Spitzenreiter bei der Ausbildung

Bevor die zwei Geschäftsführerinnen des Lippischen Kombi-Service gGmbH (LKS) Zeit für ein Interview haben, steuern sie erst einmal die Essenstheke an. Sie konnten den ganzen Tag noch nichts essen – und hier wisse man schließlich, dass es schmeckt. „Pop&Corn“, der Catering-Service des Unternehmens, sei zwar schon vorher am Berufskolleg in Lemgo aktiv gewesen. Die vor wenigen Wochen in Betrieb genommene Küche biete aber ganz neue Möglichkeiten.

Seit 16 Jahren ist Monika Zimmermann beim LKS. Ende nächsten Jahres übergibt sie die Geschäftsführung komplett an Simone Luther, die bereits sieben Jahre im gemeinnützigen Unternehmen tätig ist. Ob sich nach dem Wechsel etwas ändert? „Na ja, sie ist jünger als ich“, sagt Zimmermann, beide lachen. Luther will den etablierten Kurs beibehalten. Und dazu gibt es Anlass.
Wie gut das Essen hier ist, spricht sich schnell herum; fast schon zu schnell. Zum ersten Mal in der 35-jährigen Unternehmenshistorie kann der LKS nicht alle Anfragen bedienen. Das Interesse an den Verpflegungsdiensten aus Detmold ist groß. Inklusion sei selbstverständlich auch ein Faktor bei den Anfragen, erklärt Zimmermann, und bei manchen Schulen auch ein Auswahlkriterium. Aber nach ein bis zwei Jahren stehe das gar nicht mehr so im Mittelpunkt – was auf den Teller kommt, bleibe präsenter.
„Primär kommen die Anfragen, weil andere Schulen sagen: Wir sind sehr zufrieden mit unserem Caterer“, resümiert die langjährige Geschäftsführerin. Ein Empfehlungsmarketing, das sich bewährt hat: Mittlerweile kocht und catert der LKS an 48 Standorten im Umkreis.

Simone Luther und Monika Zimmermann nebeneinander vor der Kantine.
Das Führungsduo: Die LKS-Geschäftsführerinnen Simone Luther (l.) und Monika Zimmermann. Foto: LWL

50 Auszubildende

Der LKS ist in der ganzen Region tätig und beschäftigt rund 250 Mitarbeiter:innen, von denen rund die Hälfte eine Schwerbehinderung hat. Die Dienstleistungen des Unternehmens reichen von einer Wäscherei über Datensicherung bis zum Catering.
Ein Schwerpunkt des Unternehmens liegt in der inklusiven, theoriereduzierten Ausbildung, die zusätzlich zur Vollausbildung angeboten wird. Um die 50 Auszubildende sind so im Betrieb verteilt beschäftigt – das ist der Spitzenwert in der Region Westfalen-Lippe.
Jugendliche mit einer Lernbehinderung können zum Beispiel die theoriereduzierte Ausbildung „Fachpraktiker:in Küche“ absolvieren. Ihre Ausbilder:innen wie Frank Schlepper, Leiter der Küche im Berufskolleg, nehmen in der Praxis Rücksicht auf die individuellen Bedürfnisse der Auszubildenden.

Nach einer pandemiebedingten Pause erreichen die Zahlen wieder das Niveau der Vorjahre. „Dieses Jahr waren es fast so viele wie noch nie“, sagt Simone Luther. 24 Neuzugänge befinden sich momentan in der Ausbildung oder einer Einstiegsqualifizierung. Die einjährige Einstiegsqualifizierung zur Ausbildung ist mit die wichtigste, aber auch die schwierigste Zeit. „Das ist nochmal das kleine Einmaleins“, erklärt Luther – eine Phase, in der man vieles neu anlernen müsse. Zimmermann sieht darin aber auch eine Stärke des Konzeptes: Was Vorgesetzte in einer „normalen“ Ausbildung bereits anmahnen müssten – etwa ein unangekündigtes Fehlen – können sie hier auffangen und persönlich klären. Dadurch bekommen junge Menschen die Chance, sich im neuen Beruf und Umfeld einzuleben.

Ein gutes Teamklima ist die Grundlage

„Die Blase LKS“, wie eine Mitarbeiterin diesen eigenen Mikrokosmos einmal etwas verschmitzt beschrieb, setzt auf Zwischenmenschliches. Man kenne eigentlich jede:n Mitarbeiter:in, erklärt Zimmermann, was zusammen mit einem guten Teamklima dazu führe, dass wenige aus dem Raster fallen. Gerade Problemen wie häufigen Krankheitsfällen und fehlender Arbeitskontinuität kann so vorgebeugt werden.
Auch am Arbeitsplatz helfen sich alle gegenseitig, pflichtet Frank Schlepper bei. Die Stärken und Schwächen der unterschiedlichen Mitarbeiter:innen ergänzen sich, man unterstützt einander – mit gutem Ergebnis.
Der großgewachsene Küchenchef kehrte nach zwei Jahren in einem anderen Unternehmen zum LKS zurück, die Arbeit und die Menschen lägen ihm hier einfach mehr. An der Ebenbürtigkeit aller Mitarbeiter:innen zeigt sich für ihn das Besondere des Unternehmens – und am Erfolg des inklusiven Konzepts: „Dass wir hier Sachen schaffen, die auch andere, nicht-inklusive Caterer mit ihrem Personal machen – das ist für mich die größte Bestätigung.“

Erfolgsgeschichten

Für den Küchenleiter liegt der Schlüssel zum Erfolg in der gegenseitigen Offenheit. Wer unvoreingenommen an die Sache herangehe, werde das Arbeiten mit und Ausbilden von Menschen mit Behinderung nicht bereuen. Sein Fazit aus vielen Jahren im Job: „Keine Vorurteile haben, einfach machen, loslegen und gucken, wohin die Reise geht. Damit habe ich nie schlechte Erfahrungen gemacht.“

Und die gemeinsame Reise gestaltet sich – für alle Beteiligten – als Gewinn. Elli Jurk, eigentlich Auszubildende in einer anderen LKS-Küche in Lemgo, hilft gerade am neuen Standort aus. „Ich bin immer die Erste“, berichtet die 20-Jährige, die mit einer Cerebralparese lebt. Sie hilft, den Küchenalltag vorzubereiten, startet die Öfen, backt die Brezeln – eine unerlässliche Stütze für die neue Küche. Sind die Schüler:innen zufrieden, ist die Auszubildende es auch: „Wenn man die Kinder sieht, wenn die anstehen zum Essen, dass die glücklich sind und sich freuen“ – diese Freude ist auch für sie das Highlight des Arbeitstages.
Mittlerweile ist sie im letzten Ausbildungsjahr und fühlt sich sehr wohl. Das Team sei nett und hilfsbereit und jede:r habe Gelegenheit, sich kreativ in der Küche und Essensplanung einzubringen. Außerdem nähmen die Vorgesetzten sich Zeit für alle Mitarbeiter:innen. Das sei für das Gelingen der Ausbildung unerlässlich, deren guter Verlauf Elli auch für die Zukunft positiv stimmt: „Dann bin ich ausgelernt und habe schon Erfahrungen gesammelt.“

Die Auszubildende Elli Jurk mit Kochuniform in der LKS-Küche.
Die Auszubildende Elli Jurk arbeitet in der Küche in Lemgo tatkräftig mit. Foto: LWL

Noel, ebenfalls 20 und heute zur Aushilfe in Lemgo, schlägt ähnliche Töne an. Der Auszubildende mit Konzentrationsstörung wollte sich schon früher in der Gastronomie bewerben – über eine berufsvorbereitende Maßnahme bei einem Bildungsträger fand er schließlich den Weg zum Lippischen Kombi-Service. Die Arbeit macht ihm Spaß, „denn hier kann ich mich kreativ ausleben.“ Er kocht für sein Leben gern, ein besonderes Faible habe er fürs Würzen und für vegetarische Gerichte. In der Ausbildung sieht er einen wichtigen Baustein für seine Zukunft. „Ich will mich selbstständig machen“, offenbart er grinsend – „vielleicht auch mit einem Restaurant“.

Nach den vielen Jahren als inklusiver Ausbilder überwiegen für Küchenchef Schlepper klar die positiven Seiten. Wer sich auf die Jugendlichen einlasse, finde sich später in einem Team wieder, das von starkem gegenseitigen Vertrauen geprägt sei – und das motiviere. Es komme oft vor, dass junge Menschen sich nach der theoriereduzierten Ausbildung zum Beikoch auch an die Vollausbildung wagen. Frank Schlepper begleitet sie dann mehrere Jahre lang. Diesen Weg ein Stück mitzugehen und am Ende zur bestandenen Prüfung zu gratulieren: „Das sind die größten Erfolge.“

Hürden und Chancen

Insgesamt läuft die Arbeit gut, aber sie wird nicht einfacher, denn mittlerweile muss der LKS immer mehr auffangen. Jugendliche, die auf dem traditionellen Arbeitsmarkt durch die Raster fallen, bekommen beim LKS die Chancen und Betreuung, die ihnen anderswo nicht zuteilwurden. Das mehrt sich aktuell, gerade bei Menschen mit psychischen Erkrankungen.
Zunehmend werden außerdem Jugendliche mit Migrations- oder Fluchthintergrund an das Unternehmen vermittelt. Bei manchen von ihnen tritt im Verlauf der Ausbildung noch eine psychische Erkrankung zutage, die vorher schlicht nicht erfasst wurde. Für Monika Zimmermann besteht also immer noch Handlungs- und Aufklärungsbedarf. „Viele wissen immer noch nicht, was Inklusion überhaupt ist“, sagt sie. Und zu wenige seien bereit, sich dafür einzusetzen, ergänzt Simone Luther: „Wirklich mitmachen und mithelfen, wenn es ans Eingemachte geht, wollen die wenigsten.“
Da fühle man sich gelegentlich schon allein gelassen oder überfordert. „Lieber LKS, rettet das Ganze, macht was draus“, fasst Monika Zimmermann schulterzuckend zusammen, was oft an sie herangetragen wird. Einer kurzen Pause folgt ein stolzes Lächeln: „Aber manchmal machen wir ja auch was draus.“ Der LKS müsse viel für die Betreuung der einzelnen Azubis leisten – aber es stecke auch in jedem Jugendlichen Potenzial, für das sich der Einsatz lohne. —