Erfolg ab dem ersten Essen

„Wir hatten bei der Gründung zunächst mit 500 Mittagsmenüs pro Tag geplant“, sagt Inhaber und Geschäftsführer Jürgen Groth. „Wir haben schnell gemerkt, dass die Nachfrage größer ist, und auf 800 erhöht – inzwischen kochen wir täglich 2000 Mahlzeiten.“

Die Groth Catering GmbH & Co. KG versorgt schon seit 1986 Schulen und Kindergärten mit Mittagsmenüs, belegten Brötchen und anderen Snacks. Im Jahr 2009 steckte Jürgen Groth sich ein neues Ziel: Er wollte selbst die Mahlzeiten für die 20 Schulmensen zubereiten, die Groth Catering gepachtet hatte und für die bis dahin ein Fremdunternehmen das Essen geliefert hatte.

Dass bei Groth Catering Menschen mit und ohne Behinderung zusammenarbeiten sollten, stand für Jürgen Groth von Anfang an fest. „Es muss möglich sein, Männer und Frauen mit Handicaps auf diese Weise nachhaltig zu beschäftigen“, war und ist der Geschäftsführer überzeugt, der aus dem Aachener Raum stammt und im Grundschulalter mit seiner Familie nach Bad Sassendorf zog. Bei der Gründung unterstützte der LWL ihn und seine Frau Birgit, die mit ihm in der Verwaltung der beiden Betriebe arbeitet. Und auch der befreundete Leiter eines integrativen Kindergartens stand dem Ehepaar mit Ratschlägen aus der Praxis zur Seite.

Jürgen Groth in der Küche von Groth Catering
Inhaber und Geschäftsführer Jürgen Groth ist zufrieden mit seiner inklusiven Küche.

Fünf Mitarbeiter mit Behinderung haben heute einen festen Job in der Küche von Groth Catering. Einer von ihnen ist Rolf Adämmer. Der 45-Jährige hat gerade einige Pakete Butterkekse in eine Alu-Schale geleert und fängt an, die Plätzchen zu zerbröseln. „Die sind für den Nachtisch morgen“, erklärt er. „Es gibt Joghurt mit Keksen.“ Wer ihn bei der Arbeit beobachtet, kommt nicht gleich darauf, dass er eine Lernschwäche hat – im Gegenteil, findet auch sein Chef Jürgen Groth: „Rolf Adämmer gehört zu unseren Leistungsträgern. Er spornt auch die anderen an.“ Ebenso außergewöhnlich wie die Zusammensetzung des Teams ist bei Groth Catering die Liste der Lieferanten. Einen großen Teil des Fleisches bringt ein Metzger, der in Lippetal-Schoneberg eine eigene Rinderherde hält. Auch die Kartoffeln stammen aus der Region, ein Teil ist darüber hinaus auch noch bio-zertifiziert – genau wie Reis und Nudeln, die ein Kölner Bio-Großhändler liefert.
Neben der Qualität muss für Groth aber auch die CO2-Bilanz stimmen: „Im Frühjahr steigen wir zum Beispiel komplett auf heimische Kartoffeln aus der konventionellen Landwirtschaft um“, erklärt der Unternehmer. „Deutsche Bio-Kartoffeln sind erst wieder ab Juni auf dem Markt.“ Und was – wie Kakao und Kaffee – doch aus fernen Ländern importiert werden muss, trägt das Fairtrade-Siegel. „Gutes muss nicht unbedingt teurer sein. Leider können wir uns wegen der höheren Bio-Preise ’nur‘ Nudeln, Kartoffeln und Reis in Bio-Qualität leisten. Wichtig ist der Wille, Bio- und Fairtradeprodukte im Unternehmen einzusetzen, dann funktioniert es auch“, ist Groth überzeugt.

Ein Praktikum, dann ein unbefristeter Vertrag

In der Lippetaler Küche ist Rolf Adämmer inzwischen fast mit dem Zerkleinern der Butterkekse fertig. „Heute Morgen habe ich schon den Salat für das Mittagessen vorbereitet“, erzählt er und zeigt auf einen Speiseplan an der Wand. „Alles, was orange angestrichen ist, muss ich machen.“ Er klickt Deckel auf die beiden Schalen mit Keksbröseln, trägt sie hinaus ins Trockenlager und kommt mit sechs Eimern Naturjoghurt zurück. „In einem Eimer sind zehn Kilo Joghurt, die sind für 100 Personen. Das wird also Nachtisch für 600 Personen“, rechnet er vor, während er den Joghurt in ein badewannengroßes Alu-Gefäß kippt, Zucker dazu schüttet und alles mit einem riesigen Schneebesen umrührt. Er ist begeistert von seiner Arbeit, erläutert gerne die Abläufe und Hygienevorschriften in der Küche. Der Groth-Catering-Mitarbeiter der ersten Stunde war vorher in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt, in der er acht Jahre lang Gartenarbeiten erledigte. Nach einem Praktikum in Groths neuem Unternehmen – einen Monat nach der Gründung – konnte Adämmer bleiben, mit einem unbefristeten Vertrag.

Was ihm am meisten Spaß macht? „Alles“, sagt Adämmer strahlend und beschreibt mit seinem Arm einen Halbkreis durch die ganze Küche. „Ich mag die Abwechslung, ich muss hier nicht wie in der Werkstatt immer nur das Gleiche machen.“ Und schon wuselt er wieder los, um zu zeigen, wo er vormittags die fertig portionierten Menüs für die Schulen in Soest, Münster, Hamm und anderen Städten in Kisten verstaut und für die Fahrer bereitstellt.

Neue Räume, neue Ausstattung, neue Ziele

Solche Arbeitsabläufe werden Adämmer und seine Kollegen im Laufe der kommenden Monate allmählich umstellen, denn Jürgen Groth möchte im Jahr 2017 die Zahl der Mittagsmenüs auf 3000 erhöhen. Um diese Dimensionen zu erreichen, wurde bereits im August 2016 eine neue Küche gebaut und eingerichtet. Durch diese Erweiterung hat sich die Arbeitsfläche für Köche und Küchenhilfen mit 780 Quadratmetern fast verachtfacht. Die neuen Räume werden aber nicht nur größer, sondern bieten auch die nötige Ausstattung, um auf das sogenannte Cook & Chill-Verfahren umzusteigen. Kochen und Kühlen, das ist der neue Trend in der Mensa-Verpflegung: „ Nach dem Kochen wird das Essen durch den Einsatz von Schnellkühlern, den sogenannten Chillern, innerhalb von 90 Minuten auf eine Temperatur von drei Grad gekühlt“, fasst Groth das Prinzip zusammen. So lässt sich das Zubereitete bis zu vier Tage lang frisch halten; erwärmt wird es erst kurz vor dem Verzehr.

„Mit dem Cook-&-Chill-Verfahren wird die Arbeit in der Küche rationeller: Die gleiche Anzahl an Mitarbeitern kann mehr Mahlzeiten zubereiten, weil wir in Schichten und vorbereitend kochen können“, erklärt der Unternehmer den künftigen Arbeitsalltag. Für Groth war das nicht die einzige Motivation, in die Kältetechnik für das neue Verfahren zu investieren. Ausschlaggebend waren auch die immer zahlreicheren Anfragen von Schulen, die sich ausdrücklich eine Mensa-Verpflegung mit Cook and Chill wünschten. „Mit diesem Verfahren lassen sich die Pausenzeiten individuell festlegen“, sagt Groth. „Das Essen muss ja gleich nach dem Kochen warm in den Schulen ankommen, daher dürfen zwischen dem Ende der Kochzeit und der Essensausgabe höchstens drei Stunden liegen“, erklärt er. Wenn ein paar Klassen später zu Mittag essen als die anderen, wird das ohne diese Methode schwierig. Die Investition lohnt sich auf jeden Fall schon jetzt: Die ersten Aufträge für die Zeit nach dem Umzug in die neue Küche hat Groth Catering schon in der Tasche. –




„Bei Siemens sind Leistung und Behinderung kein Widerspruch“

Siemens ist eines der zehn größten Unternehmen in Deutschland. Der Konzern erfüllt die gesetzliche Quote, nach der Firmen ab 20 Mitarbeitern mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit Menschen besetzen müssen, die eine Behinderung haben. Was sonst noch mit dem Thema „Diversity“ verbunden ist und was die Inklusion in der Firmenpolitik von Siemens für eine Rolle spielt, wollten wir von Nicole Herrfurth wissen, die bei Siemens für „Leadership Development, Diversity and Inclusion“ verantwortlich ist (übersetzt: „Führungskräfte-Entwicklung, Vielfalt und Inklusion“).


Frau Herrfurth, eine aktuelle Zahl zum Einstieg: Im Jahr 2016 waren 13,4 Prozent aller Menschen mit Schwerbehinderung in Deutschland arbeitslos, das sind mehr als doppelt so viele im Vergleich zu Menschen ohne Behinderung. Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptgründe dafür?

Eines der Probleme ist, dass viele Menschen mit Behinderung im erwerbsfähigen Alter oftmals keinen allgemeinen Schulabschluss haben. Die Ursache dafür liegt wiederum im Bildungssystem: Solange Inklusion in der Schule und bei der Ausbildung nicht die Normalität ist, wird es auch auf dem Arbeitsmarkt Probleme geben. Menschen mit und ohne Behinderungen werden heute noch immer getrennt voneinander unterrichtet. Es gibt also nicht einen großen, gemeinsamen Lernraum, sondern viele Einzelsysteme wie Sonderschulen, Förderschulen und Werkstätten. Das führt leider dazu, dass Menschen, die dort unterrichtet werden oder arbeiten, bereits in jungen Jahren und auch später von bestimmten Bildungs- oder Berufswegen ausgeschlossen werden. Dadurch kommt es zu Ausgrenzung – und das Risiko, arbeitslos zu werden oder zu bleiben, steigt. Das Schulsystem muss sich also noch intensiver mit dem Thema Vielfalt beschäftigen und dieses Prinzip so früh wie möglich fördern.
Ein weiteres Problem sehen wir darin, dass es an barrierefreien Lösungen mangelt. Das ist sowohl firmenpolitisch als auch infrastrukturell ein Thema, und es betrifft die „reale Welt“ genauso wie die Barrieren, die es noch immer in den Köpfen gibt.

Welchen Beitrag leistet Ihr Unternehmen im Bereich Inklusion?

Wir achten zuallererst darauf, die gesetzlichen Regelungen zu befolgen, zum Beispiel bei Themen wie Sonderurlaub und Kündigungsschutz. Außerdem liegt uns natürlich die barrierefreie und flexible Gestaltung unserer Arbeitsplätze am Herzen. Wir versuchen, diese Umgebungen den Menschen anzupassen und nicht umgekehrt. Bei Siemens gibt es zudem ein Gleitzeitsystem, mit dem unsere Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten relativ frei gestalten können. Das gleiche gilt für den Arbeitsort: Das „Home Office“ ist bei uns nicht nur ein Lippenbekenntnis, sondern gehört mittlerweile zum Alltag, für Menschen mit oder ohne Behinderung. Auch das Thema Mobilität ist für uns ein Teil der Inklusion. Wir bieten unseren Mitarbeitern mit Schwerbehinderung daher nicht nur Behindertenparkplätze, sondern ermöglichen es ihnen bei Geschäftsreisen auch, in der ersten Klasse Bahn zu fahren beziehungsweise mit der Business Class zu fliegen. Wir wollen damit sicherstellen, dass unsere Mitarbeiter so unbeschwert und komfortabel wie möglich arbeiten können. Und wir legen Wert auf verschiedene betriebliche Maßnahmen, wie eine konstante Weiterbildung, bezahlte Freistellungen und eine gute gesundheitliche Versorgung, die wir unter anderem über unsere Betriebskrankenkasse anbieten.

Wie hoch ist bei Siemens die Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderung und in welchen Bereichen werden sie eingesetzt?

Bei Siemens in Deutschland sind derzeit 6.200 Menschen mit Behinderungen, teilweise mit schweren Handicaps, beschäftigt. Das entspricht einer Quote von etwa 5,2 Prozent. Viele der Mitarbeiter sind auf unsere Standorte in Erlangen, Nürnberg und Berlin verteilt, sie werden je nach Fähigkeiten und Interessen in allen Abteilungen eingesetzt und arbeiten in ganz unterschiedlichen Funktionen und Abteilungen. Außerdem kooperieren wir viel mit Werkstätten für Menschen mit Behinderung: Siemens hat allein im vergangenen Geschäftsjahr Aufträge in Höhe von rund 14 Millionen Euro an solche Einrichtungen vergeben.

Wie wird Ihr Unternehmen in Zukunft mit dem Thema Inklusion und Vielfalt umgehen?

Bei uns stehen Leistung und Behinderung schon jetzt nicht im Widerspruch zueinander. Im Gegenteil: Wir sehen täglich, dass es oft gerade die Mitarbeiter mit Behinderungen oder anderen Einschränkungen sind, die die „Extrameile“ gehen. Durch ihre Ausdauer, Beharrlichkeit und Motivation bringen sie sich voll und ganz ins Unternehmen ein und meistern dabei auch viele Hürden. Wir sehen diese Mitarbeiter daher nicht in erster Linie als Menschen mit Behinderung, sondern als Menschen mit besonderen Fähigkeiten. Von diesen Eigenschaften könnten sich Menschen ohne Behinderung oftmals eine Scheibe abschneiden. Im letzten Dezember haben wir dazu passend einen „Ability Day“ in der Siemens-Zentrale in München veranstaltet. Der Tag stand unter dem Motto „Sport“ und sollte dazu aufrufen, die Fähigkeiten jedes Einzelnen wert zu schätzen. Diesen besonderen Tag würden gerne dauerhaft etablieren und gegebenenfalls zusammen mit anderen Unternehmen gestalten, um möglichst viele Menschen von dieser Botschaft zu überzeugen.
Vielfalt sollte aus unserer Sicht kein isoliertes Sonderthema bleiben, sondern ganzheitlich in allen Prozessen eines Unternehmens verwurzelt werden. Wir selbst haben deshalb unter anderem die Charta der Vielfalt unterschrieben und wollen diese Idee damit weiter nach vorne bringen.

Wer oder was sind aus Ihrer Sicht die größten „Inklusions-Bremsen“ unserer Gesellschaft?

Es gibt leider viele dieser „Bremsen“, wir glauben aber, dass die größten Hürden die Barrieren im Kopf sind. Wir nennen diese Hürden „Unconscious Bias“, also Vorverurteilungen und Denkmuster, die bei vielen Menschen vorhanden sind und sich im Unterbewusstsein abspielen. Wenn zum Beispiel jemand im Rollstuhl in den Raum kommt, sehen viele erst einmal nur die Behinderung, nicht die Persönlichkeit, die Fähigkeiten und die Qualifikationen des Menschen. Das geht zum Teil so weit, dass viele unbewusst davon ausgehen, dass ein Mensch mit Behinderung nicht wirklich arbeiten kann, nicht so belastbar ist oder auch weniger Fähigkeiten hat. Auch bei der Suche nach neuen Mitarbeitern spielt das immer noch eine große Rolle, denn das Kompetenzprofil wird von Recruiting-Mitarbeitern viel schneller außer Acht gelassen, wenn ein Bewerber eine Behinderung hat. Diese unbewussten Prozesse, die sich überall in unserer Gesellschaft zeigen, müssen wir im Kern auflösen.
Bei Siemens konzentrieren wir uns daher auf das Individuum und dessen Fähigkeiten. Diesen Ansatz wollen wir auch in Zukunft weiterhin verfolgen und stärker nach außen kommunizieren – daraus entstand auch unsere Idee zum „Ability Day“.




Nicht nur sauber, sondern rein

Es ist ein sonniger Tag, als Ali Cütcü seinen weißen Lkw auf den Hof der Schlossklinik Pröbsting steuert. Langsam fährt er an dem großen weißen Wasserschloss aus dem 12. Jahrhundert vorbei, in dem die Verwaltung der „Privaten Akutklinik für Psychologische Medizin“ untergebracht ist. Ein paar Meter weiter hält er den Wagen an, steigt aus und geht um das Auto herum zur Ladeklappe. Per Knopfdruck lässt er diese herunter, steigt in den Laderaum und schiebt einen Gitterwagen bis zur Ladekante nach vorn. Das Gefährt ist mit einer weißen Plane bedeckt. „Ich liefere saubere Bettwäsche für die Klinik“, erklärt der 58-Jährige. Er deutet auf weitere Transportboxen, die noch im Laderaum stehen. „Da drin sind Handtücher. Die waschen wir auch für die Klinik.“

Ali Cütcü arbeitet für die Wäscherei der Grenzland Reha- und Betreuungs GmbH, einer Tochtergesellschaft des Caritasverbandes. In dem Integrationsunternehmen arbeiten 85 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, fast die Hälfte davon haben eine Behinderung. Den Wäschereibetrieb gibt es seit 1994. Über die Jahre ist dieser stark gewachsen: Heute bearbeiten die Angestellten täglich etwa neun Tonnen Wäsche. Die Stücke werden hier sortiert, in den großen Maschinen gewaschen und – zum Teil handgefaltet – zurück an die Kunden vor allem aus Senioren- und Behindertenhilfeeinrichtungen und Krankenhäusern im Münsterland und am Niederrhein geliefert.

Eine neue Chance

Ali Cütcü ist bei Grenzland für eben diesen letzten Schritt zuständig: Die Wäsche zurück zu den Kunden bringen. Der Fahrerjob war für ihn eine neue Chance. „Ich hatte vorher einen kleinen Lebensmittelladen, den ich leider aufgeben musste, weil ich Diabetiker bin. Der Stress war irgendwann einfach zu groß und ich war körperlich viel zu schwach, um zehn, zwölf Stunden am Stück zu arbeiten.“ In seinem neuen Beruf kann er sich die Zeit nun besser einteilen. Seither hat er keine Probleme mehr. „Ich kann in diesem Job regelmäßig essen, was für mich sehr wichtig ist. Außerdem kann ich problemlos und zu festen Zeiten meinen Insulinspiegel kontrollieren.“

Der 58-Jährige sorgt heute gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen bei Institutionen wie der Schlossklinik Pröbsting dafür, dass pünktlich die frische Wäsche angeliefert wird. Die Verwaltungsleiterin der Klinik, Susanne Lansing, schloss den Vertrag mit der Grenzland-Wäscherei schon vor sechs Jahren. Für sie ist der Service des Unternehmens eine „ganz normale Dienstleistung“, erklärt sie. „Wir haben unsere Wäsche schon immer an externe Unternehmen gegeben. Das rechnet sich für uns einfach sehr gut.“ Die Entscheidung für die Grenzland-Wäscherei fiel vor allem wegen der räumlichen Nähe – aber auch wirtschaftliche Gründe spielten eine Rolle. Dass die Firma ein Integrationsunternehmen ist, wusste die Klinik zur Zeit der Ausschreibung gar nicht. „Nach dem Vertragsabschluss haben wir uns natürlich umso mehr über den positiven Nebeneffekt gefreut, dass wir damit auch noch ein inklusives Unternehmen unterstützen“, erinnert sich die Mitarbeiterin der Klinik, in der seit 1998 unter anderem Patientinnen und Patienten mit Depressionen, Angst- und Paniksyndromen, Belastungsreaktionen, Schlaf- oder Essstörungen oder Zwängen behandelt werden.

Der reibungslose Ablauf ist wichtig

Ein sehr wichtiger Aspekt ist natürlich auch die Qualität der Leistungen und die Zuverlässigkeit der Wäscherei. „Bei den rund 280 Menschen, die hier über das Jahr verteilt stationär aufgenommen werden, fällt schon eine große Menge Wäsche an“, erklärt die Mitarbeiterin der Klinik. „Es ist für uns deshalb sehr wichtig, dass wir einen gut funktionierenden Ablauf mit Grenzland haben. Wir können und konnten uns bei unserem Partner aber wirklich immer darauf verlassen, dass wir die richtige Wäsche zum vereinbarten Zeitpunkt sauber und hygienisch einwandfrei zurückbekommen.“ Und wenn es doch mal Probleme gibt, dann werden diese – das hebt Susanne Lansing hervor – sofort besprochen und aus dem Weg geräumt.

Das hört auch Martin Kock sehr gerne. Er ist Teil des dreiköpfigen Leitungsteams der Grenzland Reha- und Betreuungs GmbH und weiß, dass er im harten Wettbewerb mit anderen Wäschereien vor allem durch Service überzeugt. „Gerade in unserem umkämpften Geschäft kommt es sehr darauf an, kundenspezifische Leistungen zu bieten und wirklich perfekt zu arbeiten. Die Bettwäsche aus Krankenhäusern zum Beispiel muss hygienisch absolut einwandfrei gereinigt werden. Dafür haben wir alle erforderlichen Hygienezertifikate, etwa vom Institut Hohenstein, und seit 2016 darüber hinaus auch ein Nachhaltigkeitszertifikat“, erklärt der Betriebsleiter, während er durch das rege Treiben in der großen Haupthalle seiner Wäscherei geht. Aus vielen Ecken wummert das Geräusch von Industriewaschmaschinen, Dampfwolken dringen aus großen Bügelhilfen empor, Bettwäsche und Tischdecken werden von Mitarbeiterinnen durch große Mangeln geführt, um sie zu glätten. Wenn Kleidung beispielsweise der Bewohner von Senioreneinrichtungen gereinigt werden muss, wird vorher jedes einzelne Wäschestück eingescannt und bekommt ein Etikett verpasst, damit später keine Verwechslungen passieren. Viele Kunden bevorzugen den Komplettservice, bei dem die Wäsche sogar für jeden Bewohner einzeln verpackt wird.

Herausforderungen und Unterstützung

„Eine Wäscherei ist wirklich ein trubeliges Geschäft, weil der Qualitäts- und Termindruck durchaus manchmal sehr hoch ist. Das federn wir aber ab, zum Beispiel mit der sozialpädagogischen Betreuung unserer Mitarbeiter“, sagt Kock. Die Wäscherei hat zwar mehr Personal als andere Unternehmen, aber manche der Kolleginnen und Kollegen hier sind wegen ihrer Behinderung nicht so belastbar. Einen Teilausgleich hierfür schafft der LWL, indem er dabei hilft, dass Unternehmen wie Grenzland zum Beispiel mit dem so genannten Minderleistungsausgleich unterstützt werden. Das LVR-Inklusionsamt zahlt den Firmen außerdem Investitionskostenzuschüsse, wenn neue Mitarbeiter mit Schwerbehinderungen eingestellt werden. Und auch die Stiftung Wohlfahrtspflege und die Aktion Mensch fördern mit eigenen Programmen Integrationsunternehmen, wobei hier immer auch im Vordergrund steht, neue Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung zu schaffen.

Der Aufwand, den die Grenzland-Wäscherei für ihre Kunden betreibt, ist vergleichsweise groß. Für Martin Kock ist das manchmal ein Balanceakt: „Unsere Kunden treten mit sehr verschiedenen Bedürfnissen an uns heran. Wir waschen nicht nur für die Bewohnerinnen und Bewohner von Altenhilfeeinrichtungen und von Wohnheimen für Menschen mit Behinderungen, sondern auch für Hotels und Krankenhäuser, für Handwerker, Arztpraxen, Rettungs- und Feuerwachen und auch für gewerbliche Großbetriebe“, zählt er auf. „Die müssen jeweils genau die hochwertige Leistung von uns bekommen, die sie auch eingekauft haben. Und gleichzeitig haben wir noch ein klares zweites Ziel im Blick: Wir wollen Menschen mit Behinderungen für den allgemeinen Arbeitsmarkt qualifizieren. Das zusammenzubringen, ist oft eine große Herausforderung, die wir aber sehr gerne und immer wieder annehmen.“




Ein Tag rund um die Inklusion im Beruf

Wo würden eigentlich Schülerinnen und Schüler, die eine Behinderung haben, nach ihrem Abschluss gerne arbeiten, und wie wünschen sie sich die künftige Arbeitswelt? Was genau ist „Social Franchising“ und was hat es mit Inklusion zu tun? Wie können Unternehmer in ihrer Firma eine Integrationsabteilung gründen und welche Fördermöglichkeiten gibt es dafür? Wie wird aus einer Geschäftsidee für ein neues Integrationsunternehmen oder eine Integrationsabteilung ein tragfähiges Geschäftsmodell? Was muss bei der Führung von Mitarbeitern beachtet werden? Und wenn ein Unternehmen mal größere Probleme am Markt hat: Wie kann Sanierungsmanagement dabei helfen, eine Krise abzuwenden und so Arbeitsplätze zu erhalten?

Auf all diese und noch mehr Fragen wird es am 1. März bei der LWL-Messe der Integrationsunternehmen Antworten geben. Die Veranstaltung findet im Messe- und Congresszentrum in der Halle Münsterland statt und ist für alle Besucher offen und kostenlos – genauso wie die insgesamt 26 Workshops, Seminare und Vorträge, die ihr an diesem Tag zwischen 9 und 16 Uhr auf der Messebühne und in drei Seminarräumen besuchen könnt. Die Veranstaltungen werden von verschiedenen Experten aus dem Themenfeld moderiert und gestaltet. Ihr könnt euch außerdem an den vielen Ständen der Integrationsunternehmen und der anderen Aussteller in der Halle informieren, euch an Mitmachaktionen beteiligen oder das kulinarische Angebot der gastronomischen Integrationsunternehmen genießen.

Die Messe bietet für alle Interessierten auch eine tolle Gelegenheit, sich mit Verantwortlichen aus Unternehmen und anderen Organisationen zu unterhalten und auszutauschen, die zur Messe kommen. Darunter sind zum Beispiel auch die Aktion Mensch e. V., das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW, die Jobberatung der Industrie- und Handelskammer Nordwestfalen (IHK) und der Handwerkskammer Münster (HWK), das Jobcenter und die Wirtschaftsförderung der Stadt Münster und die Agentur für Arbeit Ahlen-Münster.

Übrigens: Wer einen Gebärdensprach- oder Schriftdolmetscher bei den Workshops auf der LWL-Messe braucht: Jede Veranstaltung wird übersetzt! Außerdem ist die Messe ebenerdig und barrierefrei zugänglich. –


Eindrücke der letzten LWL-Messe im Jahr 2014

Fotos: Thorsten Arendt




Vom belegten Brötchen bis zur Autowäsche

Langeweile kennt Alexander Schneider in seinem Job im Hahme Frische Markt nicht. „Ich bekomme immer wieder neue Aufgaben. Das ist interessant und die Zeit geht schnell vorbei“, sagt der 47-Jährige mit fröhlicher Stimme. Meist hat er an der Waschanlage zu tun, die an den kleinen Supermarkt im Stemweder Ortsteil Haldem angeschlossen ist. Dort reinigt er die Wagen der Kunden und hält die Arbeitsgeräte in Schuss. Zwischendurch hilft er im Laden mit, sortiert Waren in die Regale ein oder wischt den Boden.
Bevor er im Mai 2015 die Stelle im Frische Markt bekam, jobbte er in verschiedenen Berufen, unter anderem in der Metallbranche. Einen neuen Arbeitsplatz zu finden, war für den Osnabrücker nicht einfach, denn er humpelt mit dem rechten Fuß und muss zwischendurch immer wieder Pausen einlegen.

In seinem neuen Job ist das kein Problem. 22 der insgesamt 48 Mitarbeiter haben eine Beeinträchtigung. Die Marktleiterin Olga Bartel hat bei jedem einzelnen im Blick, was er leisten kann. „Manche Kollegen können trotz einer Sehschwäche auch an der Kasse arbeiten. Bei anderen klappt das nicht“, erklärt die 36-Jährige: „Die helfen dann beim Räumen oder schmieren Brötchen.“

Das Ziel: Jobs auf dem ersten Arbeitsmarkt

Der Supermarkt ist Teil des Integrationsunternehmens Servicehaus Stemwede gGmbH, dessen Mitarbeiter mit und ohne Behinderung den Kunden neben dem Service im Laden auch Malerarbeiten, Hauswirtschafts- und Hausmeisterservice sowie Gartenpflege anbieten. Geschäftsführer Lothar Pannen und der Verein Lebensperspektiven e. V. haben das Servicehaus Anfang 2008 gegründet. Das Ziel war vor allem, Beschäftigungsmöglichkeiten für die Bewohner des Stemweder Heilpädagogischen Kinderhauses auf dem ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. In dieser Einrichtung betreuen Lothar Pannen und seine Mitarbeiter bis zu 140 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene; die meisten von ihnen haben psychische, geistige oder körperliche Behinderungen.
„Die Frage damals war: Wie können wir es schaffen, den jungen Menschen mit all ihren Problemen, aber auch Ressourcen eine Perspektive zu ermöglichen?“, beschreibt Pannen die große Aufgabe. „Wir können sie ja schlecht ohne Aussicht auf einen Arbeitsplatz zurück in ihre Heimatstädte ziehen lassen.“

Zwei Mitarbeiter reinigen die Scheiben und Felgen eines Autos vor
Zwei Mitarbeiter reinigen die Scheiben und Felgen eines Autos vor. Foto: Thorsten Arendt

Das Servicehaus ist nicht nur für die Mitarbeiter eine tolle Sache. Wer in dem vergleichsweise strukturschwachen Haldem wohnt, kann jetzt wieder vor Ort einkaufen. Der Supermarkt hat zum Beispiel Obst und Gemüse, Käse und Wurst, Nudeln, Tiefkühlpizza und Hygieneartikel vorrätig. Wegen der angeschlossenen Tankstelle hat dieser Teil des Unternehmens auch abends und sogar sonntags geöffnet. Das schätzen die Kunden besonders. „Gerade am Wochenende ist hier viel los“, sagt Olga Bartel. „Wenn alle anderen Geschäfte geschlossen sind, gibt es bei uns frische Brötchen und Grillfleisch.“

Immer mehr Kunden

Die Marktleiterin war von Anfang an dabei, sie hat den Supermarkt 2008 mit aufgebaut. „An unser Konzept mussten sich die Kunden anfangs noch gewöhnen“, sagt sie. Diese sollten zwar eigentlich so wenig wie möglich davon merken, dass sie in einem Integrationsbetrieb einkaufen. „Aber manchmal geht es eben an der Kasse doch etwas langsamer, wenn dort zum Beispiel ein Kollege mit Sehschwäche eingesetzt ist und viele Einkäufer da sind.“ Um solche Spitzen abzufangen, springt die Chefin auch mal selbst an der zweiten Kasse ein.

Wenn trotzdem einmal Kunden unzufrieden sind, spricht Olga Bartel sie direkt an und erklärt, warum es gerade länger dauert. Damit hat sie Erfolg. „Bisher ist es uns gelungen, jeden unserer Kunden zu halten. Es kommen sogar immer mehr. Auch nach fast neun Jahren steigern wir uns noch.“




Nur, wer alles versteht, kann überall mitmachen

Leichte Sprache ist weit mehr als nur eine Art, sich besonders einfach auszudrücken. Sie ist eine „Variation“ des Deutschen, die eigenen, strengen Regeln folgt. Die Idee dieses Konzeptes: Einen Text in Leichter Sprache soll jeder verstehen können, zum Beispiel auch Menschen mit geistigen oder Lernbehinderungen oder Menschen, die kaum Deutsch sprechen.

Es braucht viel Wissen und Übung, um auf diese Weise schreiben zu können und auch, um aus der Alltagssprache in die Leichte Sprache zu übersetzen. Außerdem müssen alle Texte immer sorgfältig geprüft werden, bevor sie veröffentlicht werden. Es gibt daher ganze Redaktionsbüros, die sich auf diese Arbeit spezialisiert haben, und eines davon stellen wir in diesem Film vor: Das Lebenshilfe Büro für Leichte Sprache Ruhrgebiet, das zugleich ein noch junges Inklusionsunternehmen ist.*



* Die Lebenshilfe musste den Inklusionsbetrieb „Büro für Leichte Sprache Ruhrgebiet“ inzwischen leider schließen. Hier erklärt sie, warum.




Viele Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung

Am 1. März findet in Münster eine Veranstaltung statt, die in Deutschland einzigartig ist: Die LWL-Messe der Integrationsunternehmen. Diese Art von Unternehmen ist etwas Besonderes, weil 25 bis 50 Prozent der Menschen, die dort arbeiten, eine Behinderung haben – gesetzlich vorgeschrieben sind für alle Firmen in Deutschland, die mehr als 20 Mitarbeiter haben, mindestens fünf Prozent. Integrationsunternehmen bieten also viele feste Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, müssen sich zugleich aber ebenso in der freien Wirtschaft behaupten wie andere Betriebe auch.

In der Region Westfalen, in der die Messe stattfinden wird, gibt es mittlerweile rund 160 solcher Firmen – in ganz Deutschland sind es 850. Ein großer Teil der westfälisch-lippischen Integrationsunternehmen stellt sich auf der Messe im März vor und drumherum wird es Aktionen, Seminare und Workshops geben. Sie sind für alle Besucher interessant, aber vor allem für junge Menschen mit Behinderung, die kurz vor dem Schulabschluss stehen, und für Gründerinnen und Gründer neuer Integrationsunternehmen oder -abteilungen.

Auf der Messe wird außerdem eine Wanderausstellung zu sehen sein, die Menschen mit Behinderung bei ihrer Arbeit in Integrationsunternehmen zeigt. Die Ausstellung war im Januar schon in Berlin in der NRW-Landesvertretung zu sehen und zieht im März weiter zur Messe. Bei einem großen „Get-Together“ rund um das Event tauschten sich Gründer und Geschäftsführerinnen von Integrationsunternehmen mit Verantwortlichen aus der Bundes- und Landespolitik aus. Zum Beispiel waren dabei: Fritz Baur, der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsfirmen, Thomas Tenambergen vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, der LWL-Direktor Matthias Löb, der NRW-Landtagsabgeordnete Günter Garbrecht und Roland Matzdorf vom Landesministerium NRW für Arbeit, Integration und Soziales.

Bei der Veranstaltung lobte Verena Bentele, die Bundesbeauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderung, die Integrationsunternehmen als „eine wunderbare Möglichkeit, das Arbeitsleben kennenzulernen, sich selbst kennenzulernen, andere Menschen kennenzulernen, Erfolge zu feiern und neue Situationen zu meistern.“ Der LWL-Chef Matthias Löb ergänzte, dass die Zahl dieser Unternehmen in Westfalen-Lippe seit dem Jahr 2008 von 57 auf 158 gestiegen ist. Er sagte außerdem, dass „sich die Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung, die auf diese Weise neu entstanden sind, im gleichen Zeitraum auf 2000 verdreifacht“ haben: „Damit liegen wir im bundesweiten Vergleich an der Spitze.“ In ganz Deutschland sind zusammengenommen etwa 10.000 solcher neuen Arbeitsplätze entstanden. –




Ideen in allen Farben

„Ich möchte gerne einen bunten Frühlingsstrauß verschenken“, sagt der Mann, der direkt vor Katharina Wodrich steht. „Können Sie bitte auch Freesien reinbinden?“ Während er spricht, schaut ihm die 24-Jährige hinter dem Verkaufstresen bei Moderne Floristik Steinbrecher in Waltrop konzentriert ins Gesicht. Dann nickt sie lächelnd und zieht eine gelbe Freesie aus einer Vase. Dazu sucht sie weiße Ranunkeln, blaue Hyazinthen und Ginster aus. „Gefällt Ihnen das?“, fragt sie und sieht den Kunden wieder an. Die junge Frau ist auf einem Ohr taub, auf dem anderen hat sie nur noch drei Prozent Hörkraft. Dass der Mann mit ihrem Vorschlag zufrieden ist, liest sie von seinen Lippen ab.

Als Inhaberin Birgit Honvehlmann, die 22 Jahre lang beim Gründer-Ehepaar Otto und Erika Steinbrecher angestellt war, das Blumengeschäft Anfang 2014 übernahm, machte sie aus dem Laden ein Integrationsunternehmen. Neben Katharina Wodrich beschäftigt sie noch drei weitere Mitarbeiterinnen mit einer Behinderung. Für Wodrich war die Stelle in Waltrop ein Segen. „Das war schon mein Traumberuf, als ich noch im Kindergarten war“, sagt die gelernte Floristin.

Katharina Wodrich zieht zwei Metallwagen mit Blumentöpfen und Kisten darauf
Katharina Wodrich wollte schon als Kind Floristin werden. Foto: Thorsten Arendt

Deko für die BVB-Heimspiele

Ein ganz besonderer Auftrag steht alle paar Wochen an. Dann begleitet die junge Frau ihre Chefin nach Dortmund ins Stadion des BVB, zusammen mit weiteren Kolleginnen und Kollegen aus dem Blumengeschäft. Seit 2014 liefert Moderne Floristik Steinbrecher zu jedem Heimspiel die Dekoration für die VIP-Lounges. „Ich habe die innige Verbindung zu Borussia Dortmund von Otto Steinbrecher übernommen“, erklärt Birgit Honvehlmann. „Er hat schon lange vor meiner Zeit die Meisterwagen für den Verein geschmückt, mit denen sich die Mannschaft nach Titelgewinnen durch Dortmund fahren ließ.“

Birgit Honvehlmann gestaltet in einer VIP-Lounge beim BVB eine Schale mit weißen Orchideen
Das Team um Inhaberin Birgit Honvehlmann gestaltet die VIP-Lounges beim BVB in Dortmund. Foto: Thorsten Arendt

Beim Gestalten der Buffets und Tische können die Floristinnen ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Heute hat Honvehlmann zum Beispiel leuchtend gelbe Gerbera eingepackt, die sie als Tischdekoration zusammen mit Gras in Bierflaschen arrangieren will. Die Chefin bespricht letzte Details mit dem Team der BVB-Cateringabteilung, dann schieben ihre Mitarbeiterinnen die Blumen auf Rollcontainern ins Innere des Stadions. Sie arbeiten schnell und mit Präzision.

Themensträuße mit Liebe zum Detail

Zurück in Waltrop macht sich Stefanie Salewski, die ebenfalls mit beim BVB war, wieder an die Arbeit. Ihr Spezialgebiet sind Themen- und Ideensträuße. „Die sind bei unseren Kunden sehr beliebt“, sagt ihre Chefin. „Steffi versteckt in den Sträußen viele Details, arbeitet zum Beispiel kleine Zwiebeln oder Äste ein. Es gibt für die Kunden immer etwas zu entdecken, das gut zur Saison passt.“

Stefanie Salewski ist seit ihrer Geburt gehörlos und war die erste Mitarbeiterin mit Behinderung im Floristikunternehmen. Im Frühjahr 2013 brachte die heute 40-Jährige ihre Initiativbewerbung in den Laden, der damals noch von Gabriele Steinbrecher, der Tochter des Gründer-Ehepaars, geleitet wurde. Diese stellte Salewski als Aushilfe ein, 2014 bekam die junge Frau bei der neuen Inhaberin Birgit Honvehlmann eine halbe Stelle. Aus ihrem Betrieb ein Integrationsunternehmen zu machen, war für diese ein ganz natürlicher Schritt. „Meine Schwester hat schon lange Pflegekinder mit Behinderung, deshalb war das Thema für mich nicht neu“, erklärt sie. „Und durch einen Unfall oder eine Krankheit kann es jeden treffen. Deshalb sollten möglichst auch kleine Betriebe einen Beitrag leisten.“




Integration über Jahrzehnte

Als Sandra und Alexander Schwenk im Jahr 1995 die Wäscherei Kreft im Dortmunder Vorort Kirchhörde von den Vorbesitzern abkauften, wollten sie zunächst nur eine berufliche Existenz für sich selbst aufbauen. „Ich war als Außendienstmitarbeiter für die Firma meines Vaters unterwegs, der die Wäscherei als Kunden hatte“, erinnert sich Alexander Schwenk. „Als der Eigentümer relativ jung verstarb, fragte dessen Frau meinen Vater um Rat. Es gab dort ein besonderes Vertrauensverhältnis.“
Die Firma stand zum Verkauf – und Alexander Schwenk entschied sich nach längerem Überlegen, den Schritt zu wagen. Ehefrau Sandra, die als Arzthelferin einen guten Job hatte, stieg mit ein. Die beiden bauten den Betrieb stetig aus, heute hat sich die Anzahl der gereinigten Wäschestücke versiebenfacht. Zum Angebot zählen die klassische Hemdenwäsche für Privatkunden, aber auch Großaufträge für Unternehmen sowie spezielle Angebote, wie chemische, Teppich- oder Lederreinigung, und ein Änderungs- und Abholservice.

Engagement von Anfang an

Von der Idee eines Integrationsunternehmens waren sie damals noch weit entfernt – und es sollte bis zum Jahr 2010 dauern, bis die Wäscherei Kreft offiziell eine Integrationsabteilung eröffnen würde. Die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen dagegen startete schon fast zu Beginn der Firmenübernahme. „Bei uns hat sich eine gehörlose Frau vorgestellt, deren Lebensgefährte mit Gebärden gedolmetscht hat. Wir waren so begeistert von ihr, dass wir es ausprobieren wollten“, sagt Alexander Schwenk. Der Versuch klappte, die junge Mitarbeiterin zeigte viel Engagement und bewies sich im Betrieb.
Keine alltägliche Erfahrung für die Gründer: „Es war schon damals nicht einfach, überhaupt gute Leute für diese Arbeit zu finden“, sagt Sandra Schwenk. Die Bezahlung in der Branche ist nicht sehr gut, der Alltag ist geprägt durch Schnelligkeit und immer wiederkehrende Tätigkeiten. In vielen Wäschereien arbeiten Frauen in Teilzeit. Das ist in dem eher wohlhabenden Dortmunder Stadtteil, in dem die Wäscherei Kreft ihren Hauptbetrieb hat, eher selten der Fall. „Für Mitarbeiterinnen aus anderen Stadtteilen würde sich die Anfahrt deshalb kaum lohnen.“

Zuverlässige und präzise Arbeit

Die Schwenks setzten schon immer auf Vollzeitstellen – und haben mittlerweile eine ganz besondere Beschäftigtenstruktur. „Wir haben ältere Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Behinderungen in der Belegschaft.“ Eine Gruppe, die auf dem ersten Arbeitsmarkt sonst schwierig zu vermitteln ist. „Bei uns kommt es aber vor allem darauf an, dass die Beschäftigten zuverlässig und präzise arbeiten – und das zeigen unsere Kräfte jeden Tag.“ Eine Mitarbeiterin etwa sortiert gerade im großen Hauptraum die Wäsche eines Privathaushalts nach Farben und Stoffen, um die Waschtemperaturen festzulegen. Eine andere entnimmt mit geübtem Griff die exakt gefalteten und mit Namen bestickten Hemden der Köche eines noblen Restaurants. Eine dritte befestigt mit immer wieder denselben Handbewegungen Oberhemden am Bügelautomaten.
Damit das Unternehmen auch weiterhin betriebswirtschaftlich funktionieren konnte, haben die Schwenks im Jahr 2010 eine Integrationsabteilung gegründet. Das LWL-Inklusionsamt Arbeit finanzierte unter anderem Rollcontainer, einen Trocken- und Bügelautomaten und eine Laderampe. Ohne diese Arbeitserleichterungen wären manche Handgriffe für die Menschen mit Behinderung nicht zu leisten. Darüber hinaus erhält der Betrieb Einstellungsprämien sowie den Minderleistungsausgleich und Zahlungen für den erhöhten Betreuungsaufwand. Der vom LWL finanzierte Integrationsfachdienst half bei der Einarbeitung.

Um vor Überraschungen auf beiden Seiten gefeit zu sein, arbeiten sämtliche neuen Kolleginnen und Kollegen zunächst auf Probe: „Für zwei bis drei Monate“, sagt Sandra Schwenk, „wenn es dann funktioniert, stellen wir sie ein. Zunächst befristet auf ein Jahr, anschließend unbefristet.“ Die Befürchtung, Beschäftigte mit einer Behinderung im schlechtesten Fall nicht kündigen zu können, entkräftet Alexander Schwenk sofort. „Wir haben leider mit unserer ersten Mitarbeiterin mit Behinderung die schlechte Erfahrung gemacht, dass sie im Team nicht zurechtkam“, sagt der Chef. „Die Probleme haben wir sehr ernst genommen, uns auch Beratung vom Integrationsfachdienst geholt – aber am Ende mussten wir ihr kündigen, das Inklusionsamt hat die Zustimmung erteilt. Das war sehr schade, aber für den Betrieb und auch für sie war es das Beste.“

Um die Ecke denken

Um für alle Beteiligten das Optimale herauszuholen, müsse er manchmal auch um die Ecke denken, sagt Alexander Schwenk. Bei seinen Fahrern zum Beispiel: Mit Transportern bringen sie die Wäsche zu größeren Kunden wie der Catering-Firma von Borussia Dortmund. Schnell kommen einige hundert Kilogramm pro Tour zusammen. „Wir haben einen Kollegen, der nicht schwer tragen kann. Ihm gebe ich deshalb einen weiteren Mann mit, der die körperliche Arbeit übernimmt, aber selbst wegen einer Lernbehinderung keinen Führerschein hat.“ Aus zwei Kollegen mit Handicaps wird so ein leistungsstarker Mitarbeiter. „Das funktioniert aber nur, wenn beide Arbeitsplätze bezuschusst werden“, sagt Schwenk. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Zwei Menschen hätten ohne diese Idee wenig Chancen auf einen versicherungspflichtigen Arbeitsplatz. Bei der Wäscherei Kreft haben beide eine Stelle bekommen.




Der gute Geschmack

Schon an der Eingangstür der Firma Werner & Co. Gewürze strömt den Besuchern der Duft von Kardamom entgegen, dazu mischt sich Pfefferstaub, der in der Nase kitzelt. „Wir selbst riechen das kaum noch“, sagt Helmut Schulte, Inhaber und Geschäftsführer des Gelsenkirchener Traditionsunternehmens. Kein Wunder: Bis zu 30 Tonnen der verschiedensten Gewürze setzen die 30 Mitarbeiter jeden Tag um.

Sebastian Vollrath, der heute für die Mühle eingeteilt ist, hebt einen Sack auf die Schulter und kippt weiße Pfefferkörner in einen Trichter. Der 33-Jährige arbeitet zügig und geschickt; dass ihm an beiden Händen jeweils vier Finger fehlen, fällt erst auf den zweiten Blick auf. Seit seiner Geburt hat Vollrath nur seine beiden Daumen. Dank lebenslanger Übung kann er mit ihnen und dem Rest seiner Hände aber ebenso viel leisten wie die Kollegen.

Werner & Co. Gewürze hat seit 2010 eine Integrationsabteilung: Zehn der 30 Mitarbeiter haben eine Behinderung. Sebastian Vollrath ist froh, hier eine Chance bekommen zu haben. Vor gut anderthalb Jahren bewarb er sich initiativ. „Ich bin kein Typ für einen Bürojob, ich brauche immer Bewegung“, sagt der Essener.

Sebastian Vollrath füllt an einer Maschine Pfefferkörner in große weiße Tüten ab
Viele Chefs trauten Sebastian Vollrath körperliche Arbeit nicht zu. Foto: Thorsten Arendt

Eine pragmatische Entscheidung führt zum Erfolg

Seine Ausbildung zum Kaufmann für Bürokommunikation hat er nicht abgeschlossen, stattdessen Umschulungen zum Fliesenleger, Maurer und Lageristen absolviert und als Bauhelfer gejobbt. Auf eine Festanstellung hoffte er aber lange vergeblich. „Die Chefs haben mir körperliche Arbeit einfach nicht zugetraut“, sagt er. Helmut Schulte dagegen ging die Sache pragmatisch an. „Ich habe ihm gesagt, dass er beweisen muss, dass er den Job machen kann“, erklärt der 61-jährige Inhaber von Werner  & Co. Gewürze. „Es lief gut, und seitdem hat Bastian eine unbefristete Stelle.“

Für die Kunden hat die Tatsache, dass bei Werner Gewürze & Co. Menschen mit und ohne Behinderung zusammenarbeiten, noch nie eine Rolle gespielt. „Die schauen auf die Qualität, das ist das einzige, was für sie zählt“, sagt der Unternehmer. Ihm selbst ist das Konzept mittlerweile eine Herzensangelegenheit. Dabei hatte Schulte nie geplant, eine Integrationsabteilung zu gründen. „Das Arbeitsamt sprach mich an und fragte, ob ich nicht eine Stelle für einen Menschen mit Down-Syndrom hätte“, blickt der 61-Jährige zurück. „Ich sagte Ja – und dann stand ich zu meinem Wort.“

Helmut Schulte steht im Gewürzlager zwischen hohen Regalen und lacht in die Kamera
Helmut Schulte ist die Integrationsabteilung eine Herzensangelegenheit. Foto: Thorsten Arendt

Dieser Mann der ersten Stunde ist André „Andi“ Wilbert. Schulte stellte ihn vor 15 Jahren ein, trotz anfänglichen Widerstands einiger anderer Mitarbeiter. Wilbert hat das Down-Syndrom und braucht deshalb länger als seine Kollegen, um Arbeitsaufträge zu verstehen und umzusetzen. Damals stieß das nicht bei allen auf Verständnis, aber Schulte ließ nicht mit sich reden: „Ich habe den Mitarbeitern gesagt, sie können sich an Andi gewöhnen oder sie können gehen.“ Heute gehört André Wilbert ganz selbstverständlich dazu und führt seine Aufgaben routiniert aus. Er ist zufrieden mit seinem Job, und das zählt. „Die Arbeit macht Spaß“, sagt er. „Mit anderen Worten: Es läuft.“