Podcast-Tipp: „Kleinwüchsige schenken Kurze aus“

Wer in den vergangenen Jahren gerne Festivals besucht hat, kennt vielleicht die „MiniBar“: An einer 80 Zentimeter hohen Theke servieren die drei kleinwüchsigen Männer Peter Brownbill, Peter Gatzweiler und Frank Ramirez Schnäpse – also „Kurze“. Unter ihrem Künstlernamen „TimeBandits“ bieten sie außerdem für Veranstaltungen eine „MiniSecurity“ und Comedy-Auftritte an.
Die Idee der Bar finden viele lustig und gut aber nicht alle. Der Bundesverband Kleinwüchsige Menschen und ihre Familien (BKMF) kritisiert, das Geschäftsmodell der „TimeBandits“ bediene ein veraltetes Bild von Menschen mit Behinderung und diskrimiere andere Kleinwüchsige.

Die Autorin Anke van de Weyer hat die drei Künstler und Michel Arriens vom BKMF dazu interviewt. Daraus ist eine tolle Audio-Reportage für den Deutschlandfunknova-Podcast „Einhundert“ entstanden über berufliche Selbstbestimmung, Provokation, Diskriminierung, den schmalen Grat dazwischen und die damit verbundenen Grundsatzfragen. Unser Fundstück der Woche!




Diese Fragen werden blinden Menschen besonders oft gestellt (Video-Tipp)

„Wie orientierst du dich in einer fremden Stadt?“
„Brauchst du im Alltag viel Hilfe?“
„Wie träumst du?“

So lauten einige der insgesamt über 70 Fragen, die Fabiana vor der Produktion ihres Videos von sehenden Menschen gestellt bekommen hat. In einem ihrer YouTube-Videos sortiert sie diese Fragen und antwortet darauf sehr offen, mit viel Humor und manchmal auch sehr sarkastisch. Denn die meisten Fragenden sind ehrlich interessiert, einige andere überschreiten für Fabiana aber Grenzen und werden sogar manchmal unhöflich.

Ein Beispiel: Die YouTuberin hat noch ein Prozent Sehkraft (damit gilt sie in Deutschland als blind) und gerät deshalb immer wieder in skurrile Situationen. So fragen sie manchmal Menschen, die sie gerade erst kennengelernt hat, ob sie weiter entfernte Gegenstände oder die Farbe ihrer Kleidung erkennen kann. Solche „Tests“ empfindet Fabiana als sehr übergriffig und erzählt in ihrem YouTube-Beitrag, wie sie damit umgeht. Außerdem gibt sie sehenden Menschen Tipps, wie und wann sie ihre Fragen zum Thema Sehbehinderung oder Blindheit am besten stellen sollten.

Hier ist das Video:

Fabiana antwortet in ihrem Video auf die Fragen von Sehenden und erklärt, welche davon sie übergriffig findet.



Lesetipp: „LiES“ – oder: Geschichten in Einfacher Sprache

Menschen, die nicht gut Texte in Alltagssprache lesen können, weil sie zum Beispiel (noch) nicht so gut Deutsch sprechen oder weil sie eine Lernbehinderung haben, brauchen Bücher in Einfacher Sprache. Die gibt es zwar schon länger auf dem Markt – bisher sind das aber vor allem Kinderbücher oder stark gekürzte Übersetzungen von bekannten Romanen (zum Beispiel „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf) oder Theaterstücken (wie Shakespeares „Romeo und Julia“).

Der Geschichtenband „LiES” ist etwas ganz Neues. Für dieses Buch haben insgesamt 13 bekannte Schriftstellerinnen und Schriftsteller ganz neue Texte in Einfacher Sprache geschrieben – darunter Judith Hermann, Arno Geiger und Nora Bossong.

Zuerst haben sie dafür gemeinsam einige Regeln festgelegt. Zum Beispiel sollten möglichst viele Verben und möglichst keine Zeitsprünge in den Geschichten vorkommen. Für die Autorinnen und Autoren war es sehr ungewohnt, so zu schreiben, erklärt Hauke Hückstädt, der Herausgeber des Buches, in diesem „Spiegel“-Interview. Er erzählt darin auch, warum das LiES-Buch für andere Leserinnen und Leser ebenfalls eine interessante Lektüre sein kann – also für all diejenigen, die sonst keine Texte in Einfacher Sprache lesen würden.




Digitale Barrierefreiheit: Jetzt erst recht

Die Corona-Pandemie hat in den letzten Wochen das Kommunikationsverhalten von Menschen weltweit verändert. Treffen in Cafés, im Park, in der Kneipe, bei Freunden, im Büro oder beim Sport gehören erst einmal der Vergangenheit an. Der soziale Austausch zwischen Menschen findet plötzlich vor allem im Internet und in Telefon- oder Videokonferenzen statt.

In diesen Zeiten ist es besonders wichtig, dass digitale Informationen und Inhalte auch für Menschen mit geistigen oder körperlichen Behinderungen verfügbar sind. Was diese „digitale Barrierefreiheit“ genau bedeutet, was dafür nötig ist und warum auch Menschen ohne Behinderung davon profitieren, erklärt das Digital-Magazin D3 sehr gut in diesem Artikel.

D3 hat unterhalb des Artikels übrigens auch noch ein paar gute Empfehlungen zum Weiterlesen zusammengetragen. Einer davon enthält Tipps für barrierefreies Posten in den sozialen Netzwerken. Ein Beispiel: Ihr könnt auf Twitter, Facebook oder Instagram Bildbeschreibungen zu hochgeladenen Fotos einfügen. So können auch blinde Menschen oder Menschen mit Sehbehinderungen per Screenreader lesen, was auf den Fotos zu sehen ist. Wie das genau geht und noch mehr gute Social-Media-Tipps findet ihr in diesem D3-Artikel.




Corona-Risikogruppen schützen: Rücksicht, bitte!

Noch immer haben offenbar nicht alle Menschen in der Bevölkerung verstanden, worum es bei den aktuellen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus in erster Linie geht: diejenigen zu schützen, für die eine Infektion besonders gefährlich werden könnte. Menschen aus Risikogruppen also – und die müssen nicht unbedingt über 75 Jahre alt sein, auch wenn in der Presse von ihnen am häufigsten die Rede ist. Auch für eine ganze Reihe jüngerer Menschen, die Vorerkrankungen oder bestimmte Behinderungen haben, kann die Infektion mit dem Corona-Virus lebensgefährlich sein. Sie sind deshalb besonders auf die Solidarität der übrigen Bevölkerung angewiesen.
Drei dieser jungen Menschen erzählen in einem Artikel auf jetzt.de, wie sie die Corona-Krise gerade erleben – und appellieren an all diejenigen, die sich immer noch zu wenig Gedanken machen. Diesen Aufruf möchten wir nachdrücklich unterstützen. Unser Fundstück der Woche!




Nachlese zum Weltfrauentag: Berühmte und engagierte Frauen mit Behinderung

„Die Neue Norm“ ist ein Projekt des Vereins Sozialhelden. Das Redaktionsteam schreibt in dem Online-Magazin über gesellschaftspolitische Fragen und führt Interviews mit Menschen mit Behinderung. Einmal im Monat erscheint ein Podcast, den die Journalistinnen und Journalisten Judyta Smykowski, Jonas Karpa und Raul Krauthausen zusammen mit dem Bayerischen Rundfunk produzieren.

Zum Internationalen Frauentag stellten die Redakteurinnen und Redakteure des Magazins in Kurzporträts zehn berühmte sowie weniger bekannte Frauen mit Behinderung vor zum Beispiel engagierte Aktivistinnen und Juristinnen, Schauspielerinnen und Journalistinnen. Zu jeder von ihnen haben die Autorinnen und Autoren in den Kurzporträts interessante Artikel, Webseiten oder Youtube-Videos verlinkt.




Selbstbestimmt leben mit persönlicher Assistenz

Duschen, anziehen, die Haare zurechtmachen: All das kann Andrea Sahlmen wegen einer angeborenen Muskelerkrankung nicht allein tun. Rund um die Uhr sind deshalb persönliche Assistenten für sie da, die sie pflegen, für sie kochen und in ihrer Freizeit Ausflüge mit ihr unternehmen. Seit sie bei der Bielefelder Tageszeitung „Neue Westfälische“ arbeitet, begleiten und unterstützen die Assistenten sie auch in der Redaktion.

Für die Zeitung Neue Westfälische hat die Journalistin schon 2017 in diesem sehr zeitlosen Artikel aufgeschrieben, was es bedeutet, als junger Mensch gepflegt zu werden, und wie sie ihr Leben mit der Assistenz selbstbestimmt gestaltet.

Unser Fundstück der Woche!




„Alle Fußbälle müssen rund sein“

Texte in Leichter Sprache bestehen aus kurzen Sätzen, in denen keine Fremdwörter vorkommen. Sie sind vor allem für Menschen mit Lernschwierigkeiten gedacht und für Menschen, die (noch) nicht so gut Deutsch sprechen.
Die Leichte Sprache kann aber auch für alle anderen Leserinnen und Leser nützlich sein, glaubt der Journalist Holger Fröhlich. Für seine Kolumne im Magazin brand eins sucht er deshalb jeden Monat einen komplizierten Text aus und überträgt ihn in Leichte Sprache. Ein schönes Beispiel ist die Übersetzung einiger „Fußball-Regeln 2017/18“ der FIFA. Der Verband hat darin unter anderem die Vorschriften für den Torjubel beschrieben:

Welcher Rasen erlaubt ist und was passiert, wenn ein Spieler einen Schuh verloren hat: Das lest ihr in unserem Fundstück der Woche!




Inklusion auf dem Arbeitsmarkt: Private Unternehmen in der Pflicht

Obwohl es mit der Inklusion auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Verhältnis zu den vergangenen Jahren aufwärts geht, gibt es offenbar vor allem in Nordrhein-Westfalen Nachholbedarf. Hier waren laut der Neuen Westfälischen (NW) zuletzt rund 13 Prozent aller Menschen mit Behinderung, die dem Bundesland leben, arbeitslos gemeldet. Die bundesweite Quote liegt bei 11,2 Prozent.

Der Sozialverband VdK sieht die Ursache dafür vor allem bei privaten Arbeitgebern, „die ihrer gesetzlichen Beschäftigungspflicht [von Menschen mit Behinderung (Anmerkung der Redaktion)] nicht oder nur unzureichend nachkommen“. Der Hintergrund: Bei öffentlichen Arbeitgebern in der Region hätten durchschnittlich 6,5 Prozent der Belegschaft eine Behinderung, während die privaten Unternehmerinnen und Unternehmer im Durchschnitt nur 4,4 Prozent erreichten.
Diesen Zustand und den Umgang der Wirtschaft generell mit dem Thema Beschäftigungsquote insgesamt kritisierte der SoVB kürzlich bei einer Anhörung im NRW-Landesparlament.

Die Zusammenhänge und Details dazu hat die Neue Westfälische in diesem Artikel zum Thema zusammengefasst und kritisch kommentiert. Unser Fundstück der Woche!




„Blind ist nur eine von vielen Eigenschaften“

Lydia Zoubek ist unentschlossen: U-Bahn oder S-Bahn? Sie überlegt einen Moment. Während sie so dasteht und abwägt, packt sie plötzlich jemand am Arm. Sie ist erschrocken: Wer ist das und was will diese Person von mir? Sie befreit sich aus dem Griff und sagt, dass sie das nicht möchte. Die alte Dame, die ihr „nur helfen“ wollte, wie sich später herausstellt, hatte es offenbar gut gemeint – doch sie konnte gar nicht wissen, ob die Lydia Zoubek überhaupt Hilfe wollte. Sie hatte auch nicht gefragt, ob es in Ordnung ist, wenn sie sie anfasst.

Die Szene stammt aus einem Artikel im Blog lydiaswelt.com, auf dem die blinde Autorin solche und andere Situationen beschreibt. Als Antwort auf eine Frage, die die Bloggerin von sehenden Menschen regelmäßig hört, hat sie schon im Jahr 2017 einen zeitlosen Beitrag geschrieben: „Wie kann man blinden Menschen helfen?“

Der Artikel ist keine Gebrauchsanweisung, sondern beschreibt Beispiele aus Lydia Zoubeks Alltag. Dazu formuliert die Bloggerin noch ein paar Ratschläge, an denen sich sehende Menschen im Zweifel orientieren können.

Am wichtigsten ist für Lydia Zoubek ein respektvoller Umgang miteinander. Denn wer Blinde als grundsätzlich hilfsbedürftige Menschen wahrnimmt, ist auf dem Holzweg.
Die Bloggerin wünscht sich, dass andere je nach Situation einfach Unterstützung anbieten und abwarten, ob sie diese Hilfe annehmen möchte oder nicht – zum Beispiel in unübersichtlichen Momenten im Straßenverkehr. Manchmal entsteht daraus ein nettes Gespräch, manchmal nicht. Das sehende Gegenüber darf sich also auch einfach wieder verabschieden. Ganz so, wie es mit fremden Menschen ohne Sehbehinderung auch ist, wenn eine Situation wieder vorbei ist.