Inklusionsunternehmen: Ein Erfolgsmodell für alle Beteiligten

Der Veranstalter der Messe ist der Landschaftsverband Westfalen-Lippe, kurz LWL. Der Direktor des Verbandes, Matthias Löb, und der LWL-Sozialdezernent Matthias Münning erklären im Interview, was es mit dem erfolgreichen Konzept „Inklusionsunternehmen“ auf sich hat.


Herr Löb, Herr Münning: Warum ist die LWL-Messe aus Ihrer Sicht so erfolgreich?

Matthias Löb: Eine erfolgreiche Messe kann man daran erkennen, dass sie nicht nach ein oder zwei Anläufen sang- und klanglos in der Versenkung verschwindet. Unsere Messe ist ein lebendiges Forum und ein spannender Marktplatz. Bei der dritten Veranstaltung im Jahr 2014 kamen schon rund 5.100 Besucherinnen und Besucher. Die Messe zeigt einerseits die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Betriebe und demonstriert anderseits deren Beschäftigungsleistungen.

Matthias Münning: Alle Aussteller – und viele sind seit dem ersten Mal dabei – legen sich für den Erfolg der Messe ungemein ins Zeug. Die vierte Auflage wird wieder viele Besucher anlocken, die mit diesem Thema bisher wenig vertraut sind. Neue Kunden werden so auf die Aussteller aufmerksam, potenzielle Firmengründer werden motiviert und junge Menschen mit Behinderung erhalten Anregungen für ihre Berufsorientierung und Jobsuche.

Wie haben sich die Inklusionsunternehmen in den vergangenen Jahren entwickelt?

Matthias Löb: Sehr gut. Seit dem Jahr 2008 stieg die Zahl der Inklusionsbetriebe und -abteilungen in Westfalen- Lippe von 57 auf 160. Im selben Zeitraum hat sich die Anzahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze für Menschen in dieser besonderen Zielgruppe ebenfalls verdreifacht: Sie ist von 594 auf rund 1.900 angestiegen.

Matthias Münning: Was wir zudem herausheben können: Wir fördern inzwischen 50 Inklusionsabteilungen bei gewerblichen Unternehmen. Damit liegen wir im bundesweiten Vergleich wie bei der Zahl der Firmen insgesamt an der Spitze. Besonders erfreulich ist, dass die Unternehmen oft mehr Arbeitsplätze schaffen, als wir ursprünglich zu Beginn der Förderung mit ihnen vereinbart haben. Außerdem ist der Insolvenzanteil bei den Inklusionsunternehmen gering: Zwischen 2010 und 2014 sind gerade einmal acht Betriebe insolvent gegangen. Das ist prozentual deutlich weniger als bei Firmengründungen allgemein.

Überleben die Inklusionsunternehmen denn nur in besonderen Nischen? 

Matthias Münning: Nein, eben nicht. Es sind ganz normale Betriebe, die sich auf dem freien Markt behaupten müssen. Sie wirtschaften nicht in Schutzräumen, ihre Arbeitswelten sind also mitten drin im Leben. Sie arbeiten zum Beispiel im Garten- und Landschaftsbau, der Gebäudereinigung, als Hausmeisterdienste, Wäschereien, Metzgereien, Käsereien, in der Zweiradherstellung, als Näh- und Polsterdienstleister und in der industriellen Fertigung für die Automobilindustrie. Der Erfolg der Integrationsunternehmen ist groß.

Dennoch mussten Sie zwischenzeitlich die Förderung neuer Projekte begrenzen, weil die Haushaltslage bei den Ausgleichsabgabemitteln des LWL-Inklusionsamts schwierig ist. Wie geht es weiter?

Matthias Löb: Das so genannte „Fördermoratorium“ aus dem Jahr 2014 ist zumindest vorübergehend aufgehoben. Mit dem Förderprogramm „Inklusionsinitiative II – AlleImBetrieb“ stellt der Bund den Ländern 150 Millionen Euro zur Verfügung, um neue Arbeitsplätze in Inklusionsunternehmen zu fördern. Aus unserem Anteil daran für Westfalen-Lippe und zusammen mit der Unterstützung des Landes NRW können wir in den kommenden Jahren 300 bis 400 neue Arbeitsplätze fördern. Ich bin mir sicher, dass uns das gut gelingen wird. Wir werden der Bundespolitik beweisen, dass das Geld bei uns gut angelegt ist und viele wertvolle Arbeitsplätze entstehen.

Matthias Münning: Wir reden Inklusion in der Arbeitswelt nicht nur herbei, das ist deutlich zu sehen. Das Engagement unseres Inklusionsamts führt zu Arbeitsverträgen auf dem Ersten Arbeitsmarkt und füllt Lohntüten mit regulärer Bezahlung. Mittel- und langfristig brauchen wir aber eine Lösung, um die dauerhaften Nachteilsausgleiche finanzieren zu können.

Wie beurteilen Sie die Chancen dafür?

Matthias Löb: Das lebhaft diskutierte neue Bundesteilhabegesetz schafft den unseligen Begriff „Inklusionsprojekt“ ab, wie die Firmen früher hießen. Ein „Projekt“, kann als zeitlich begrenzt verstanden werden, was aber nicht in unserem Sinne und dem der Unternehmen sowie der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit und ohne Behinderung sein kann.

Matthias Münning: Stattdessen werden die Unternehmen nun „Inklusionsbetriebe“ genannt. Das kann als Aufwertung verstanden werden, und darin drückt sich auch eine Anerkennung dafür aus, dass die Firmen eine hohe Anzahl an Arbeitsplätzen geschaffen haben. Ich hoffe sehr, dass es nicht nur bei einer sprachlichen Renovierung bleibt. Unter Verantwortung des Bundes müssen wir mit allen Leistungsträgern verlässliche Lösungen finden, um die laufenden Leistungen für die Unternehmen auch für die Zukunft gewährleisten zu können.

Wer hat am Erfolgsmodell „Inklusionsbetrieb“ welchen Anteil?

Matthias Münning: Als Sozialdezernent bei einem der größten Hilfezahler für Menschen mit Behinderungen macht es mir sehr viel Spaß, zu sehen, wie sich in diesem Konzept Unternehmergeist und Marktorientierung mit sozialem Engagement und Inklusion verbinden. Unsere Leistungen führen nicht zu Passivität, sondern sie aktivieren und entlasten letztlich die öffentliche Hand.

Matthias Löb: Eines muss klar sein: Wir als LWL schaffen damit selbst keine Arbeitsplätze, sondern wir können nur für verlässliche Rahmenbedingungen sorgen. Ich habe großen Respekt vor den Gründern, Eignern und Verantwortlichen der Inklusionsbetriebe. Sie gehen oftmals hohe wirtschaftliche Risiken ein und tragen ohne Bestandsgarantie alleine die unternehmerische Verantwortung. Das machen sie sehr gut – und dabei wollen wir sie weiter unterstützen.




Eine positive Haltung und Hilfe von Experten

Vor fast 20 Jahren ging bei der Sternberg-Dental-Labor GmbH in Gesecke im Kreis Soest eine vielversprechende Bewerbung ein: Eine Frau mit Hörbehinderung interessierte sich für eine Stelle als Zahntechnikerin. Sie schien perfekt für die Aufgabe zu sein, und die Chefin des Labors, Karin Schulz, wollte die Bewerberin sehr gerne einstellen. Sie war aber etwas unsicher, ob und wie das im Arbeitsalltag funktionieren würde und was sie würde beachten müssen.

Sie wandte sich daher an eine Beratungsstelle des LWL, die genau für solche Situationen zur Verfügung steht: den Fachdienst für Menschen mit Hörbehinderung. Die Stelle unterstützt sowohl Unternehmen, die, wie das Dental-Labor, gern einen Menschen mit einer Hörbehinderung einstellen wollen, aber auch die (angehenden) Arbeitnehmer mit Behinderung.

Die Experten helfen bei allen Fragen weiter, bauen Barrieren ab – auch solche im Kopf –, und unterstützen dabei, die Zusammenarbeit im Arbeitsalltag optimal für alle Beteiligten zu gestalten.

Wie Inklusion am Arbeitsplatz dadurch, aber auch durch die positive Haltung aller Beteiligten klappt, zeigt dieser schöne Film am Beispiel des Dental-Labors.




„Vielfalt ist ein Teil der Lösung“

Frau Léon, eine aktuelle Zahl zum Einstieg: Im Jahr 2016 waren 13,4 Prozent aller Menschen mit Schwerbehinderung in Deutschland arbeitslos, das sind mehr als doppelt so viele im Vergleich zu Menschen ohne Behinderung. Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptgründe dafür?

Ganz einfach gesprochen: Es liegt an Vorurteilen. In unserer Gesellschaft kämpfen viele Menschen mit körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderungen immer noch mit den vielfältigen Vorbehalten ihrer Mitmenschen ohne Behinderung. Es fehlt hier ein breiter „Diversity“-Ansatz, der das Anderssein als wertvoll ansieht. Auch viele Unternehmen haben immer noch nicht erkannt, wie viel Potenzial durch diese Barrieren in unseren Köpfen auf der Strecke bleibt. Ich sehe das Problem hier vor allem bei denjenigen, die auf Einheitlichkeit abzielen, anstatt sich auf die Vielfalt unserer Gesellschaft einzulassen. Unterschiedlichkeit müsste viel öfter und selbstverständlicher als ökonomischer Erfolgsfaktor gesehen werden – und nicht als Nachteil. Der Fokus auf das Negative ist jedoch leider noch weit verbreitet, und damit lässt sich aus meiner Sicht auch die hohe Arbeitslosenquote unter Menschen mit Behinderung erklären. Übrigens: das Problem beschränkt sich nicht nur auf das Thema Behinderung. Es umfasst das Anderssein im Allgemeinen, und das ist in unserer Gesellschaft nach wie vor viel zu oft mit negativen Vorurteilen behaftet.

Welchen Beitrag leistet Ihr Unternehmen für die Inklusion?

Die Lufthansa Group hat 2014 die „Charta der Vielfalt“ unterzeichnet, eine Initiative aus der Wirtschaft, die die Vielfalt in Unternehmen und Institutionen fördern soll. Außerdem haben wir schon im Jahr 2003 eine so genannte „Integrationsvereinbarung“ im Konzern abgeschlossen, um die Integration behinderter Menschen in das Arbeitsumfeld zu fördern. Das bedeutet: Die Gesellschaften der Lufthansa-Group bekennen sich über eine Betriebsvereinbarung zur beruflichen Förderung behinderter Menschen und zu einem fairen und fürsorglichen Umgang. Darin ist auch festgeschrieben, dass wir insbesondere bei Nichterfüllung der Pflichtquote unsere gesellschaftliche Verantwortung auf anderem Weg wahrnehmen müssen, und zwar, indem wir die zusätzlichen Möglichkeiten der Behindertenförderung nutzen. So vergeben wir zum Beispiel Aufträge gezielt an Werkstätten für behinderte Menschen. Und: Wenn einer unserer schwerbehinderten Mitarbeiter seine bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben kann und in seiner Gesellschaft keine geeignete andere Stelle vorhanden oder einzurichten ist, versuchen wir, ihn in einen anderen Teil des Konzerns zu vermitteln.

Die Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderung bei der Lufthansa Group liegt bei 4,3 Prozent. In welchen Bereichen werden Sie eingesetzt – und woran liegt es, dass Sie die gesetzlich vorgegebene Quote von fünf Prozent nicht erfüllen?

Viele Arbeitsplätze in unseren operativen Arbeitsfeldern, also zum Beispiel im Flugbetrieb, setzen eine bestimmte körperliche und psychische Leistungsfähigkeit voraus, die nicht jeder Mensch hat. Unsere Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderung ist im Geschäftsfeld Airline daher etwas niedriger, dafür erreichen andere Gesellschaften Quoten von bis zu 23 Prozent – in den Geschäftsfeldern Logistik oder Catering ist das zum Beispiel der Fall.

Wie wird Ihr Unternehmen in Zukunft mit dem Thema Inklusion und Diversity umgehen?

Wir möchten in Zukunft noch stärker alle Potenziale ausschöpfen. Wir sind der Ansicht, dass sich die Arbeitswelt in einem tief greifenden Wandel befindet und Vielfalt ein Teil der Lösung sein wird. Der demografische Wandel beispielsweise führt auch bei uns über kurz oder lang zu einem Rückgang von Nachwuchs- und Fachkräften. Für uns ist klar, dass eine Antwort auf diese Herausforderung nur in der Vielfalt der Belegschaft liegen kann. So kann man die Potenziale verschiedener Interessengruppen ausschöpfen und nicht nur allein dafür sorgen, dass Fachkräfte nachkommen. Zu dieser Vielfalt gehören natürlich auch Menschen mit Behinderung – wir setzen also auf die vielen verschiedenen Dimensionen von Diversity. Das schließt auch mit ein, dass wir als internationales Unternehmen allen Menschen unsere Dienstleistungen anbieten, unabhängig von Merkmalen wie Hautfarbe, Religion oder Herkunft. Und wir möchten selbst ebenso „divers“ sein wie unsere Kunden es sind.
Dabei reicht es insbesondere für Menschen mit Behinderung natürlich lange noch nicht aus, nur den barrierefreien Zugang zum Arbeitsplatz zu schaffen. Wir brauchen künftig nicht nur eine neue Arbeitsorganisation, die das individuelle Leistungsvermögen berücksichtigt, sondern auch ein neues Konzept für die gezielte Entwicklung und Förderung des Personals, das sich an den Stärken der Mitarbeiter orientiert – und nicht an ihren Schwächen. –




Erfolg ab dem ersten Essen

„Wir hatten bei der Gründung zunächst mit 500 Mittagsmenüs pro Tag geplant“, sagt Inhaber und Geschäftsführer Jürgen Groth. „Wir haben schnell gemerkt, dass die Nachfrage größer ist, und auf 800 erhöht – inzwischen kochen wir täglich 2000 Mahlzeiten.“

Die Groth Catering GmbH & Co. KG versorgt schon seit 1986 Schulen und Kindergärten mit Mittagsmenüs, belegten Brötchen und anderen Snacks. Im Jahr 2009 steckte Jürgen Groth sich ein neues Ziel: Er wollte selbst die Mahlzeiten für die 20 Schulmensen zubereiten, die Groth Catering gepachtet hatte und für die bis dahin ein Fremdunternehmen das Essen geliefert hatte.

Dass bei Groth Catering Menschen mit und ohne Behinderung zusammenarbeiten sollten, stand für Jürgen Groth von Anfang an fest. „Es muss möglich sein, Männer und Frauen mit Handicaps auf diese Weise nachhaltig zu beschäftigen“, war und ist der Geschäftsführer überzeugt, der aus dem Aachener Raum stammt und im Grundschulalter mit seiner Familie nach Bad Sassendorf zog. Bei der Gründung unterstützte der LWL ihn und seine Frau Birgit, die mit ihm in der Verwaltung der beiden Betriebe arbeitet. Und auch der befreundete Leiter eines integrativen Kindergartens stand dem Ehepaar mit Ratschlägen aus der Praxis zur Seite.

Jürgen Groth in der Küche von Groth Catering
Inhaber und Geschäftsführer Jürgen Groth ist zufrieden mit seiner inklusiven Küche.

Fünf Mitarbeiter mit Behinderung haben heute einen festen Job in der Küche von Groth Catering. Einer von ihnen ist Rolf Adämmer. Der 45-Jährige hat gerade einige Pakete Butterkekse in eine Alu-Schale geleert und fängt an, die Plätzchen zu zerbröseln. „Die sind für den Nachtisch morgen“, erklärt er. „Es gibt Joghurt mit Keksen.“ Wer ihn bei der Arbeit beobachtet, kommt nicht gleich darauf, dass er eine Lernschwäche hat – im Gegenteil, findet auch sein Chef Jürgen Groth: „Rolf Adämmer gehört zu unseren Leistungsträgern. Er spornt auch die anderen an.“ Ebenso außergewöhnlich wie die Zusammensetzung des Teams ist bei Groth Catering die Liste der Lieferanten. Einen großen Teil des Fleisches bringt ein Metzger, der in Lippetal-Schoneberg eine eigene Rinderherde hält. Auch die Kartoffeln stammen aus der Region, ein Teil ist darüber hinaus auch noch bio-zertifiziert – genau wie Reis und Nudeln, die ein Kölner Bio-Großhändler liefert.
Neben der Qualität muss für Groth aber auch die CO2-Bilanz stimmen: „Im Frühjahr steigen wir zum Beispiel komplett auf heimische Kartoffeln aus der konventionellen Landwirtschaft um“, erklärt der Unternehmer. „Deutsche Bio-Kartoffeln sind erst wieder ab Juni auf dem Markt.“ Und was – wie Kakao und Kaffee – doch aus fernen Ländern importiert werden muss, trägt das Fairtrade-Siegel. „Gutes muss nicht unbedingt teurer sein. Leider können wir uns wegen der höheren Bio-Preise ‘nur’ Nudeln, Kartoffeln und Reis in Bio-Qualität leisten. Wichtig ist der Wille, Bio- und Fairtradeprodukte im Unternehmen einzusetzen, dann funktioniert es auch“, ist Groth überzeugt.

Ein Praktikum, dann ein unbefristeter Vertrag

In der Lippetaler Küche ist Rolf Adämmer inzwischen fast mit dem Zerkleinern der Butterkekse fertig. „Heute Morgen habe ich schon den Salat für das Mittagessen vorbereitet“, erzählt er und zeigt auf einen Speiseplan an der Wand. „Alles, was orange angestrichen ist, muss ich machen.“ Er klickt Deckel auf die beiden Schalen mit Keksbröseln, trägt sie hinaus ins Trockenlager und kommt mit sechs Eimern Naturjoghurt zurück. „In einem Eimer sind zehn Kilo Joghurt, die sind für 100 Personen. Das wird also Nachtisch für 600 Personen“, rechnet er vor, während er den Joghurt in ein badewannengroßes Alu-Gefäß kippt, Zucker dazu schüttet und alles mit einem riesigen Schneebesen umrührt. Er ist begeistert von seiner Arbeit, erläutert gerne die Abläufe und Hygienevorschriften in der Küche. Der Groth-Catering-Mitarbeiter der ersten Stunde war vorher in einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt, in der er acht Jahre lang Gartenarbeiten erledigte. Nach einem Praktikum in Groths neuem Unternehmen – einen Monat nach der Gründung – konnte Adämmer bleiben, mit einem unbefristeten Vertrag.

Was ihm am meisten Spaß macht? „Alles“, sagt Adämmer strahlend und beschreibt mit seinem Arm einen Halbkreis durch die ganze Küche. „Ich mag die Abwechslung, ich muss hier nicht wie in der Werkstatt immer nur das Gleiche machen.“ Und schon wuselt er wieder los, um zu zeigen, wo er vormittags die fertig portionierten Menüs für die Schulen in Soest, Münster, Hamm und anderen Städten in Kisten verstaut und für die Fahrer bereitstellt.

Neue Räume, neue Ausstattung, neue Ziele

Solche Arbeitsabläufe werden Adämmer und seine Kollegen im Laufe der kommenden Monate allmählich umstellen, denn Jürgen Groth möchte im Jahr 2017 die Zahl der Mittagsmenüs auf 3000 erhöhen. Um diese Dimensionen zu erreichen, wurde bereits im August 2016 eine neue Küche gebaut und eingerichtet. Durch diese Erweiterung hat sich die Arbeitsfläche für Köche und Küchenhilfen mit 780 Quadratmetern fast verachtfacht. Die neuen Räume werden aber nicht nur größer, sondern bieten auch die nötige Ausstattung, um auf das sogenannte Cook & Chill-Verfahren umzusteigen. Kochen und Kühlen, das ist der neue Trend in der Mensa-Verpflegung: „ Nach dem Kochen wird das Essen durch den Einsatz von Schnellkühlern, den sogenannten Chillern, innerhalb von 90 Minuten auf eine Temperatur von drei Grad gekühlt“, fasst Groth das Prinzip zusammen. So lässt sich das Zubereitete bis zu vier Tage lang frisch halten; erwärmt wird es erst kurz vor dem Verzehr.

„Mit dem Cook-&-Chill-Verfahren wird die Arbeit in der Küche rationeller: Die gleiche Anzahl an Mitarbeitern kann mehr Mahlzeiten zubereiten, weil wir in Schichten und vorbereitend kochen können“, erklärt der Unternehmer den künftigen Arbeitsalltag. Für Groth war das nicht die einzige Motivation, in die Kältetechnik für das neue Verfahren zu investieren. Ausschlaggebend waren auch die immer zahlreicheren Anfragen von Schulen, die sich ausdrücklich eine Mensa-Verpflegung mit Cook and Chill wünschten. „Mit diesem Verfahren lassen sich die Pausenzeiten individuell festlegen“, sagt Groth. „Das Essen muss ja gleich nach dem Kochen warm in den Schulen ankommen, daher dürfen zwischen dem Ende der Kochzeit und der Essensausgabe höchstens drei Stunden liegen“, erklärt er. Wenn ein paar Klassen später zu Mittag essen als die anderen, wird das ohne diese Methode schwierig. Die Investition lohnt sich auf jeden Fall schon jetzt: Die ersten Aufträge für die Zeit nach dem Umzug in die neue Küche hat Groth Catering schon in der Tasche. –




„Bei Siemens sind Leistung und Behinderung kein Widerspruch“

Siemens ist eines der zehn größten Unternehmen in Deutschland. Der Konzern erfüllt die gesetzliche Quote, nach der Firmen ab 20 Mitarbeitern mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze mit Menschen besetzen müssen, die eine Behinderung haben. Was sonst noch mit dem Thema „Diversity“ verbunden ist und was die Inklusion in der Firmenpolitik von Siemens für eine Rolle spielt, wollten wir von Nicole Herrfurth wissen, die bei Siemens für „Leadership Development, Diversity and Inclusion“ verantwortlich ist (übersetzt: „Führungskräfte-Entwicklung, Vielfalt und Inklusion“).


Frau Herrfurth, eine aktuelle Zahl zum Einstieg: Im Jahr 2016 waren 13,4 Prozent aller Menschen mit Schwerbehinderung in Deutschland arbeitslos, das sind mehr als doppelt so viele im Vergleich zu Menschen ohne Behinderung. Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptgründe dafür?

Eines der Probleme ist, dass viele Menschen mit Behinderung im erwerbsfähigen Alter oftmals keinen allgemeinen Schulabschluss haben. Die Ursache dafür liegt wiederum im Bildungssystem: Solange Inklusion in der Schule und bei der Ausbildung nicht die Normalität ist, wird es auch auf dem Arbeitsmarkt Probleme geben. Menschen mit und ohne Behinderungen werden heute noch immer getrennt voneinander unterrichtet. Es gibt also nicht einen großen, gemeinsamen Lernraum, sondern viele Einzelsysteme wie Sonderschulen, Förderschulen und Werkstätten. Das führt leider dazu, dass Menschen, die dort unterrichtet werden oder arbeiten, bereits in jungen Jahren und auch später von bestimmten Bildungs- oder Berufswegen ausgeschlossen werden. Dadurch kommt es zu Ausgrenzung – und das Risiko, arbeitslos zu werden oder zu bleiben, steigt. Das Schulsystem muss sich also noch intensiver mit dem Thema Vielfalt beschäftigen und dieses Prinzip so früh wie möglich fördern.
Ein weiteres Problem sehen wir darin, dass es an barrierefreien Lösungen mangelt. Das ist sowohl firmenpolitisch als auch infrastrukturell ein Thema, und es betrifft die „reale Welt“ genauso wie die Barrieren, die es noch immer in den Köpfen gibt.

Welchen Beitrag leistet Ihr Unternehmen im Bereich Inklusion?

Wir achten zuallererst darauf, die gesetzlichen Regelungen zu befolgen, zum Beispiel bei Themen wie Sonderurlaub und Kündigungsschutz. Außerdem liegt uns natürlich die barrierefreie und flexible Gestaltung unserer Arbeitsplätze am Herzen. Wir versuchen, diese Umgebungen den Menschen anzupassen und nicht umgekehrt. Bei Siemens gibt es zudem ein Gleitzeitsystem, mit dem unsere Mitarbeiter ihre Arbeitszeiten relativ frei gestalten können. Das gleiche gilt für den Arbeitsort: Das „Home Office“ ist bei uns nicht nur ein Lippenbekenntnis, sondern gehört mittlerweile zum Alltag, für Menschen mit oder ohne Behinderung. Auch das Thema Mobilität ist für uns ein Teil der Inklusion. Wir bieten unseren Mitarbeitern mit Schwerbehinderung daher nicht nur Behindertenparkplätze, sondern ermöglichen es ihnen bei Geschäftsreisen auch, in der ersten Klasse Bahn zu fahren beziehungsweise mit der Business Class zu fliegen. Wir wollen damit sicherstellen, dass unsere Mitarbeiter so unbeschwert und komfortabel wie möglich arbeiten können. Und wir legen Wert auf verschiedene betriebliche Maßnahmen, wie eine konstante Weiterbildung, bezahlte Freistellungen und eine gute gesundheitliche Versorgung, die wir unter anderem über unsere Betriebskrankenkasse anbieten.

Wie hoch ist bei Siemens die Beschäftigungsquote von Menschen mit Behinderung und in welchen Bereichen werden sie eingesetzt?

Bei Siemens in Deutschland sind derzeit 6.200 Menschen mit Behinderungen, teilweise mit schweren Handicaps, beschäftigt. Das entspricht einer Quote von etwa 5,2 Prozent. Viele der Mitarbeiter sind auf unsere Standorte in Erlangen, Nürnberg und Berlin verteilt, sie werden je nach Fähigkeiten und Interessen in allen Abteilungen eingesetzt und arbeiten in ganz unterschiedlichen Funktionen und Abteilungen. Außerdem kooperieren wir viel mit Werkstätten für Menschen mit Behinderung: Siemens hat allein im vergangenen Geschäftsjahr Aufträge in Höhe von rund 14 Millionen Euro an solche Einrichtungen vergeben.

Wie wird Ihr Unternehmen in Zukunft mit dem Thema Inklusion und Vielfalt umgehen?

Bei uns stehen Leistung und Behinderung schon jetzt nicht im Widerspruch zueinander. Im Gegenteil: Wir sehen täglich, dass es oft gerade die Mitarbeiter mit Behinderungen oder anderen Einschränkungen sind, die die „Extrameile“ gehen. Durch ihre Ausdauer, Beharrlichkeit und Motivation bringen sie sich voll und ganz ins Unternehmen ein und meistern dabei auch viele Hürden. Wir sehen diese Mitarbeiter daher nicht in erster Linie als Menschen mit Behinderung, sondern als Menschen mit besonderen Fähigkeiten. Von diesen Eigenschaften könnten sich Menschen ohne Behinderung oftmals eine Scheibe abschneiden. Im letzten Dezember haben wir dazu passend einen „Ability Day“ in der Siemens-Zentrale in München veranstaltet. Der Tag stand unter dem Motto „Sport“ und sollte dazu aufrufen, die Fähigkeiten jedes Einzelnen wert zu schätzen. Diesen besonderen Tag würden gerne dauerhaft etablieren und gegebenenfalls zusammen mit anderen Unternehmen gestalten, um möglichst viele Menschen von dieser Botschaft zu überzeugen.
Vielfalt sollte aus unserer Sicht kein isoliertes Sonderthema bleiben, sondern ganzheitlich in allen Prozessen eines Unternehmens verwurzelt werden. Wir selbst haben deshalb unter anderem die Charta der Vielfalt unterschrieben und wollen diese Idee damit weiter nach vorne bringen.

Wer oder was sind aus Ihrer Sicht die größten „Inklusions-Bremsen“ unserer Gesellschaft?

Es gibt leider viele dieser „Bremsen“, wir glauben aber, dass die größten Hürden die Barrieren im Kopf sind. Wir nennen diese Hürden „Unconscious Bias“, also Vorverurteilungen und Denkmuster, die bei vielen Menschen vorhanden sind und sich im Unterbewusstsein abspielen. Wenn zum Beispiel jemand im Rollstuhl in den Raum kommt, sehen viele erst einmal nur die Behinderung, nicht die Persönlichkeit, die Fähigkeiten und die Qualifikationen des Menschen. Das geht zum Teil so weit, dass viele unbewusst davon ausgehen, dass ein Mensch mit Behinderung nicht wirklich arbeiten kann, nicht so belastbar ist oder auch weniger Fähigkeiten hat. Auch bei der Suche nach neuen Mitarbeitern spielt das immer noch eine große Rolle, denn das Kompetenzprofil wird von Recruiting-Mitarbeitern viel schneller außer Acht gelassen, wenn ein Bewerber eine Behinderung hat. Diese unbewussten Prozesse, die sich überall in unserer Gesellschaft zeigen, müssen wir im Kern auflösen.
Bei Siemens konzentrieren wir uns daher auf das Individuum und dessen Fähigkeiten. Diesen Ansatz wollen wir auch in Zukunft weiterhin verfolgen und stärker nach außen kommunizieren – daraus entstand auch unsere Idee zum „Ability Day“.




Nicht nur sauber, sondern rein

Es ist ein sonniger Tag, als Ali Cütcü seinen weißen Lkw auf den Hof der Schlossklinik Pröbsting steuert. Langsam fährt er an dem großen weißen Wasserschloss aus dem 12. Jahrhundert vorbei, in dem die Verwaltung der „Privaten Akutklinik für Psychologische Medizin“ untergebracht ist. Ein paar Meter weiter hält er den Wagen an, steigt aus und geht um das Auto herum zur Ladeklappe. Per Knopfdruck lässt er diese herunter, steigt in den Laderaum und schiebt einen Gitterwagen bis zur Ladekante nach vorn. Das Gefährt ist mit einer weißen Plane bedeckt. „Ich liefere saubere Bettwäsche für die Klinik“, erklärt der 58-Jährige. Er deutet auf weitere Transportboxen, die noch im Laderaum stehen. „Da drin sind Handtücher. Die waschen wir auch für die Klinik.“

Ali Cütcü arbeitet für die Wäscherei der Grenzland Reha- und Betreuungs GmbH, einer Tochtergesellschaft des Caritasverbandes. In dem Integrationsunternehmen arbeiten 85 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, fast die Hälfte davon haben eine Behinderung. Den Wäschereibetrieb gibt es seit 1994. Über die Jahre ist dieser stark gewachsen: Heute bearbeiten die Angestellten täglich etwa neun Tonnen Wäsche. Die Stücke werden hier sortiert, in den großen Maschinen gewaschen und – zum Teil handgefaltet – zurück an die Kunden vor allem aus Senioren- und Behindertenhilfeeinrichtungen und Krankenhäusern im Münsterland und am Niederrhein geliefert.

Eine neue Chance

Ali Cütcü ist bei Grenzland für eben diesen letzten Schritt zuständig: Die Wäsche zurück zu den Kunden bringen. Der Fahrerjob war für ihn eine neue Chance. „Ich hatte vorher einen kleinen Lebensmittelladen, den ich leider aufgeben musste, weil ich Diabetiker bin. Der Stress war irgendwann einfach zu groß und ich war körperlich viel zu schwach, um zehn, zwölf Stunden am Stück zu arbeiten.“ In seinem neuen Beruf kann er sich die Zeit nun besser einteilen. Seither hat er keine Probleme mehr. „Ich kann in diesem Job regelmäßig essen, was für mich sehr wichtig ist. Außerdem kann ich problemlos und zu festen Zeiten meinen Insulinspiegel kontrollieren.“

Der 58-Jährige sorgt heute gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen bei Institutionen wie der Schlossklinik Pröbsting dafür, dass pünktlich die frische Wäsche angeliefert wird. Die Verwaltungsleiterin der Klinik, Susanne Lansing, schloss den Vertrag mit der Grenzland-Wäscherei schon vor sechs Jahren. Für sie ist der Service des Unternehmens eine „ganz normale Dienstleistung“, erklärt sie. „Wir haben unsere Wäsche schon immer an externe Unternehmen gegeben. Das rechnet sich für uns einfach sehr gut.“ Die Entscheidung für die Grenzland-Wäscherei fiel vor allem wegen der räumlichen Nähe – aber auch wirtschaftliche Gründe spielten eine Rolle. Dass die Firma ein Integrationsunternehmen ist, wusste die Klinik zur Zeit der Ausschreibung gar nicht. „Nach dem Vertragsabschluss haben wir uns natürlich umso mehr über den positiven Nebeneffekt gefreut, dass wir damit auch noch ein inklusives Unternehmen unterstützen“, erinnert sich die Mitarbeiterin der Klinik, in der seit 1998 unter anderem Patientinnen und Patienten mit Depressionen, Angst- und Paniksyndromen, Belastungsreaktionen, Schlaf- oder Essstörungen oder Zwängen behandelt werden.

Der reibungslose Ablauf ist wichtig

Ein sehr wichtiger Aspekt ist natürlich auch die Qualität der Leistungen und die Zuverlässigkeit der Wäscherei. „Bei den rund 280 Menschen, die hier über das Jahr verteilt stationär aufgenommen werden, fällt schon eine große Menge Wäsche an“, erklärt die Mitarbeiterin der Klinik. „Es ist für uns deshalb sehr wichtig, dass wir einen gut funktionierenden Ablauf mit Grenzland haben. Wir können und konnten uns bei unserem Partner aber wirklich immer darauf verlassen, dass wir die richtige Wäsche zum vereinbarten Zeitpunkt sauber und hygienisch einwandfrei zurückbekommen.“ Und wenn es doch mal Probleme gibt, dann werden diese – das hebt Susanne Lansing hervor – sofort besprochen und aus dem Weg geräumt.

Das hört auch Martin Kock sehr gerne. Er ist Teil des dreiköpfigen Leitungsteams der Grenzland Reha- und Betreuungs GmbH und weiß, dass er im harten Wettbewerb mit anderen Wäschereien vor allem durch Service überzeugt. „Gerade in unserem umkämpften Geschäft kommt es sehr darauf an, kundenspezifische Leistungen zu bieten und wirklich perfekt zu arbeiten. Die Bettwäsche aus Krankenhäusern zum Beispiel muss hygienisch absolut einwandfrei gereinigt werden. Dafür haben wir alle erforderlichen Hygienezertifikate, etwa vom Institut Hohenstein, und seit 2016 darüber hinaus auch ein Nachhaltigkeitszertifikat“, erklärt der Betriebsleiter, während er durch das rege Treiben in der großen Haupthalle seiner Wäscherei geht. Aus vielen Ecken wummert das Geräusch von Industriewaschmaschinen, Dampfwolken dringen aus großen Bügelhilfen empor, Bettwäsche und Tischdecken werden von Mitarbeiterinnen durch große Mangeln geführt, um sie zu glätten. Wenn Kleidung beispielsweise der Bewohner von Senioreneinrichtungen gereinigt werden muss, wird vorher jedes einzelne Wäschestück eingescannt und bekommt ein Etikett verpasst, damit später keine Verwechslungen passieren. Viele Kunden bevorzugen den Komplettservice, bei dem die Wäsche sogar für jeden Bewohner einzeln verpackt wird.

Herausforderungen und Unterstützung

„Eine Wäscherei ist wirklich ein trubeliges Geschäft, weil der Qualitäts- und Termindruck durchaus manchmal sehr hoch ist. Das federn wir aber ab, zum Beispiel mit der sozialpädagogischen Betreuung unserer Mitarbeiter“, sagt Kock. Die Wäscherei hat zwar mehr Personal als andere Unternehmen, aber manche der Kolleginnen und Kollegen hier sind wegen ihrer Behinderung nicht so belastbar. Einen Teilausgleich hierfür schafft der LWL, indem er dabei hilft, dass Unternehmen wie Grenzland zum Beispiel mit dem so genannten Minderleistungsausgleich unterstützt werden. Das LVR-Inklusionsamt zahlt den Firmen außerdem Investitionskostenzuschüsse, wenn neue Mitarbeiter mit Schwerbehinderungen eingestellt werden. Und auch die Stiftung Wohlfahrtspflege und die Aktion Mensch fördern mit eigenen Programmen Integrationsunternehmen, wobei hier immer auch im Vordergrund steht, neue Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung zu schaffen.

Der Aufwand, den die Grenzland-Wäscherei für ihre Kunden betreibt, ist vergleichsweise groß. Für Martin Kock ist das manchmal ein Balanceakt: „Unsere Kunden treten mit sehr verschiedenen Bedürfnissen an uns heran. Wir waschen nicht nur für die Bewohnerinnen und Bewohner von Altenhilfeeinrichtungen und von Wohnheimen für Menschen mit Behinderungen, sondern auch für Hotels und Krankenhäuser, für Handwerker, Arztpraxen, Rettungs- und Feuerwachen und auch für gewerbliche Großbetriebe“, zählt er auf. „Die müssen jeweils genau die hochwertige Leistung von uns bekommen, die sie auch eingekauft haben. Und gleichzeitig haben wir noch ein klares zweites Ziel im Blick: Wir wollen Menschen mit Behinderungen für den allgemeinen Arbeitsmarkt qualifizieren. Das zusammenzubringen, ist oft eine große Herausforderung, die wir aber sehr gerne und immer wieder annehmen.“




Ein Tag rund um die Inklusion im Beruf

Wo würden eigentlich Schülerinnen und Schüler, die eine Behinderung haben, nach ihrem Abschluss gerne arbeiten, und wie wünschen sie sich die künftige Arbeitswelt? Was genau ist „Social Franchising“ und was hat es mit Inklusion zu tun? Wie können Unternehmer in ihrer Firma eine Integrationsabteilung gründen und welche Fördermöglichkeiten gibt es dafür? Wie wird aus einer Geschäftsidee für ein neues Integrationsunternehmen oder eine Integrationsabteilung ein tragfähiges Geschäftsmodell? Was muss bei der Führung von Mitarbeitern beachtet werden? Und wenn ein Unternehmen mal größere Probleme am Markt hat: Wie kann Sanierungsmanagement dabei helfen, eine Krise abzuwenden und so Arbeitsplätze zu erhalten?

Auf all diese und noch mehr Fragen wird es am 1. März bei der LWL-Messe der Integrationsunternehmen Antworten geben. Die Veranstaltung findet im Messe- und Congresszentrum in der Halle Münsterland statt und ist für alle Besucher offen und kostenlos – genauso wie die insgesamt 26 Workshops, Seminare und Vorträge, die ihr an diesem Tag zwischen 9 und 16 Uhr auf der Messebühne und in drei Seminarräumen besuchen könnt. Die Veranstaltungen werden von verschiedenen Experten aus dem Themenfeld moderiert und gestaltet. Ihr könnt euch außerdem an den vielen Ständen der Integrationsunternehmen und der anderen Aussteller in der Halle informieren, euch an Mitmachaktionen beteiligen oder das kulinarische Angebot der gastronomischen Integrationsunternehmen genießen.

Die Messe bietet für alle Interessierten auch eine tolle Gelegenheit, sich mit Verantwortlichen aus Unternehmen und anderen Organisationen zu unterhalten und auszutauschen, die zur Messe kommen. Darunter sind zum Beispiel auch die Aktion Mensch e. V., das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRW, die Jobberatung der Industrie- und Handelskammer Nordwestfalen (IHK) und der Handwerkskammer Münster (HWK), das Jobcenter und die Wirtschaftsförderung der Stadt Münster und die Agentur für Arbeit Ahlen-Münster.

Übrigens: Wer einen Gebärdensprach- oder Schriftdolmetscher bei den Workshops auf der LWL-Messe braucht: Jede Veranstaltung wird übersetzt! Außerdem ist die Messe ebenerdig und barrierefrei zugänglich. –


Eindrücke der letzten LWL-Messe im Jahr 2014

Fotos: Thorsten Arendt




Vom belegten Brötchen bis zur Autowäsche

Langeweile kennt Alexander Schneider in seinem Job im Hahme Frische Markt nicht. „Ich bekomme immer wieder neue Aufgaben. Das ist interessant und die Zeit geht schnell vorbei“, sagt der 47-Jährige mit fröhlicher Stimme. Meist hat er an der Waschanlage zu tun, die an den kleinen Supermarkt im Stemweder Ortsteil Haldem angeschlossen ist. Dort reinigt er die Wagen der Kunden und hält die Arbeitsgeräte in Schuss. Zwischendurch hilft er im Laden mit, sortiert Waren in die Regale ein oder wischt den Boden.
Bevor er im Mai 2015 die Stelle im Frische Markt bekam, jobbte er in verschiedenen Berufen, unter anderem in der Metallbranche. Einen neuen Arbeitsplatz zu finden, war für den Osnabrücker nicht einfach, denn er humpelt mit dem rechten Fuß und muss zwischendurch immer wieder Pausen einlegen.

In seinem neuen Job ist das kein Problem. 22 der insgesamt 48 Mitarbeiter haben eine Beeinträchtigung. Die Marktleiterin Olga Bartel hat bei jedem einzelnen im Blick, was er leisten kann. „Manche Kollegen können trotz einer Sehschwäche auch an der Kasse arbeiten. Bei anderen klappt das nicht“, erklärt die 36-Jährige: „Die helfen dann beim Räumen oder schmieren Brötchen.“

Das Ziel: Jobs auf dem ersten Arbeitsmarkt

Der Supermarkt ist Teil des Integrationsunternehmens Servicehaus Stemwede gGmbH, dessen Mitarbeiter mit und ohne Behinderung den Kunden neben dem Service im Laden auch Malerarbeiten, Hauswirtschafts- und Hausmeisterservice sowie Gartenpflege anbieten. Geschäftsführer Lothar Pannen und der Verein Lebensperspektiven e. V. haben das Servicehaus Anfang 2008 gegründet. Das Ziel war vor allem, Beschäftigungsmöglichkeiten für die Bewohner des Stemweder Heilpädagogischen Kinderhauses auf dem ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. In dieser Einrichtung betreuen Lothar Pannen und seine Mitarbeiter bis zu 140 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene; die meisten von ihnen haben psychische, geistige oder körperliche Behinderungen.
„Die Frage damals war: Wie können wir es schaffen, den jungen Menschen mit all ihren Problemen, aber auch Ressourcen eine Perspektive zu ermöglichen?“, beschreibt Pannen die große Aufgabe. „Wir können sie ja schlecht ohne Aussicht auf einen Arbeitsplatz zurück in ihre Heimatstädte ziehen lassen.“

Zwei Mitarbeiter reinigen die Scheiben und Felgen eines Autos vor
Zwei Mitarbeiter reinigen die Scheiben und Felgen eines Autos vor. Foto: Thorsten Arendt

Das Servicehaus ist nicht nur für die Mitarbeiter eine tolle Sache. Wer in dem vergleichsweise strukturschwachen Haldem wohnt, kann jetzt wieder vor Ort einkaufen. Der Supermarkt hat zum Beispiel Obst und Gemüse, Käse und Wurst, Nudeln, Tiefkühlpizza und Hygieneartikel vorrätig. Wegen der angeschlossenen Tankstelle hat dieser Teil des Unternehmens auch abends und sogar sonntags geöffnet. Das schätzen die Kunden besonders. „Gerade am Wochenende ist hier viel los“, sagt Olga Bartel. „Wenn alle anderen Geschäfte geschlossen sind, gibt es bei uns frische Brötchen und Grillfleisch.“

Immer mehr Kunden

Die Marktleiterin war von Anfang an dabei, sie hat den Supermarkt 2008 mit aufgebaut. „An unser Konzept mussten sich die Kunden anfangs noch gewöhnen“, sagt sie. Diese sollten zwar eigentlich so wenig wie möglich davon merken, dass sie in einem Integrationsbetrieb einkaufen. „Aber manchmal geht es eben an der Kasse doch etwas langsamer, wenn dort zum Beispiel ein Kollege mit Sehschwäche eingesetzt ist und viele Einkäufer da sind.“ Um solche Spitzen abzufangen, springt die Chefin auch mal selbst an der zweiten Kasse ein.

Wenn trotzdem einmal Kunden unzufrieden sind, spricht Olga Bartel sie direkt an und erklärt, warum es gerade länger dauert. Damit hat sie Erfolg. „Bisher ist es uns gelungen, jeden unserer Kunden zu halten. Es kommen sogar immer mehr. Auch nach fast neun Jahren steigern wir uns noch.“




Nur, wer alles versteht, kann überall mitmachen

Leichte Sprache ist weit mehr als nur eine Art, sich besonders einfach auszudrücken. Sie ist eine „Variation“ des Deutschen, die eigenen, strengen Regeln folgt. Die Idee dieses Konzeptes: Einen Text in Leichter Sprache soll jeder verstehen können, zum Beispiel auch Menschen mit geistigen oder Lernbehinderungen oder Menschen, die kaum Deutsch sprechen.

Es braucht viel Wissen und Übung, um auf diese Weise schreiben zu können und auch, um aus der Alltagssprache in die Leichte Sprache zu übersetzen. Außerdem müssen alle Texte immer sorgfältig geprüft werden, bevor sie veröffentlicht werden. Es gibt daher ganze Redaktionsbüros, die sich auf diese Arbeit spezialisiert haben, und eines davon stellen wir in diesem Film vor: Das Lebenshilfe Büro für Leichte Sprache Ruhrgebiet, das zugleich ein noch junges Inklusionsunternehmen ist.*



* Die Lebenshilfe musste den Inklusionsbetrieb “Büro für Leichte Sprache Ruhrgebiet” inzwischen leider schließen. Hier erklärt sie, warum.




Viele Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung

Am 1. März findet in Münster eine Veranstaltung statt, die in Deutschland einzigartig ist: Die LWL-Messe der Integrationsunternehmen. Diese Art von Unternehmen ist etwas Besonderes, weil 25 bis 50 Prozent der Menschen, die dort arbeiten, eine Behinderung haben – gesetzlich vorgeschrieben sind für alle Firmen in Deutschland, die mehr als 20 Mitarbeiter haben, mindestens fünf Prozent. Integrationsunternehmen bieten also viele feste Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, müssen sich zugleich aber ebenso in der freien Wirtschaft behaupten wie andere Betriebe auch.

In der Region Westfalen, in der die Messe stattfinden wird, gibt es mittlerweile rund 160 solcher Firmen – in ganz Deutschland sind es 850. Ein großer Teil der westfälisch-lippischen Integrationsunternehmen stellt sich auf der Messe im März vor und drumherum wird es Aktionen, Seminare und Workshops geben. Sie sind für alle Besucher interessant, aber vor allem für junge Menschen mit Behinderung, die kurz vor dem Schulabschluss stehen, und für Gründerinnen und Gründer neuer Integrationsunternehmen oder -abteilungen.

Auf der Messe wird außerdem eine Wanderausstellung zu sehen sein, die Menschen mit Behinderung bei ihrer Arbeit in Integrationsunternehmen zeigt. Die Ausstellung war im Januar schon in Berlin in der NRW-Landesvertretung zu sehen und zieht im März weiter zur Messe. Bei einem großen „Get-Together“ rund um das Event tauschten sich Gründer und Geschäftsführerinnen von Integrationsunternehmen mit Verantwortlichen aus der Bundes- und Landespolitik aus. Zum Beispiel waren dabei: Fritz Baur, der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsfirmen, Thomas Tenambergen vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, der LWL-Direktor Matthias Löb, der NRW-Landtagsabgeordnete Günter Garbrecht und Roland Matzdorf vom Landesministerium NRW für Arbeit, Integration und Soziales.

Bei der Veranstaltung lobte Verena Bentele, die Bundesbeauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderung, die Integrationsunternehmen als „eine wunderbare Möglichkeit, das Arbeitsleben kennenzulernen, sich selbst kennenzulernen, andere Menschen kennenzulernen, Erfolge zu feiern und neue Situationen zu meistern.“ Der LWL-Chef Matthias Löb ergänzte, dass die Zahl dieser Unternehmen in Westfalen-Lippe seit dem Jahr 2008 von 57 auf 158 gestiegen ist. Er sagte außerdem, dass „sich die Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung, die auf diese Weise neu entstanden sind, im gleichen Zeitraum auf 2000 verdreifacht“ haben: „Damit liegen wir im bundesweiten Vergleich an der Spitze.“ In ganz Deutschland sind zusammengenommen etwa 10.000 solcher neuen Arbeitsplätze entstanden. –