Inklusion vor und hinter der Kamera

Welche Filme haben die „compagnons“ schon gedreht und an welchen Projekten arbeiten Sie zurzeit?

Elisabeth Dinh (ED): Wir entwickeln und drehen Dokumentarfilme, die meist einen Bezug zur Stadt Bremen haben. Wir haben auch schon zwei Spielfilme umgesetzt, die beide im Kino gezeigt wurden. Unser Spielfilm „Apostel & Partner“ lief anschließend im Fernsehen. Im Moment bemühen wir uns um einen Sendeplatz für unseren zweiten Film „Mae goes away“, in dem die Hauptfigur Mae ihren Mann verlässt, in ein neues Leben aufbricht und neue Freunde findet. Der Film ist also Beziehungsdrama und Roadmovie zugleich. Seit einigen Wochen arbeiten wir an unserem dritten Spielfilm mit dem Arbeitstitel „2035 Abgestürzt“, in dem es um den Klimawandel gehen wird.

Wie stellen Sie die Teams zusammen, mit denen Sie an diesen Filmprojekten arbeiten?

Jürgen Köster (JK): Je nach Projekt unterstützen uns eine externe Dramaturgin, professionelle Kameraleute oder auch neue Schauspielerinnen und Schauspieler. Meistens gefällt es einigen der „Neuen“ so gut bei uns, dass sie gerne weitermachen möchten. Das freut uns sehr, denn so ist aus anfangs fünf festen Mitgliedern inzwischen ein richtig großes Team von 20 Menschen mit und ohne Behinderungen und psychischen Erkrankungen geworden.

Sie sind ein inklusives Filmunternehmen. Was bedeutet das genau und warum ist das etwas Besonderes?

ED: Die meisten inklusiven Filmprojekte oder -teams sind nur vor der Kamera inklusiv. Das heißt, es werden zwar eine oder mehrere Rollen mit Schauspielerinnen und Schauspielern mit Behinderung besetzt – die Drehbuchautoren, Regisseurinnen und anderen Menschen hinter der Kamera haben aber meist keine Behinderung. Das ist bei uns anders. Jede und jeder kann die Aufgaben übernehmen, die sie oder er interessant findet und gut kann. Uns ist es wichtig, auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten, alle Teammitglieder mit ihren Stärken zu sehen und niemanden zu über- oder zu unterfordern. Natürlich nehmen wir zugleich auch Rücksicht auf Erkrankungen. Dadurch entsteht eine tolle Arbeitsatmosphäre mit weniger Druck als in vielen anderen Teams. Das schätzen auch externe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Behinderung sehr.

Wie und wann ist das Unternehmen entstanden?

JK: Wir haben vor zehn Jahren angefangen, die Idee ist aber viel älter und hat sich über eine lange Zeit immer weiter entwickelt. Ich selbst bin gelernter Sozialpädagoge, habe mich aber während meines Studiums auch im Bereich Fotografie, Kameratechnik und Dramaturgie fortgebildet. Ende der 1980er-Jahre habe ich in Bremen zusammen mit ehemaligen Patientinnen und Patienten einer psychiatrischen Klinik eine Medien-AG gegründet. Später habe ich auch in anderen Projekten gemeinsam mit psychisch erkrankten Menschen Filme gemacht. Dabei fiel mir immer mehr auf, dass Menschen mit Behinderung und Erkrankungen kaum in den Medien auftauchen – und wenn, dann stehen ihre Schwächen im Fokus. Deshalb haben wir die „compagnons“ gegründet.

Wie finanzieren Sie Ihre Filme?

JK: Manche Projekte sind Auftragsarbeiten, für die wir Honorare bekommen. Der Verein Martinsclub Bremen zum Beispiel ist einer dieser Auftraggeber. Die Organisation unterstützt Menschen mit Behinderung im Alltag und setzt sich für Inklusion ein. Für sie haben wir den Dokumentarfilm „Endlich zu Hause“ gedreht und dafür ein Jahr lang Menschen begleitet, die aus einem Wohnheim in ambulant betreute Wohnungen umgezogen sind. Das war ein sehr schönes Projekt. Den Menschen war anzusehen, wie sehr sie sich auf das neue Leben freuten.

Was ist mit Projekten, die keine Auftragsarbeiten sind?

JK: Wenn wir eigene Ideen ohne externe Kunden umsetzen möchten, etwa unsere Spielfilme, beantragen wir dafür Fördergelder. Damit können wir aber nur die Produktion finanzieren. Das heißt, wir können nur die Honorare für die Kameraleute oder die Schauspieltrainerinnen zahlen, die unsere Darstellerinnen und Darsteller bei den Proben unterstützen. Alle anderen Kosten werden dadurch nicht gedeckt. Beispielsweise können wir aus den kleinen Budgets bei solchen Projekten keine Gagen für die Schauspielerinnen und Schauspieler zahlen. Und für die Koordination bekommen wir aus dem Organisationteam nur eine Aufwandsentschädigung, deshalb haben die meisten von uns noch einen anderen Beruf, in dem sie Geld verdienen. Das alles möchten wir ändern, hatten mit unseren Anträgen bei größeren Filmförderern bisher aber noch keinen Erfolg.

Woran liegt es, dass Sie bei größeren Förderanträgen bisher durchs Raster gefallen sind?

JK: Die Unternehmen und Stiftungen, die solche Filmförderungen anbieten, möchten meist Projekte unterstützen, die schon sicher einen Sendeplatz im Fernsehen haben. Wir können aber nicht garantieren, dass ein Sender unsere Filme ins Programm aufnimmt, auch wenn wir es natürlich immer wieder versuchen. Wir sind aber im Vergleich auch ein noch junges Unternehmen am Markt. Und wir verfolgen noch dazu einen Ansatz, der für unsere Branche bis heute noch sehr ungewöhnlich ist. Deshalb sind wir einfach weiterhin geduldig und bohren dicke Bretter – und setzen darauf, dass wir durch die Qualität unserer Arbeit bald stärker wahrgenommen werden. —


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