Inklusion zwischen Bistrotheke und Gemüseregal

Über der Eingangstür hängt ein großes Schild mit der Aufschrift „Der Bioladen“. Drinnen, im großen, hellen Verkaufsraum, herrscht entspannte Geschäftigkeit. In der Luft liegt der Duft der Gemüselasagne, die es als Tagesgericht im Bistro zu essen gibt.

Hinter der Bistrotheke steht Helen Jarosch und begrüßt mit ihrer herzlichen Art die Kunden, die zum Einkaufen oder zum Mittagessen kommen. Früher arbeitete die junge Frau selbstständig in der Gastronomie, musste diese Tätigkeit wegen ihrer Behinderung im Jahr 2015 aber wieder aufgeben und sich einen neuen Job suchen. Sie fing als Reinigungskraft im „Bioladen“ an, einem von drei Inklusionsbetrieben im Lebensmittelbereich der INTEGRA gGmbH des Vereins INI. Sie sah in der Stelle eine große Chance und lernte schnell und viel dazu, irgendwann stieg sie als Verkäuferin ein. Für den Betriebsleiter Henning Jahns ist Helen Jarosch inzwischen eine verlässliche Größe bei der Schichtplanung und auch sonst eine unverzichtbare Mitarbeiterin – nicht zuletzt, weil sie gerne einspringt, wenn Kolleginnen oder Kollegen krank werden.

Viele Erfolgsgeschichten

Wie Helen Jarosch haben sich viele von ihnen im Laufe der Zeit in neue Bereiche eingearbeitet und neue Aufgaben übernommen. Hinter diesen Erfolgsgeschichten steckt aber nicht nur viel Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst. Auch ihre Vorgesetzten tun eine Menge dafür, dass sich jeder im Team gut entfalten und weiterentwickeln kann. „Der Mehraufwand am Anfang zahlt sich auf lange Sicht aus – in der persönlichen Entwicklung der Mitarbeiter, aber auch unternehmerisch“, erklären Geschäftsführer Andreas Knapp und Betriebsleiter Henning Jahns. „Unsere Angestellten sind loyal, ehrlich und sehr verbunden mit dem Betrieb.“

Gerade zu Beginn investieren die Verantwortlichen erst einmal Zeit und Energie, um neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzulernen. Viele von ihnen haben vorher in einem Praktikum ausprobiert, in welchem der INI-Inklusionsunternehmen sie gerne arbeiten wollen. Der tägliche Kundenkontakt ist schließlich nicht für jeden das Richtige, und nicht jede und jeder möchte oder kann im Bistro arbeiten wie Helen Jarosch. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen also einen Arbeitsplatz finden, der zu ihren individuellen Fähigkeiten passt, aber auch ihre Grenzen berücksichtigt. Nur so kann die Zusammenarbeit funktionieren und – das wird häufig vergessen – zu wirtschaftlichem Erfolg führen.
Im „Bioladen“ ist das gelungen: Eine starke Steigerung des Umsatzes und ein florierendes Geschäft zeigen, dass der Betrieb mit seinem inklusiven und diversen Team auf dem richtigen Weg ist. Das Bistro ist zur Mittagszeit rappelvoll, Helen Jarosch hat hinter der Theke alle Hände voll zu tun.

Andreas Knapp in der Obst- und Gemüseabteilung des Bioladens Lippstadt.
Für Andreas Knapp ist Inklusion selbstverständlich. Der Geschäftsführer der INTEGRA gGmbH beschäftigt 85 Menschen mit Behinderung.

Regionale Zusammenarbeit und nachhaltige Konzepte

Auch in vielen Zuliefererbetrieben des Unternehmens arbeiten Menschen mit und ohne Behinderung zusammen. Die drei INTEGRA-Lebensmittelgeschäfte bekommen ihre Waren von einem inklusiven Bauernhof, der ebenfalls zum Verein INI gehört, der JOSEFS-Brauerei, dem Kiebitzhof und der BioManufaktur Schloss Hamborn.

Die INTEGRA gGmbH setzt neben der engen Vernetzung mit anderen Betrieben in der Region auch auf das Thema Nachhaltigkeit und entwickelt daraus wirtschaftliche Konzepte. So waren die Läden des Unternehmens vor einigen Jahren die ersten, die das Mineralwasser des sozial engagierten Herstellers „Viva con Agua“ aus Lippstadt in ihr Sortiment aufnahmen. Inzwischen führen auch andere Lebensmittelhändler und Gastronomie-Unternehmen die Marke. Zurzeit wird daran gearbeitet, möglichst plastikfrei zu werden, zum Beispiel durch „Unverpackt-Lösungen“ wie ein Gläserpfandsystem für Oliven, Nudeln und Reis.

Für die Zukunft haben Andreas Knapp und seine Kollegen noch viele weitere Ideen, die in diese Richtung gehen. „Das Beispiel ‚Viva von agua‘ hat uns gezeigt, dass sich die gesellschaftliche Vorreiterrolle als Inklusionsbetrieb auch auf andere Bereiche übertragen lässt“, sagt der Geschäftsführer. „Offen zu sein für alle und alles – das kann auch heißen, neue Wege als Erster zu sehen und wirtschaftlich zu erschließen.“ —