Mobbing am Arbeitsplatz: Infos und Tipps für Betroffene vom Rechtsexperten Martin Wolmerath
Herr Wolmerath, als Jurist befassen Sie sich mit rechtlichen Fragen. Zählt das Thema Mobbing mit dazu?
Mobbing ist eine sehr perfide Strategie und ein menschenverachtendes Werkzeug, mit dem Konflikte am Arbeitsplatz „gelöst“ werden. Es ist also ein Phänomen, in dessen Folge viele rechtliche Aspekte zum Tragen kommen können – es handelt sich aber nicht um einen juristischen Begriff an sich (mehr Infos zu Mobbing und der Geschichte des Begriffs siehe unten, Anm. d. Red.). Trotzdem müssen sich Rechtsanwälte wie ich immer wieder damit befassen. Zum Beispiel, wenn eine von Mobbing betroffene Person herausfinden möchte, welche arbeitsrechtlichen Schritte sie oder er in solch einer Situation gehen kann und dabei Unterstützung braucht.
Damit sprechen Sie einen wunden Punkt an. Müssen Betroffene selbst nachweisen, dass sie Mobbing ausgesetzt sind?
Ja, für rechtliche Schritte kann das wichtig sein. Aber es gibt dafür eine gute Möglichkeit, die wir auch in unserem Mobbing-Ratgeber aufzeigen: Betroffene können ein „Mobbingtagebuch“ führen. Damit sind zwei Vorteile verbunden. Durch das Niederschreiben des Erlebten kann die Person ihre Situation reflektieren und zum Teil aufarbeiten, je nach Bedarf auch mit der Unterstützung einer Therapeutin oder eines Therapeuten, weil das ja sehr belastende Erlebnisse sind. Zugleich entsteht auf diese Weise eine Sammlung des Erlebten, also aller Ereignisse, Verletzungen und ungerechten Handlungen seitens der mobbenden Personen. Auf diese Sammlung können Dritte bei Bedarf zurückgreifen, wenn sie die Betroffenen von außen unterstützen – also Ärzt:innen, Therapeut:innen und auch Rechtsanwält:innen. Die ganz wichtige Erkenntnis dabei: Was einmal zu Papier gebracht ist, kann nicht mehr in Vergessenheit geraten.
Sind Beschäftigte mit einer Schwerbehinderung öfter Mobbing ausgesetzt als Menschen ohne Behinderung?
Grundsätzlich ist es so, dass Mobbing alle treffen kann, genauso aber auch alle selbst zur Mobberin oder zum Mobber werden können. Es gibt also keinen „Prototypen“ auf jeder Seite, mit dem sich voraussagen lässt, wer mobben und wen es treffen wird. Zugleich ist das Risiko, am Arbeitsplatz in eine Mobbingsituation zu geraten, größer für Menschen, die einer so genannten Minderheit angehören. Das kann die einzige Raucherin in einer ansonsten aus Nichtrauchern bestehenden Arbeitsgruppe sein, ein sich vegan ernährender Beschäftigter unter ansonsten Fleisch essenden Arbeitskolleg:innen, aber auch eine Arbeitnehmerin mit Schwerbehinderung in einer Gruppe von Beschäftigten ohne Behinderung. Entscheidend ist also die Zusammensetzung der Gruppe. Hinzu kommen noch weitere Aspekte wie das Arbeitsklima, der Umgang miteinander, das Verständnis füreinander, der Arbeitsdruck und vor allem die soziale Kompetenz der Vorgesetzten. Um Mobbing zu verhindern, ist es so oder so wichtig, dass Vorgesetzte und Arbeitskolleg:innen ein solches Verhalten weder akzeptieren noch dulden.
Welche praktischen Tipps haben Sie für Mobbingbetroffene?
Mein wichtigster Rat ist: Suchen Sie sich Hilfe. Denn wenn Sie raus aus Ihrer akuten Situation wollen, müssen Sie aktiv werden, so schwierig das auch ist. Sprechen Sie mir Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt über Ihre Situation, wenden Sie sich an Ihre Schwerbehindertenvertretung, lassen Sie sich von Ihrem Betriebsrat, Ihrer Personal- oder Ihrer Mitarbeitervertretung vertraulich beraten. In vielen Betrieben und Dienststellen gibt es außerdem Betriebs- und Dienstvereinbarungen zum Thema Mobbing, in denen spezielle Ansprechpersonen vorgesehen sind. Darüber hinaus kann es ratsam sein, mit einer Therapeutin oder einem Therapeuten zu sprechen, um nicht allein damit zu bleiben, die Situation besser zu verstehen – und schrittweise besser damit umgehen zu können. —