„Ich war schon immer neugierig und kreativ“

Herr Schmidt, warum wollen Sie Journalist werden?

Im Journalismus kann man immer wieder unterschiedliche und abwechslungsreiche Erfahrungen und Einblicke sammeln und dabei Geschichten erzählen. Ich studiere Niederlande-Deutschland-Studien, einen sehr abwechslungsreichen Studiengang, in dem es unter anderem um Geschichte, Politik und Kultur geht. Diese Vielfalt finde ich sehr spannend. Außerdem war ich schon immer neugierig und auf unterschiedliche Weise kreativ. Ich schreibe zum Beispiel, mache Fotos und drehe Filme.

Wie viele andere junge Journalist:innen auch haben Sie sich diesen Beruf vorab von innen angeschaut und als Praktikant gearbeitet. Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?

Ich habe zunächst in einer Lokalredaktion der Tageszeitung „Westfälische Nachrichten“ ein Praktikum absolviert und war dort anschließend als freier Mitarbeiter aktiv. Das war sehr lehrreich. Ich habe erste journalistische Techniken beigebracht bekommen und gelernt, mit meiner Behinderung im beruflichen Kontext umzugehen.

Ist diese von Anfang an ein Thema gewesen?

Ich musste später begleitend zu meinem Studium ein Pflichtpraktikum machen, das habe ich im ZDF-Landesstudio in Düsseldorf absolviert. Im Zusammenhang mit meiner Behinderung gab es dort zu Beginn „falsche Berührungsängste“, wie meine Chefin es beschrieb. Diese Unsicherheit konnte ich bei meinen Kolleg:innen aber schnell beseitigen. Die drei Monate in der Landesredaktion waren dann eine der spannendsten und interessantesten Erfahrungen in meinem bisherigen Leben.

Warum?

Ich durfte unter anderem den Ministerpräsidenten Hendrik Wüst interviewen oder auch für das ZDF-Morgenmagazin die Versteigerung des Nachlasses von Karl Lagerfeld begleiten. Daneben konnte ich vier eigene Beiträge zu verschiedenen Themen produzieren, zum Beispiel über das älteste Faultier der Welt oder die Gesundheit der Wälder. Meine Behinderung hat nur in einem kleinen, aber dann doch entscheidenden Detail eine Rolle gespielt: Wegen meiner Muskelerkrankung habe ich manchmal eine etwas undeutliche Aussprache. Daher habe ich meine Fernsehbeiträge nicht selbst eingesprochen, das hat ein Kollege für mich übernommen.

Ist Journalismus aus Ihrer Sicht ein Berufsfeld, in dem Inklusion schon selbstverständlich ist – oder muss sich noch etwas verbessern?

Es ist auf jeden Fall ein Berufsfeld, in dem Inklusion möglich wäre. Es kommt aber noch viel zu selten vor. Im Journalismus geht es oft um Schnelligkeit, Präzision und Leistung – alles Anforderungen, die schnell zu falschen Vorurteilen führen, weil Menschen mit Behinderung unterstellt wird, dass sie das alles nicht beherrschen. Das stimmt nicht, schon allein deshalb, weil es ja nicht „die eine Behinderung“ gibt, sondern jede und jeder sehr unterschiedliche Voraussetzungen mitbringt. Vorurteile führen wiederum zu fehlender Inklusion. Gerade im Journalismus geht es meiner Meinung nach aber einfach viel um Perspektiven: Man muss zeigen, schreiben oder sagen, was ist, und das aus möglichst unterschiedlichen Blickwinkeln. Nur so werden Themen interessant und verständlich für alle. Dabei zählen auch die Sichtweisen von Menschen mit Behinderung. Ich finde es deshalb wichtig, dass Menschen mit Behinderung in Medien und Kultur nicht nur vorkommen, sondern diese auch selbst gestalten.

Begegnen Ihnen Barrieren im Arbeitsalltag? Falls ja: Welche – und was müsste sich für Sie ändern, damit diese verschwinden?

In meinem Alltag merke ich in den ersten Sekunden oder Minuten oft eine gewisse Unsicherheit bei anderen Personen. Ich sehe den Menschen an, wie sie im Kopf einen Fragenkatalog durchgehen, Vorurteile sortieren – aber ich sehe auch, wie sich diese erste Unsicherheit wieder legt. Das geht mal ganz schnell oder manchmal erst nach einem etwas längeren Moment. Ich denke, es ist in allen Bereichen und Situationen wichtig, dass sich niemand von dieser Verunsicherung einnehmen lässt. Wir alle haben das, das ist völlig menschlich. Aber ich wünsche mir, dass wir alle offen auf andere zugehen – das gilt sowohl für Menschen ohne als auch für solche mit Behinderung.

Was wünschen Sie sich für Ihren Berufseinstieg nach Ihrem Studium?

Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Vielleicht, weil das noch etwas in der Zukunft liegt. Meine bisherigen beruflichen Erfahrungen waren alle sehr schön und spannend. Daher wünsche ich mir, dass mein tatsächlicher Berufseinstieg diesen Erfahrungen möglichst nahekommt.




Ein Model mit Downsyndrom erzählt von sich und ihrem Job

Langes braunes Haar, helle blaue Augen, unzählige Sommersprossen und ein strahlendes Lächeln – Tamara Röske verdient ihr Geld als Model unter anderem mit ihrem Aussehen und ihrer Ausstrahlung. In einem YouTube-Interview mit Leeroy Matata erzählt sie, wie es dazu kam und was sie in ihrem Job schon alles erlebt hat. Sie hat sie zum Beispiel schon in Paris, Rom, Wien und München gearbeitet, war also in gleich mehreren Modehauptstädten Europas unterwegs. Neben ihrer Karriere als Model schauspielert Tamara Röske auch noch, und zwar sowohl in Fernsehrollen („Die Toten vom Bodensee“, ORF/ZDF) als auch im Kino („Fack ju Göthe“, Teil 3; mit dem Hauptdarsteller Elyas M’Barek ist sie heute befreundet, verrät sie im Interview).

Tamara Röske ist oft auch Hass und Diskriminierungen ausgesetzt, vor allem im Netz. Im Interview liest Leeroy Matata als Beispiel einen Kommentar vor, den jemand unter einen Post auf Röskes Instagram-Seite gesetzt hat: „Nur normale Menschen dürfen sich so präsentieren“, schreibt eine Nutzerin dort. Mit solchen behindertenfeindlichen Ansichten anderer Menschen ist Tamara Röske häufiger konfrontiert. Sie versucht, souverän damit umzugehen: „Ich hab’s schon mal gesagt: Das geht da rein und da wieder raus.“

Leeroy Matata fragt zum Abschluss noch, was Tamara Röske anderen Menschen raten würde, wenn sie unsicher sind, wie sie sie am besten behandeln sollen. Auch darauf hat sie eine klare Antwort: „Nett, höflich und nicht anstarren.“




Raus aus dem Tabu: Wie Sexualbegleiter:innen Menschen mit Behinderung sinnliche Erfahrungen ermöglichen

Berührungsängste hatte Edith Arnold nie. Der Kontakt zu Menschen mit Behinderung war für sie schon immer normal, sie besuchte als Kind einen integrativen Kindergarten und wuchs mit einer Tante auf, die das Down-Syndrom hatte.
Nach einigen beruflichen Zwischenstationen entschied sich die 34-Jährige für eine eher ungewöhnliche Arbeit: Sie wollte geistig behinderten Menschen dabei helfen, ihre eigene Sexualität kennenzulernen. Seitdem arbeitet sie als Sexualbegleiterin und hat damit ihren Traumberuf gefunden. Sie hat intimen Kontakt mit ihren Kunden, berührt, streichelt oder massiert sie. Aktiven Sex hat sie mit ihnen aber nicht. Als Sexualassistentin unterstützt sie außerdem Paare mit Behinderung dabei, ihre Bedürfnisse auszuleben. Darüber hinaus hält sie Vorträge und gibt Seminare zu diesem wichtigen Thema, das oft noch ein Tabu ist.

Hier geht es zum ZDF-Dokumentarfilm mit Einblicken in die Arbeit von Edith Arnold.




„Ich war immer der komische Kauz“

Erst seit 2016 weiß Freimut Kahr, dass er autistisch ist. Davor wusste er lange Zeit nicht, warum er sich so oft als Außenseiter fühlte. In der Schule war er „immer der komische Kauz“, sagt er, soziale Kontakte fielen und fallen ihm schwer. Auch die vielen Reize in seiner Umwelt sind für ihn anstrengend: Gespräche im Hintergrund, klingelnde Telefone, raschelndes Papier.

Sein Einstieg ins Berufsleben war deshalb nicht so einfach. Vor seinem aktuellen Job arbeitete er eine Zeit lang als Korrektor, verlor die Stelle aber wieder. Die Agentur für Arbeit vermittelte ihm immer wieder neue Arbeitsplätze, doch die Bewerbungsgespräche und der Kontakt mit Kund:innen stressten ihn einfach zu sehr.

Schließlich stellte sich heraus, dass er Asperger-Autist ist, und durch die Diagnose tat sich eine neue Chance für den 47-Jährigen auf. Der Integrationsfachdienst Bremen (IFD) vermittelte Freimut Kahrs gezielt an seinen heutigen Arbeitgeber, ein kleines IT-Unternehmen in Bremen. Dort kann er so arbeiten, wie es für ihn gut passt. Er kann zum Beispiel Ruhepausen einlegen und dafür einen Rückzugsraum nutzen, wenn die Reize zu viel werden. In den ersten Tagen begleitete ihn außerdem eine Betreuerin des IFD Bremen. Dadurch zerstreuten sich die anfänglichen Ängste recht schnell – und Freimut Kahrs und sein Arbeitgeber sind miteinander sehr zufrieden.