Wie das Unternehmen „Access“ Pionierarbeit für berufliche Inklusion leistet

Frau Seeger, an wen richten Sie sich mit dem Angebot Ihres Unternehmens?

Grundsätzlich an alle Menschen mit Behinderung, die einen besonderen Unterstützungsbedarf haben, und an Menschen mit gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Bei vielen unserer Kund:innen kommt noch hinzu, dass sie schon sehr lange arbeitslos und über 55 Jahre alt sind, dadurch haben sie es auf dem Arbeitsmarkt noch einmal schwerer. Andere haben zusätzlich eine Suchterkrankung oder sind wohnungslos. Wir leisten in solchen Fällen neben unseren Hauptaufgaben viel klassische Sozialarbeit, damit sich die Menschen, die wir bei der Arbeitssuche unterstützen, ganz auf dieses Ziel konzentrieren können.
Schon seit der Gründung von „Access“ begleiten wir außerdem Schüler:innen mit Behinderung beim Übergang von der Schule ins Berufsleben. Wir sprechen mit ihnen darüber, welche Berufe zu ihren Interessen passen könnten, und helfen, einen Praktikumsplatz zu finden.

Wie unterstützen Sie Ihre erwachsenen Kund:innen dabei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen?

Wir haben verschiedene Programme entwickelt, mit denen wir Menschen zwischen sechs Monaten und bis zu drei Jahre lang auf ihrem Weg begleiten, sie also beraten, schulen und auf Arbeitsplätze vermitteln. Eines dieser Programme richtet sich beispielsweise an Kund:innen, die in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung tätig sind und gerne etwas anderes ausprobieren möchten. Ein anderes ist für Kund:innen gedacht, die schon länger arbeitslos sind, oft aber Fähigkeiten und Wissen aus früheren Jobs oder einer Ausbildung mitbringen. Wir knüpfen für sie dann Kontakte zu passenden Betrieben, in denen sie arbeiten und sich qualifizieren können. Viele unserer Kund:innen begleiten wir auch mit einem Jobcoaching direkt im Betrieb. Sie sollen nach Möglichkeit am Ende ihres Programms einen Vertrag für einen sozialversicherungspflichtigen Job auf dem ersten Arbeitsmarkt unterschreiben. Das gelingt in mehr als sechs von zehn Fällen, was eine sehr gute Quote ist.

Und wie geht es für Menschen weiter, die auch mit Ihrer Hilfe keine sozialversicherungspflichtige Arbeitsstelle finden?

Wir überlegen gemeinsam mit ihnen, was das nächste Ziel oder der nächste Schritt sein könnte. Für Menschen, die lange arbeitslos waren, kann ein Minijob eine Möglichkeit sein, wieder ins Berufsleben einzusteigen. Manchmal stellt sich im Prozess auch heraus, dass eine Person gar nicht mehr arbeiten kann. Dann unterstützen wir sie dabei, einen Rentenantrag zu stellen. In Einzelfällen begleiten wir Kund:innen auch dann, wenn sie feststellen, dass eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung den richtigen Rahmen für sie bietet. Und wenn wir gar nicht weiterhelfen können, vermitteln wir zu einer anderen passenden Beratungsstelle.

„Access“ wurde 1998 gegründet und war eines der ersten Unternehmen in Deutschland, die Projekte für Inklusion auf dem Arbeitsmarkt umgesetzt haben. Wie kam es damals dazu?

Der Impuls und die Initiative kamen von Menschen mit Schwerbehinderung und von Eltern, die statt Sonderstrukturen wie zum Beispiel Werkstätten einen Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt wollten. Sie haben „Access“ damals gegründet.

Waren Sie auch von Anfang an dabei?

Ja, ich suchte damals gerade eine neue Stelle. In meinem ersten Beruf hatte ich lange in der freien Wirtschaft im Marketing gearbeitet. Den Job habe ich aufgegeben und Soziale Arbeit studiert, weil ich darin für mich mehr Sinn gesehen habe. Bei „Access“ kann ich meine Fähigkeiten aus beiden Bereichen zusammenbringen.

Wie hat sich das Unternehmen in den letzten 25 Jahren entwickelt?

Wir haben bei der Gründung mit sechs Mitarbeiter:innen angefangen. Damals haben wir Jugendliche beim Übergang von der Schule ins Berufsleben unterstützt. Außerdem haben wir behinderte Menschen, die schon einen Job hatten, und ihre Arbeitgeber:innen beraten. Im Laufe der Jahre haben wir unsere Programme aufgebaut und arbeiten jetzt mit einem Team von 65 Mitarbeiter:innen. Übrigens mit einer Schwerbehindertenquote von mehr als 20 Prozent, auch auf Leitungspositionen. Dass wir so stark gewachsen sind, war aber kein Selbstläufer. Wir mussten immer wieder neue Projekte entwickeln und Möglichkeiten finden, dafür Geld zu bekommen. Damit sind wir sehr erfolgreich: Wir konnten schon viele unserer Projektideen nach der Pilotphase auch dauerhaft fortsetzen.

Wie finanzieren Sie Ihre Arbeit?

Wir haben keine Sockelfinanzierung, also kein Geld, mit dem wir jährlich fest rechnen und die Büromiete oder einen Teil der Gehälter bezahlen können. Die Arbeitsagentur, die Inklusionsämter und andere Träger zahlen dafür, dass Kund:innen an unseren Programmen teilnehmen oder wir sie mit einer Arbeitsassistenz unterstützen. Dieses Geld ist immer fallbezogen. Darüber hinaus versuchen wir ständig, Fördermittel für Projekte zu bekommen. Seit einiger Zeit unterstützen wir zum Beispiel geflüchtete Menschen mit Behinderung bei der Jobsuche – als einziger Fachdienst in der Region. Aber um für so etwas Fördermittel zu beantragen, müssen wir fast immer auch selbst einen Teil des Projekts bezahlen. Diese so genannten Eigenmittel bekommen wir über Spenden rein. Wir bieten außerdem Seminare und Fortbildungen zum inklusiven Arbeiten an, zum Beispiel für angehende Jobcoaches, also für Fachleute, die Menschen mit Behinderung an verschiedenen Stationen ihres beruflichen Wegs unterstützen. Auch damit nehmen wir Geld ein.
Insgesamt ist die Finanzierung unseres Unternehmens und unserer Projekte also recht aufwendig und kostet viel Kraft. Aber wir sind dadurch auch gezwungen, innovativ zu bleiben. Das tut unserer Arbeit sicher gut.

Müssen Ihre Kund:innen für Ihre Unterstützung etwas bezahlen?

Nein, für sie sind unsere Leistungen immer kostenfrei. Oft weist ein Kostenträger uns eine Person zu, damit wir sie unterstützen. Eine andere Möglichkeit ist, dass Menschen von sich aus zu uns kommen. Dann helfen wir dabei, Geld für die Begleitung durch uns zu beantragen, etwa ein Persönliches Budget für eine Rehamaßnahme.

Sie bieten auch Inklusionsberatungen für Unternehmen an. Wie häufig nehmen Firmen das in Anspruch?

Wenn wir Mitarbeiter:innen oder Praktikant:innen mit Behinderung an ein Unternehmen vermitteln, gehört eine Inklusionsberatung in aller Regel dazu. Auch in manchen Projekten bieten wir Workshops zum inklusiven Arbeiten an. Inzwischen buchen Firmen auch unabhängig von solchen konkreten Anlässen Beratungen und Seminare bei uns, die sie selbst bezahlen. Das kommt zwar insgesamt noch nicht so häufig vor, aber die Nachfrage nimmt zu. Das liegt sicher auch daran, dass wir hier in der Region sehr gut vernetzt sind. Wir haben inzwischen ja schon sehr vielen Unternehmen Mitarbeiter:innen vermittelt. Außerdem wird „Access“ von einem Beirat unterstützt, dem viele Menschen aus der regionalen Wirtschaft, Politik und sozialen Einrichtungen angehören. Dadurch haben wir sehr viele Multiplikator:innen. —