes Netzwerk aufgebaut, das immer wieder sehr hilfreich ist und aus dem viele Ideen an uns herangetragen werden. Außerdem gibt es auf unserer Website die Möglichkeit, Kandidatinnen und Kandidaten zu nominieren. Auf diesem Weg erreichen uns pro Jahr etwa 200 Hinweise auf Persönlichkeiten, die für die Ashoka Fellowship vorgeschlagen werden – und wir freuen uns über jeden einzelnen davon!

Fördert Ashoka auch Persönlichkeiten und Projekte, die sich mit Inklusion beschäftigen?

Natürlich, das ist ein sehr wichtiges gesellschaftliches Feld. Vielen unserer Gründerinnen und Gründern gelingt es, den Blick der Gesellschaft auf vermeintliche „Behinderungen“ zu verändern, indem sie zeigen, dass darin auch ein besonderes Talent schlummern kann. Zu unseren Fellows gehört zum Beispiel Andreas Heinecke, der mit den Ausstellungen „Dialog im Dunkeln“ und „Dialog mit der Zeit“ unseren Blick auf Blindheit oder das Altern verändert. Manuela Richter-Werling hat das Präventions-Programm „Verrückt? Na und!“ gegründet und setzt sich damit dafür ein, Tabus rund um das Thema der psychischen Gesundheit abzubauen. Der Clou: Sie setzt Betroffene aktiv als Botschafterinnen und Botschafter ein, die authentisch von ihren Erfahrungen berichten. Jan Wulf-Schnabel wiederum hat das Institut für inklusive Bildung gegründet und bildet dort Menschen mit (geistiger) Behinderung zu Bildungsfachkräften aus. Diese lehren dann in Fachhochschulen und Universitäten, um die inklusive Lehrkompetenz von Studierenden zu stärken (Anm. d. Red.: In unserem Blog-Interview mit einer Mitarbeiterin des Instituts erfahrt ihr genauer, wie dieses Konzept funktioniert). Diese Liste ließe sich noch um viele Beispiele erweitern.

Wie unterstützt Ashoka die Unternehmen?

Wir begleiten unsere Ashoka-Fellows, sofern sie möchten, ein Leben lang auf ihrer Mission, indem wir Impulse geben, Beratungsangebote vermitteln, einen Dialog zwischen ganz unterschiedlichen Teilen der Gesellschaft aufbauen und Brücken schlagen. Und: Bei Bedarf können wir bis zu drei Jahre lang ein Lebenshaltungsstipendium zahlen, mit dem die geförderten Unternehmerinnen und Unternehmer ihre Alltagsausgaben decken und sich damit gerade in der Anfangs- und Aufbauphase ganz auf ihr unternehmerisches Engagement konzentrieren können.

Wie finanzieren Sie dieses Modell?

Ashoka ist weltanschaulich und politisch unabhängig und nimmt deshalb keine staatlichen Gelder an. Die Finanzierung der Organisation kommt ausschließlich durch die Unterstützung einer Gruppe engagierter Unternehmerinnen und Unternehmer sowie einiger Stiftungen und Unternehmen zustande.

Und wie finanzieren die Gründerinnen und Gründer sich und ihre Start-ups?

Soziale Gründerinnen und Gründer brennen dafür, ihre Ideen und Ansätze in die Welt hinaus zu tragen – und genau dabei gibt es oft Hürden zu überwinden, gerade, weil sie oft unkonventionell vorgehen. Ein Beispiel ist die Finanzierung sozialer Innovationen und deren Verbreitung. Das Komplexe beim Thema Finanzierung ist, dass wir das oft noch sehr verbreitete Denken in den Schubladen ‚Spenden‘ und ‚Investieren‘ überwinden und erst einmal fragen müssen: Welche Finanzierung braucht eine soziale Innovation zu welchem Zeitpunkt, damit sie die bestmögliche Wirkung entfalten kann? In den vergangenen Jahren haben wir uns daher viel mit der Frage auseinandergesetzt, welche Finanzierungsmodelle soziale Innovationen wirklich voranbringen. Aus diesen Überlegungen ist unter anderem die „Finanzierungsagentur für Social Entrepreneurship (FASE)“ hervorgegangen, die wir mit einigen Partnern zusammen aufgebaut haben. Jetzt können wir auf eine Reihe oft unkonventioneller – und ebenso spannender – Finanzierungsmodelle zurückgreifen. Viele soziale Innovationen brauchen nämlich eine ganz andere und oft längere Anfangsinvestition, bei der es erst einmal nicht um Geld, sondern um die gute Sache geht. Andere Start-ups richten sich schneller an finanzieller Rendite aus – das funktioniert bei sozialen Gründungen vor allem am Anfang oft noch nicht.

Welche neuen Aufgaben wollen Sie in Zukunft angehen?

Ganz wichtig ist für uns die Frage, wie gute Ideen den Weg überall dorthin finden, wo sie hilfreich und wirkungsvoll sein können – auch (zurück) in große Institutionen und Strukturen hinein, also in Wohlfahrtsorganisationen, Kommunen und Unternehmen. Hier müssen wir noch viel dafür tun, einen Dialog zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren herzustellen, und Allianzen schmieden, die eine Verbreitung wirkungsvoller Ideen und Ansätze ermöglichen. Wir müssen den Blick zu erweitern: Wer müsste eigentlich wie zusammenarbeiten, damit eine soziale Innovation sich in der Breite durchsetzen kann? Der nächste Schritt wäre die Suche nach Modellen, damit eine entsprechende Kooperation zustande kommen kann.


Über unsere Interviewpartnerin

Porträtfoto von Laura Haverkamp
Foto: Christian Klant

Name: Laura Haverkamp
Geburtsjahr: 1984
Wohn-/Arbeitsort: Hamburg
Beruf: Partnerin bei der Ashoka Deutschland gGmbH
(Persönlicher Bezug zum Thema) Behinderung: hat selbst keine körperliche oder geistige Behinderung, wird in ihrem Engagement aber von ihrer Überzeugung geleitet, dass eine Gesellschaft alles tun sollte, um Menschen nicht daran zu hindern, ihre Talente und Möglichkeiten frei zu entfalten. Soziale Gründerinnen und Gründer sind für sie hierbei tolle Vorbilder, mit denen sie sehr gerne zusammenarbeitet.

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