Welche Aufgaben hat eine Fachstelle „Behinderte Menschen im Beruf“?
Herr Simon, Frau Sundermeier, in Nordrhein-Westfalen gibt es insgesamt 53 Fachstellen „Behinderte Menschen im Beruf“. An wen richtet sich das Beratungsangebot dieser Einrichtungen?
Olaf Simon (OS): Die Fachleute dort beraten vor allem Menschen mit Schwerbehinderung und ihre Arbeitgeber, aber auch Schwerbehindertenvertretungen, Betriebs- und Personalräte und Menschen, die sich in Unternehmen um die Inklusion und das Betriebliche Eingliederungsmanagement kümmern. Wir unterstützen zum Beispiel Angestellte und Arbeitgeberinnen dabei, Arbeitsplätze behinderungsgerecht auszustatten oder Abläufe so zu organisieren, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderung ihren Job gut machen können.
Linda Sundermeier (LS): Unser Ziel ist es, Arbeitsplätze zu erhalten und Schwierigkeiten oder Konflikte so früh wie möglich zu lösen. Dafür besuchen wir Menschen mit Behinderung auch im Unternehmen, schauen uns die Arbeitsplätze an und geben Tipps. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die einen Menschen mit Behinderung beschäftigen und Unterstützung brauchen, können sich jederzeit an uns wenden. Unsere Beratung ist immer kostenlos.
Stehen Betrieben finanzielle Zuschüsse zu, wenn sie einen Arbeitsplatz für eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter mit Behinderung umgestalten möchten?
LS: Ja, wenn die oder der Angestellte mindestens 15 Stunden pro Woche im Unternehmen arbeitet, können die Fachstellen individuell angepasste Hilfsmittel fördern. Das kann zum Beispiel ein Telefonverstärker für einen Menschen mit Hörbehinderung sein oder eine Kühlweste für jemanden, der an Multipler Sklerose erkrankt ist. Darüber hinaus können Unternehmen auch weitere Zuschüsse vom Staat beantragen, wenn sie einen Arbeitsplatz oder die Zugänge zum Gebäude barrierefrei umbauen.
OS: Das Geld dafür stammt übrigens aus der Ausgleichsabgabe. Das ist ein Betrag, den alle Betriebe zahlen müssen, die nicht wie gesetzlich vorgeschrieben mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderung vergeben haben. Diese Regelung gilt bei Betrieben mit mindestens 20 Angestellten. In Nordrhein-Westfalen wird die Ausgleichsabgabe vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe und vom Landschaftsverband Rheinland verwaltet und von den Fachstellen ausgezahlt. Manchmal sind auch die Deutsche Rentenversicherung oder die Agentur für Arbeit zuständig, die Geld aus weiteren Töpfen auszahlen können. Mit diesen Kostenträgern tauschen wir uns regelmäßig aus. Außerdem stehen wir in engem Kontakt mit anderen Einrichtungen wie dem Präventionsfachdienst Sucht und Psyche, dem LWL-Inklusionsamt Arbeit und den Integrationsfachdiensten.
Angenommen, ein Unternehmen möchte bei Ihnen einen Zuschuss für einen behinderungsgerechten Arbeitsplatz beantragen. Wie funktioniert das genau?
LS: Zuerst vereinbaren wir einen Beratungstermin und schauen uns den Arbeitsplatz direkt im Betrieb an, um den es geht. Bei Bedarf werden wir dabei von Kolleginnen oder Kollegen unterstützt, die entweder aus den Fachdiensten für Menschen mit Seh- oder Hörbehinderung oder vom Technischen Beratungsdienst des LWL-Inklusionsamtes Arbeit dazukommen. Vor Kurzem hat beispielsweise jemand Kontakt mit mir aufgenommen, der infolge eines Hirntumors eine Sehbehinderung entwickelt hatte. Nach der medizinischen Therapie ging es ihm zwar wieder besser, er konnte aber trotzdem nicht gleich an seinen Arbeitsplatz in einem Büro zurückkehren. Eine Kollegin vom Fachdienst für Menschen mit Sehbehinderung und ich haben ihm und seinem Arbeitgeber daher empfohlen, einige Hilfsmittel anzuschaffen: einen Monitorschwenkarm, mit dem der Mitarbeiter seinen Computerbildschirm flexibel bewegen und näher zu sich heranziehen kann, eine Tastatur mit hohem Kontrast und sehr großen Buchstaben und eine Software, die ihm den Mauszeiger auf dem Bildschirm besser anzeigt. Für all diese Hilfsmittel kann der Arbeitgeber bei uns nun Zuschüsse beantragen.
Werden die Kosten für solche Hilfsmittel komplett übernommen?
LS: In diesem Fall ja, weil sie als Nachteilsausgleiche für einen Mitarbeiter mit Behinderung dienen. Meistens müssen die Unternehmen aber einen Eigenanteil zahlen, etwa dann, wenn ein Hilfsmittel auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Betrieb zugutekommt, die keine Behinderung haben. Ein Beispiel: Ein Industriebetrieb möchte für einen Lagerarbeiter mit einer Rückenerkrankung einen elektrischen Hubwagen anschaffen. Der Mitarbeiter ist auf diesen Hubwagen zwar angewiesen, die Anschaffung ist aber auch grundsätzlich vorteilhaft für das gesamte Unternehmen, weil auch alle anderen Kollegen nicht mehr so häufig schwere Lasten heben müssen. Der Arbeitgeber müsste in diesem Fall einen Teil der Kosten selbst übernehmen. Wie hoch der Zuschuss seitens der Fachstellen ausfällt, hängt außerdem davon ab, wie viele Menschen mit Behinderung das Unternehmen beschäftigt, ob es also die gesetzlich vorgeschriebene Quote von fünf Prozent erfüllt.
Können Sie auch dann weiterhelfen, wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter mit Behinderung einen Konflikt innerhalb des Teams oder mit dem Arbeitgeber hat?
OS: Wir beraten auch bei solchen Schwierigkeiten, ja. In diesen Fällen suchen wir erst einmal das Gespräch und bemühen uns, zwischen den Parteien zu vermitteln. Bei Bedarf werden wir dabei vom Integrationsfachdienst unterstützt.
Was passiert, wenn sich ein Konflikt nicht lösen lässt und der Arbeitgeber einem Menschen mit Behinderung kündigen möchte?
OS: Für Menschen mit Schwerbehinderung gilt ein besonderer Kündigungsschutz. Das LWL-Inklusionsamt Arbeit muss einer solchen Kündigung nämlich erst einmal zustimmen. Wenn ein Unternehmen eine entsprechende Entlassung beantragt, schauen wir uns den Fall im Auftrag des Inklusionsamts sehr genau an. Wir sprechen mit der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter, den Vorgesetzten und der Schwerbehindertenvertretung. Bei Bedarf holen wir auch externe Gutachten ein. Wir gehen jeden Fall neutral an, unser Ziel ist aber natürlich, dass alle Beteiligten sich gut einigen und das Arbeitsverhältnis idealerweise bestehen bleibt.
Unterstützen Sie auch Menschen mit Behinderung auf ihrem Berufsweg, die selbstständig arbeiten oder sich selbstständig machen möchten?
LS: Natürlich, Selbstständigen stehen dieselben Zuschüsse für Hilfsmittel zu wie Angestellten oder Beamten. Außerdem können angehende Gründerinnen und Gründer mit einer Behinderung ein Darlehen oder einen Zinszuschuss für ihr Unternehmen beantragen. Wir helfen zum Beispiel, wenn sich jemand als Steuerberater selbstständig machen und sein Büro einrichten möchte. Solche Darlehen gibt es übrigens auch für bereits aktive Selbstständige, die im laufenden Betrieb in ihr Unternehmen investieren wollen.