Wann und wie kam es dazu, dass Ihre Unternehmen Inklusionsabteilungen gegründet haben?
Heidi Emmerich: Die Inklusionsabteilung bei Habig und Krips ist 2013 entstanden. Wir hatten bis dahin einige Aufgaben extern vergeben. Um Kosten zu sparen, haben wir sie dann stattdessen in neuen Geschäftszweigen mit eigenen Mitarbeitern selbst übernommen. Wir haben mit dem Immobilienservice angefangen, also mit der Garten-, Rasen- und Außenpflege an unseren Standorten. Dazu kam dann noch ein großes Geschäft mit Verpackungsarbeiten für einen großen Kunden.
Martin Kapovits: Wir kamen 2012 bei unserer gemeinsamen Doppelkopfrunde mit Jochen Twelker auf die Idee.
Jochen Twelker: Auch wenn da eigentlich nicht über die Arbeit gesprochen wird.
Kapovits: Wir hatten damals viele Handlingstätigkeiten an andere Unternehmen vergeben. Da wir aber mit der Qualität und dem Aufwand oft nicht zufrieden waren, hatten wir überlegt, ob wir diese Tätigkeiten nicht ins Haus holen könnten. Dafür brauchten wir Mitarbeiter. Und durch den Kontakt zu Jochen Twelker hatten wir die Möglichkeit, es mit einem inklusiven Team zu versuchen.
Emmerich: Der Anstoß war auf jeden Fall auch der soziale Aspekt: Wir wollen Inklusion auch im eigenen Unternehmen leben. Und wir haben im Laufe der Jahre gemerkt, dass das wunderbar funktioniert.
Kapovits: Das ist eine Win-Win Situation: Wir wissen, dass unsere Arbeit gut erledigt wird, und ein Mensch mit Behinderung hat am ersten Arbeitsmarkt eine gute Chance.
Gab es anfangs Schwierigkeiten bei der inklusiven Zusammenarbeit? Und haben Sie Tipps, wie man diese am besten bewältigt?
Emmerich: Manche Kolleginnen und Kollegen ohne Behinderung hatten anfangs Bedenken, die sich aber sehr schnell aufgelöst haben. Wenn es einmal Schwierigkeiten gibt, können wir das offen kommunizieren und lösen. Das ist zur Normalität geworden. Und ich glaube, das wirkt über die Arbeit hinaus: Es ist gut für die ganze Gesellschaft, wenn man Inklusion lebt und Hemmungen abbaut.
Kapovits: Wir hatten eigentlich gar keine Startschwierigkeiten – wobei unsere Mitarbeiter:innen auch einfach echte Glücksgriffe waren. Jeder hat natürlich so seine Eigenarten, aber damit gehen alle gut um. Es gibt eigentlich überhaupt keine Reibungspunkte.
Emmerich: Wir haben gelernt, offener zu werden. Probleme anzusprechen und zu versuchen, sie in der Gruppe gleich zu klären – das haben wir früher nicht unbedingt gemacht. Das ist vielleicht ein bisschen wie in einer Gesprächstherapie (lacht), aber so kann wirklich jede:r sagen, was sie oder ihn stört. Vielleicht sind es nur Kleinigkeiten, aber es ist gut, sofort darüber zu sprechen.
Twelker: Alle Betriebe sollten diese Offenheit mitbringen. Denn diese Gedanken machen sich erstmal alle: „Ich stelle einen Beschäftigten mit Behinderung ein, was nun?“ Aber wenn man es mal ausprobiert hat, merkt man, dass es klappt. Wahrscheinlich hat sich auch deswegen hier eine solche Dichte an inklusiven Betrieben entwickelt. Die haben damit jetzt arbeiten gelernt und wollen es nicht mehr missen.
Wie gestalten Sie die Arbeitstage Ihrer Beschäftigten, um auch auf deren Bedürfnisse eingehen zu können?
Emmerich: Wir haben ganz klare Strukturen geschaffen. Viele unserer Inklusionsmitarbeiter arbeiten in einer Abteilung, da gibt es ganz feste Regelungen. Feste Arbeitszeiten, keine Überstunden, feste Pausen, sodass sich gerade die Menschen mit einer psychischen Erkrankung auf ihren Arbeitstag und ihre Woche einstellen können.
Kapovits: Wir haben einen anderen Weg gewählt: Wir bieten äußerst flexible Arbeitszeiten an, angepasst an die einzelnen Arbeitnehmer. Es gibt keinen starren Arbeitszeitbeginn. Das heißt nicht, dass jede und jeder kommen kann, wann sie oder er will, aber es ist flexibel.
Twelker: Das Gute daran ist, dass man hier an ziemlich enger Stelle eine Menge an Möglichkeiten hat. Es hilft den Menschen sehr, langsam in den neuen Job ‚hineinzurutschen‘. Gerade in den Praktika und Probebeschäftigungen haben wir Anpassungsphasen, in denen wir die Beschäftigten an die Arbeit heranführen und vieles ausprobieren können.
Emmerich: Dabei braucht es auch immer wieder Vermittlung zwischen den Unternehmen und den Beschäftigten.
Twelker: Genau, das ist mein Job. Ich habe früher in der Psychiatrie gearbeitet, dadurch habe ich einen anderen Blick dafür als die Verantwortlichen in den Unternehmen. Ich schaue, wohin die Beschäftigten vom Typ und von den Fähigkeiten her am ehesten passen. In der Regel fangen sie hier bei Habig und Krips in festen Strukturen an, und dann sehen wir weiter. Wenn nötig, können wir sie in einem anderen inklusiven Unternehmen unterbringen. Da sind wir durch unser Netzwerk flexibel – und das ist auch gut so.
Herr Twelker, wie genau unterstützen Sie als Jobcoach neue Inklusionsunternehmen oder Betriebe, die sich für die inklusive Arbeit interessieren?
Twelker: Ein neuer Inklusionsbetrieb braucht am Anfang Menschen, die die Szene kennen – sozusagen Pfadfinder, die den Weg zeigen können. Neue Betriebe sind in der Regel noch nicht so vernetzt. Sie brauchen deshalb jemanden, der diese Verknüpfungen aufbaut und zu Beginn hilft, sei es im Rahmen einer psychosozialen Begleitung oder durch ähnliche Maßnahmen. Allein funktioniert es nicht.
Kapovits: Das stimmt. Ohne Herrn Twelker hätten wir vermutlich keine Inklusionsabteilung.
An Sie alle: Wie gewinnen Sie neue Mitarbeiter:innen?
Twelker: Wir haben hier über die Jahre gute Kontakte zum Jobcenter und zur Arbeitsagentur aufgebaut – und einen ebenso guten Ruf. Denn inzwischen kommen Behörden auch mit Anfragen auf uns zu und schlagen uns potenzielle Mitarbeiter:innen vor. Offen und flexibel eben, so wie es sein soll.
Kapovits: Ich muss tatsächlich nicht mehr beim Jobcenter anrufen, sondern die Mitarbeiter:innen dort melden sich bei uns. Das funktioniert. Und die Tendenz geht zur Arbeitszeitverlängerung, sowohl bei uns als auch bei Habig und Krips. Wir vereinbaren mit neuen Kolleg:innen ein Praktikum, eine Probebeschäftigung und einen befristeten Vertrag für ein Jahr. Nach einem Jahr können wir eigentlich immer sagen, ob es passt oder nicht. Und wenn wir dann verlängern, bieten wir in der Regel einen unbefristeten Arbeitsvertrag an.
Emmerich: Auch unsere Firma schließt in der Regel erst einmal befristete Verträge ab. Ich freue mich über jeden, der entfristet wird, und auch über jeden, der wieder in Vollzeit arbeiten kann. Das sind oft Menschen, die eine lange Krankheitsphase hinter sich haben. Wenn sie dann wieder einen Beruf ausüben können, finde ich das großartig.
Twelker: Für viele ist das auch ein wichtiger Schritt, um nach einer Krankheitsphase wieder unabhängiger und selbstständiger zu werden.
Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen oder empfehlen?
Emmerich: Ich finde regionale Gesprächskreise sinnvoll, in denen man sich mit Interessierten und Betroffenen treffen, austauschen und eben auch vernetzen kann. Das könnte auch vielen neuen Betrieben den Einstieg in die inklusive Arbeit erleichtern.
Zum Abschluss: Was bedeutet für Sie Inklusion?
Emmerich: Eine bunte Welt.
Kapovits: Ein gutes und faires Miteinander.
Twelker: Vielfalt. Viele, viele Menschen – viele, viele Möglichkeiten.