„Alle Fußbälle müssen rund sein“

Texte in Leichter Sprache bestehen aus kurzen Sätzen, in denen keine Fremdwörter vorkommen. Sie sind vor allem für Menschen mit Lernschwierigkeiten gedacht und für Menschen, die (noch) nicht so gut Deutsch sprechen.
Die Leichte Sprache kann aber auch für alle anderen Leserinnen und Leser nützlich sein, glaubt der Journalist Holger Fröhlich. Für seine Kolumne im Magazin brand eins sucht er deshalb jeden Monat einen komplizierten Text aus und überträgt ihn in Leichte Sprache. Ein schönes Beispiel ist die Übersetzung einiger „Fußball-Regeln 2017/18“ der FIFA. Der Verband hat darin unter anderem die Vorschriften für den Torjubel beschrieben:

Welcher Rasen erlaubt ist und was passiert, wenn ein Spieler einen Schuh verloren hat: Das lest ihr in unserem Fundstück der Woche!




Mit den Händen, dem Gesicht und dem ganzen Körper sprechen

#1: Gibt es weltweit nur eine einzige Gebärdensprache?

Nein, es werden sehr viele Gebärdensprachen verwendet – weltweit sind es insgesamt 137, sagt die Fachzeitschrift „Ethnologue“.

#2: Wie viele Menschen sind gehörlos und verwenden eine Gebärdensprache?

Rund 0,1 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland sind gehörlos, sagt der Deutsche Gehörlosen-Bund. Das entspricht rund 83.000 Menschen. Weltweit sind es etwa 70 Millionen. Die Deutsche Gebärdensprache gebrauchen in Deutschland rund 200.000 bis 300.000 Menschen ständig oder gelegentlich.

# 3: Wenn jemand eine fremde Gebärdensprache lernt: Hat er sie oder er dann einen Akzent?

Ja, wenn Gehörlose eine fremde Gebärdensprache lernen und sie verwenden, können Muttersprachlerinnen und Muttersprachler ihnen das manchmal ansehen – zum Beispiel, wenn die Fremdsprachlerinnen und Fremdsprachler bestimmte Handformen aus der eigenen Muttersprache benutzen. Dadurch entsteht, wie in den Lautsprachen, ein Akzent: Man wird zwar verstanden, doch das Gegenüber kann sehen, dass nicht in der Muttersprache kommuniziert wird.

#4: Bestehen Gebärdensprachen nur aus Gesten mit den Händen?

Nein, Handformen und -bewegungen sind zwar ein sehr wichtiger Teil der Gebärdensprachen, sie bestehen aber genauso auch aus Gesichtsausdrücken, der Körperhaltung und lautlos gesprochenen Wörtern. Über die Mimik werden zum Beispiel Gefühle ausgedrückt und gezeigt, ob einem etwas gefällt oder ob man etwas spannend oder langweilig findet. Ebenso wichtig kann es sein, wo und wie die Gesten ausgeführt werden – zum Beispiel nah am Körper oder mit ausgestrecktem Arm ein Stück davor. Die gleiche Handbewegung kann dann jeweils ein anderes Wort bedeuten.

#5: Neben den Gebärdensprachen gibt es ein so genanntes Fingeralphabet. Was ist das und wie wird es verwendet?

Das Fingeralphabet ergänzt die Gebärdensprache und dient dazu, Wörter zu buchstabieren. Für jeden Buchstaben des geschriebenen Alphabets gibt es ein Zeichen, das mit der Hand dargestellt wird. Diese Zeichen werden genutzt, um beispielsweise Namen oder Begriffe zu buchstabieren, für die es (noch) keine Gebärde gibt.

# 6: Wie und wann sind Gebärdensprachen entstanden?

Genauso wie die gesprochenen Sprachen sind Gebärdensprachen so genannte „natürliche Sprachen“. Das bedeutet, dass sie vor vielen Jahrhunderten entstanden sind und sich im Laufe der Zeit stetig weiterentwickelt haben. Allerdings wurden sie gesellschaftlich lange nicht als gleichwertige Kommunikationsform zu den Lautsprachen akzeptiert. Ab 1880 waren Gebärdensprachen in den Schulen sogar fast weltweit verboten, weil gehörlose Schülerinnen und Schüler die Lautsprache des jeweiligen Landes lernen sollten.

#7: Hat die Deutsche Gebärdensprache die gleiche Grammatik wie gesprochenes oder geschriebenes Deutsch?

Nein, die Deutsche Gebärdensprache hat eine ganz eigene Grammatik. So werden Sätze zum Beispiel ganz anders aufgebaut als in der gesprochenen Sprache: Zeitangaben wie „heute“ oder „morgen“ stehen in der Gebärdensprache immer am Satzanfang, danach folgen Ortsangaben. Fragewörter wie „warum“ oder „was“ stehen immer am Ende. Eine Frage wie „Gehst du mit mir ins Café?“ wird außerdem genauso gebärdet wie der Aussagesatz „Du gehst mit mir ins Café“. Dass eine Frage gestellt wird, erkennt das Gegenüber nur am Gesichtsausdruck der Person, die sie formuliert – die Mimik ist also das Fragezeichen.

#8: Wo kann ich die Deutsche Gebärdensprache lernen?

In Deutschland bieten viele Volkshochschulen entsprechende Sprachkurse an. Darüber hinaus gibt es auch einige Gebärdensprachschulen und Vereine, bei denen du die DGS lernen kannst.





Barrierefreiheit in Echtzeit

Kurze Sätze, Passiv, Genitiv und Konjunktiv vermeiden, viele Absätze einfügen: Das sind, grob zusammengefasst, die Regeln der Leichten Sprache. Diese Variation des Deutschen ist dazu gedacht, die komplexe Grammatik des Deutschen so stark zu vereinfachen, dass jeder Mensch den Inhalt eines Textes gut verstehen kann – also auch diejenigen, die zum Beispiel keine Muttersprachler sind oder aus anderen Gründen alltägliche Texte kaum verstehen können.

Ein tolles Konzept, das nur einen einzigen kleinen Haken hat: Leichte Sprache ist in Deutschland bisher vor allem eine Schriftsprache. Sie kann also gelesen werden, wird aber (noch) nicht in Echtzeit gesprochen. Oder doch?

Anne Leichtfuß würde hier wohl vehement protestieren, denn ihr Job ist genau das: Live und simultan in Leichter Sprache reden, also komplexe Inhalte in leicht verständliche Sätze übersetzen  zum Beispiel bei Veranstaltungen. Sie ist bundesweit bisher die einzige, die diesen Job hat, die also als Simutandolmetscherin für Leichte Sprache arbeitet. Die TAZ hat dazu im letzten Jahr einen schönen Artikel veröffentlicht, den wir als Linktipp der Woche heute noch einmal wärmstens empfehlen möchten.




Nur, wer alles versteht, kann überall mitmachen

Leichte Sprache ist weit mehr als nur eine Art, sich besonders einfach auszudrücken. Sie ist eine „Variation“ des Deutschen, die eigenen, strengen Regeln folgt. Die Idee dieses Konzeptes: Einen Text in Leichter Sprache soll jeder verstehen können, zum Beispiel auch Menschen mit geistigen oder Lernbehinderungen oder Menschen, die kaum Deutsch sprechen.

Es braucht viel Wissen und Übung, um auf diese Weise schreiben zu können und auch, um aus der Alltagssprache in die Leichte Sprache zu übersetzen. Außerdem müssen alle Texte immer sorgfältig geprüft werden, bevor sie veröffentlicht werden. Es gibt daher ganze Redaktionsbüros, die sich auf diese Arbeit spezialisiert haben, und eines davon stellen wir in diesem Film vor: Das Lebenshilfe Büro für Leichte Sprache Ruhrgebiet, das zugleich ein noch junges Inklusionsunternehmen ist.*



* Die Lebenshilfe musste den Inklusionsbetrieb „Büro für Leichte Sprache Ruhrgebiet“ inzwischen leider schließen. Hier erklärt sie, warum.