Barrieren im Kopf

In den Beruf einzusteigen und Karriere zu machen, ist für fast jeden anstrengend – für Menschen mit Behinderungen ist dieser Weg oft gar nicht erst möglich, oder er wird durch Vorurteile und andere Hürden stark erschwert. Das ist nicht nur ungerecht, sondern auch sehr frustrierend für alle Betroffenen.

Silke Hoock von ZEIT Online hat sich diesen Sommer im Artikel „Die Barriere in unseren Köpfen“ mit der Situation von Menschen auseinandergesetzt, die zwar die Fähigkeiten und Qualifikationen für einen anspruchsvollen Arbeitsplatz mitbringen würden, aber wegen ihrer Behinderung keine Chance bekommen.
Unser Linktipp der Woche!




Hilfe und Schutz für Mädchen mit Behinderung, die Gewalt erfahren

Unser Linktipp zum Wochenende hat ausnahmsweise nichts mit dem Thema Arbeit zu tun. Wir finden aber, dass dieses Projekt unbedingt einen Hinweis verdient, weil es dabei um ein besonders wichtiges Thema geht: Um Gewalt nämlich, und zwar insbesondere um Gewalt gegen Mädchen mit Behinderung. Sie sind leider besonders oft solchen furchtbaren Situationen ausgesetzt und brauchen umso mehr passende, niedrigschwellige Hilfsangebote.

Das Mädchenhaus Bielefeld e. V. hat aktuell genau so ein Beratungsprojekt ins Leben gerufen, das vom Land NRW gefördert wird: Das Portal „Mädchen sicher inklusiv“ wendet sich explizit an Mädchen und junge Frauen mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen, die Gewalt erfahren haben, in einer Krisen- oder Notsituation stecken, sich nicht verstanden oder alleine mit ihren Problemen fühlen oder Hilfe und Schutz vor Gewalt suchen. Dazu stehen im Portal viele Informationen in gut verständlicher Sprache bereit, das Mädchenhaus bietet auf der Seite aber vor allem eine Online-Beratung und eine Telefon-Hotline an. Die Beraterinnen und Berater weisen auch gern den Weg zu einer Kontaktperson in der Nähe, die beraten, unterstützen und natürlich auch vor akuter Gewalt schützen kann.

Die Inhalte und Angebote der Seite sind übrigens nicht nur in der deutschen Alltagssprache aufbereitet, sondern stehen auch in Deutscher Gebärdensprache (DGS), in Leichter Sprache sowie auf Türkisch zur Verfügung.

Wichtig bei all dem: Keines der Mädchen, das dieses Angebot in Anspruch nehmen möchte, braucht seinen Namen oder persönliche Daten anzugeben, wenn es das nicht will. Die Ansprechpersonen im Mädchenhaus sichern außerdem zu, dass niemand von der Kontaktaufnahme erfährt, es gilt also eine Schweigepflicht für die Beraterinnen und Berater. Natürlich wird auch nichts unternommen, was nicht vorher mit dem Mädchen oder der jungen Frau abgesprochen ist, die sich beraten lässt oder Hilfe und Schutz sucht.




Auch mit Behinderung im Wunschberuf arbeiten

Einen Job in einem „normalen“ Betrieb zu finden, ist für viele Menschen mit Behinderung oft alles andere als einfach. Es gibt in vielen Regionen Deutschlands einfach nicht genug Beschäftigungsmöglichkeiten, was allerdings weniger an der fehlenden Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber liegt. Oft scheuen sich die eher die Unternehmen, Menschen mit Behinderung als neue Mitarbeiter in Betracht zu ziehen.

Die Lebenshilfe Bamberg hat vor einiger Zeit eine Initiative gestartet, mit der sie das in der Region im Süden Deutschlands Schritt für Schritt ändern will. Die Idee der „integra MENSCH“-Initiative: lokale Akteure aus Wirtschaft und Politik in und um Bamberg zusammenbringen, auf diese Weise ein Netzwerk knüpfen, aus dem neue berufliche Möglichkeiten für Menschen mit Behinderung entstehen, und regionale Betriebe so gezielt in den Prozess der beruflichen Inklusion einbinden.
Die Initiative kooperiert also mit immer mehr Betrieben und Einrichtungen aus der Region und bringt sie mit Berufseinsteigern zusammen, die eine Behinderung haben. Darüber hinaus stellt sie so genannte „Integrationsbegleiter“, die die betrieblichen Neueinsteiger im Arbeitsalltag unterstützen und begleiten.

Der Prozess beginnt in der Regel mit einem Praktikum, bei dem beide Seiten schauen können, ob sie zueinander passen. Die Job-Anwärterinnen und -Anwärter lernen in dieser Zeit ihre künftigen Arbeitsaufgaben kennen und können sich in ihrem Tempo einleben und entfalten. Wenn das gut klappt und der Betrieb wie auch die Berufseinsteigerin oder der Berufseinsteiger zufrieden sind, können die jeweiligen Betriebe eine Patenschaft für ihre neue Mitarbeiterin oder ihren neuen Mitarbeiter übernehmen. Der Arbeitgeber bleibt trotzdem die Initiative integra MENSCH. In und um Bamberg sind so schon über 130 Patenschaften entstanden: unter anderem bei der Lebenshilfe selbst, bei verschiedenen Einrichtungen der Stadt Bamberg, im Musikhaus Thomann im nahen Ort Treppendorf, im lokalen REWE-Markt, auf einem Pferdehof in Bischberg, in einer Bamberger Metzgerei und in Metallbau- oder Malerbetrieben direkt am Ort.




Kommunizieren ohne Hürden

Kurz eine Mail tippen, eben den Kontostand prüfen, fix den Weg für den nächsten Termin heraussuchen: Vieles lässt sich heute mit ein paar Klicks im Internet erledigen, was früher kompliziert und langwierig war.
Doch so einfach und selbstverständlich ist es nicht für jeden. Gerade das Web kann für viele Menschen voller Hürden sein, die sie teils kaum oder gar nicht überwinden können. Was in der Realität beispielsweise Treppen ohne Rampen sind, sind im Internet etwa zu kleine Schriftgrößen, unübersichtliche Webseitenstrukturen, schlecht programmierte Seiten oder schwer verständliche Texte.

Damit das in Zukunft besser wird, muss auch in der Internet-Kommunikation viel selbstverständlicher an Barrierefreiheit gedacht werden – doch was das genau bedeutet, wissen nur einige wenige Experten genau.




Digitale Lösungen für inklusive Bildung im Beruf gesucht!

Facebook, youtube & Co sind nur ein kleiner Teil der vielen digitalen Medien, die in unserem gesellschaftlichen Zusammenleben eine immer größere Rolle spielen – mit positiven, negativen und auch noch nicht abzusehenden Auswirkungen. Für die positiven Effekte im Zusammenhang mit dem Thema Inklusion und Bildung interessiert sich aktuell das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ganz besonders. Mitte Februar 2017 hat es extra dazu ein neues Förderprogramm gestartet: „Inklusion durch digitale Medien in der beruflichen Bildung“. Bildungsträger wie zum Beispiel Hochschulen, aber auch Verbände und Unternehmen können daran teilnehmen und Ihre Ideen für besonders inklusive IT-Konzepte einreichen – Projekte und Entwicklungen etwa, die Lern- und Arbeitsprozesse vereinfachen, die berufliche Bildung fördern oder bestehende Strukturen in Betrieben und Organisationen verbessern oder vernetzen helfen. Besonders vielversprechende Ideen fördert das Ministerium bis zu drei Jahre lang.

…und wie geht das genau? Bewerbungsverfahren und Fristen

Wer sich mit seiner Idee bewerben möchte, kann das entweder bis zum 31. März oder bis 15. Juli 2017 tun. Die Projektskizze muss beim Projektträger, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) eingereicht werden. Das Zentrum übernimmt die erste von zwei Bewerbungsstufen und bewertet die digital und schriftlich eingereichten Ideen.
Wenn die Projektskizze positiv beurteilt wird, muss der Urheber anschließend einen förmlichen Förderantrag beim BMBF stellen – das ist die zweite und letzte Stufe des Verfahrens.




Barrierefreiheit in Echtzeit

Kurze Sätze, Passiv, Genitiv und Konjunktiv vermeiden, viele Absätze einfügen: Das sind, grob zusammengefasst, die Regeln der Leichten Sprache. Diese Variation des Deutschen ist dazu gedacht, die komplexe Grammatik des Deutschen so stark zu vereinfachen, dass jeder Mensch den Inhalt eines Textes gut verstehen kann – also auch diejenigen, die zum Beispiel keine Muttersprachler sind oder aus anderen Gründen alltägliche Texte kaum verstehen können.

Ein tolles Konzept, das nur einen einzigen kleinen Haken hat: Leichte Sprache ist in Deutschland bisher vor allem eine Schriftsprache. Sie kann also gelesen werden, wird aber (noch) nicht in Echtzeit gesprochen. Oder doch?

Anne Leichtfuß würde hier wohl vehement protestieren, denn ihr Job ist genau das: Live und simultan in Leichter Sprache reden, also komplexe Inhalte in leicht verständliche Sätze übersetzen  zum Beispiel bei Veranstaltungen. Sie ist bundesweit bisher die einzige, die diesen Job hat, die also als Simutandolmetscherin für Leichte Sprache arbeitet. Die TAZ hat dazu im letzten Jahr einen schönen Artikel veröffentlicht, den wir als Linktipp der Woche heute noch einmal wärmstens empfehlen möchten.




Ein Portal zur Jobsuche für Menschen mit Behinderung

Es gibt Zeiten im Leben, die für fast jeden sehr aufreibend und aufregend sind, weil damit ein neuer Abschnitt beginnt. Dazu zählt zum Beispiel, den ersten oder einen neuen Job zu finden. Man muss sich in dieser Zeit viel mit sich selbst und den eigenen Fähigkeiten und Vorstellungen auseinandersetzen, Lebensläufe und Bewerbungen schreiben, Stellenanzeigen lesen, sich schließlich bewerben und hoffen, zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Wenn das gut klappt und beide Seiten zusammenpassen, darf man schließlich den ersehnten Arbeitsvertrag unterschreiben.

Wenn sich dieser Prozess besonders lange hinzieht und trotzdem nicht zum Erfolg führt, wird aus der anfangs noch vorhandenen Motivation oft schnell großer Frust. Spätestens, wenn sich die Absagen häufen, ist fast jeder verzweifelt. Das erleben Menschen mit Behinderung leider nach wie vor besonders häufig: Sie suchen im Schnitt ganze drei Monate länger nach einer geeigneten Stelle als nicht behinderte Menschen. Der Grund dafür sind entweder Arbeitgeber, die sich davor scheuen, Menschen mit Behinderung einzustellen, oder durch die Behinderung vorhandene Einschränkungen, die sich nicht mit dem Job vereinbaren lassen.

Dieses Problem will die Online-Jobbörse „Capjob“* lösen und so eine große Lücke schließen. Hier inserieren ausschließlich Unternehmen, die explizit Menschen mit Behinderung ansprechen wollen. Ansonsten funktioniert das Jobportal aber wie jedes andere auch: Interessierte können nach Jobs suchen, ein Profil mit Lebenslauf und weiteren Informationen anlegen und sich über neue Angebote auf dem Laufenden halten lassen. Dazu gibt es noch einige Sonderfunktionen. Die Interessenten können zum Beispiel die eigene Behinderung in die Suche mit einbeziehen und die Stellenangebote danach filtern – oder gleich im digitalen Lebenslauf die Hilfsmittel angeben, die sie am künftigen Arbeitsplatz brauchen werden.

* UPDATE: Das Portal heißt inzwischen myAbility.jobs. Ihr findet es hier.




Starthilfe bei der beruflichen Neuorientierung

Ein Krankenpfleger, der wegen eines Bandscheibenvorfalls plötzlich nicht mehr in seinem Beruf arbeiten kann, ein Ingenieur, der bei einem Arbeitsunfall eine schwere Verletzung davonträgt, die nicht vollständig ausheilt, ein Bäcker, der eine Stauballergie entwickelt und die Backstube meiden muss: Arbeitsunfähigkeit kann sehr unterschiedliche Formen annehmen und jeden treffen. Die Vorfälle und Entwicklungen, die dazu führen, kommen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fast immer unerwartet – und meistens ist danach auch eine berufliche Neuorientierung nötig.

Durch diese oftmals schwierige Phase begleiten die Experten des Verbundes der Deutschen Berufsförderwerke. Sie beraten und unterstützen Menschen unter bestimmten Voraussetzungen bei der Umschulung und auch beim Wiedereinstieg in den Beruf nach einem Unfall. Es gibt auch präventive Angebote, also die Möglichkeit, frühzeitig Lösungen zu entwickeln, wenn bereits abzusehen ist, dass sich das Befinden eines Berufstätigen über kurz oder lang negativ verändern wird.

Angebote für Arbeitnehmer und Unternehmen

Die Berufsförderwerke wenden sich mit ihrem Angebot übrigens nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch an Unternehmen. Sie helfen Firmen auf Wunsch bei der Bewältigung der vielen Herausforderungen des modernen Arbeitsmarktes zum Beispiel, wenn das Unternehmen einen Mangel an Fachkräften abfedern muss und dabei Unterstützung braucht.

Das Webangebot des Bundesverbandes, der übrigens mit rund 100 Standorten in Deutschland vertreten ist, bietet unter anderem Informationen zu den Voraussetzungen für den beruflichen Neustart. Außerdem wird dort erklärt, was der Verband genau bieten kann. Die Postleitzahlsuche hilft Interessierten, einen Ansprechpartner in der Nähe des eigenen Wohnortes zu finden. Die aufgeräumt wirkende Seite bietet damit einen guten Überblick über das Thema und macht „Erste-Hilfe“-Angebote zum Thema.




Barrierefreie Veranstaltungen planen

Die Räumlichkeiten sind gebucht, das Programm steht, die Catering-Firma weiß Bescheid. Das Event kann kommen oder? Noch nicht ganz. Was vielen Veranstaltern oft „durchrutscht“, ist das Thema Barrierefreiheit. Denn ob ein Event wirklich für alle Gäste zugänglich ist, hängt sowohl vom Veranstaltungsort ab als auch vom Programm und von der Kommunikation vor und während des Ereignisses  technisch wie inhaltlich. Diese Aspekte sollten am besten frühzeitig bedacht werden und direkt in die Planungen einfließen.

Was dabei wichtig ist und welche interessanten Möglichkeiten es gibt, Veranstaltungen bewusst barrierefrei zu gestalten, ist das Thema des Portals Ramp-up.me. Die Seite ist als Initiative des Vereins Sozialhelden e. V. entstanden und gibt viele Tipps und Hinweise rund um barrierefreie Planung von Events. Der Wunsch und das Ziel der Initiatoren ist es, eine vielfältigere und buntere Veranstaltungskultur schaffen, in der alle Menschen gleichberechtigt agieren und teilnehmen können und mit ihren Beiträgen gehört werden.




Alle sind anders

„Anderssein ist keine Hürde, sondern eine große Chance“, könnte der Grundsatz einer Initiative lauten, die sich in Deutschland für eine bessere Unternehmenskultur engagiert: Die Charta der Vielfalt hat sich zum Ziel gesetzt, dafür zu sorgen, dass in Zukunft das Potenzial aller Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft, Behinderung oder sexueller Orientierung angemessen wertgeschätzt, gefördert und genutzt wird.

„Diversity Management“ heißt dieses Prinzip in der Fachwelt und in den Personalabteilungen von Unternehmen. Die Idee dahinter: Wenn alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer Firma oder Organisation sich gegenseitig schätzen, untereinander gerne Erfahrungen austauschen und ihr Fachwissen ungehindert weitertragen können, fördert das die Kreativität eines Teams – und das wirkt sich wiederum positiv auf die Innovationskraft des Unternehmens aus. Vielfalt beim Personal lohnt sich für Firmen demnach nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht, es steigert auch deren Anpassungsfähigkeit an neue Entwicklungen auf den Märkten in Deutschland und der Welt.