Barrierefreie Veranstaltungen planen

Die Räumlichkeiten sind gebucht, das Programm steht, die Catering-Firma weiß Bescheid. Das Event kann kommen oder? Noch nicht ganz. Was vielen Veranstaltern oft “durchrutscht”, ist das Thema Barrierefreiheit. Denn ob ein Event wirklich für alle Gäste zugänglich ist, hängt sowohl vom Veranstaltungsort ab als auch vom Programm und von der Kommunikation vor und während des Ereignisses  technisch wie inhaltlich. Diese Aspekte sollten am besten frühzeitig bedacht werden und direkt in die Planungen einfließen.

Was dabei wichtig ist und welche interessanten Möglichkeiten es gibt, Veranstaltungen bewusst barrierefrei zu gestalten, ist das Thema des Portals Ramp-up.me. Die Seite ist als Initiative des Vereins Sozialhelden e. V. entstanden und gibt viele Tipps und Hinweise rund um barrierefreie Planung von Events. Der Wunsch und das Ziel der Initiatoren ist es, eine vielfältigere und buntere Veranstaltungskultur schaffen, in der alle Menschen gleichberechtigt agieren und teilnehmen können und mit ihren Beiträgen gehört werden.




Arbeiten auf dem Bauernhof

Christian Hofmann überquert eine Weide, auf der schwarzgescheckte Milchkühe grasen, und stapft weiter zum Hühnergehege. Er schaltet den Elektrozaun ab, der Legehennen und Rinder voneinander trennt, und steigt darüber. „Na, ihr Süßen“, sagt er zu den braunen Hennen, die ihn erwartungsvoll gackernd umringen.

Hofmann klappt den Deckel der Futtertonne auf und streut Getreide auf die Wiese. Während die Vögel die Körner aufpicken, sammelt der Landwirtschaftshelfer die frisch gelegten Eier ein. „Die bringe ich gleich in die Scheune“, erklärt er. „Dort verpacke ich sie nach Größen sortiert für unseren Hofladen.“

Von zufrieden gackernden Hühnern und besonderen Kartoffelsorten

Seit Anfang 2014 arbeitet der heute 31-Jährige auf dem Hofgut Schloss Hamborn. Das Inklusionsunternehmen im ostwestfälischen Borchen beschäftigt in Landwirtschaft, Bäckerei, Käserei, Fleischerei und der Vermarktung 62 Männer und Frauen, 20 von ihnen haben, wie Christian Hofmann, eine Behinderung. Für ihn ging damit ein Traum in Erfüllung, denn für den jungen Mann stand schon lange fest, dass er einmal auf einem Bauernhof arbeiten wollte: „Nach der Schule habe ich fünf Jahre lang auf einem Biolandhof mitgeholfen und dann eine Ausbildung auf einem Demeterhof gemacht. Das ist genau das Richtige für mich.“

Seine größte Leidenschaft ist der Ackerbau. „Ich mag den Kontakt zur Erde und den Pflanzen“, sagt Hofmann. „Am liebsten habe ich Kartoffeln. Ich habe sogar schon Sorten mit ausgesucht, die festkochende Allians zum Beispiel und Gunda, eine mehligkochende Sorte.“ Weil er so in seiner Arbeit aufgeht, lebt der Geselle auch auf dem Hofgut und teilt sich mit ein paar Kollegen das dafür vorgesehene Wohnhaus. „Das ist bei uns nur ein Angebot, keine Pflicht“, sagt Gerd Bögeholz, Geschäftsführer der Hofgut-gGmbH, die seit 2013 als Inklusionsunternehmen geführt wird. „Die meisten unserer Mitarbeiter wohnen außerhalb.“

Das Hofgut ist Teil eines anthroposophischen Konzepts

Das Hofgut selbst gibt es schon seit dem Jahr 1931, es ist der älteste Demeterhof in Nordrhein-Westfalen. „Eines unserer Ziele ist es, hier einen in sich geschlossenen Nährstoffkreislauf zu betreiben“, erläutert Bögeholz das Konzept des Hofs. „Dazu gehört zum Beispiel, dass unsere Mastschweine aussortierte Kartoffeln, aber auch Getreide und Kraftfutter aus eigenem Anbau fressen. Außerdem bekommen sie die Molke, die in unserer Käserei abfällt.“ Das Demeter-Prinzip geht auf eine Weltanschauung zurück, die Rudolf Steiner begründete und die sich „Anthroposophie“ nennt.

Das Hofgut ist Teil einer ganzen Anlage in Borchen, in deren Einrichtungen dieses Konzept verfolgt wird: Auf dem Gelände des Anthroposophischen Zentrums Schloss Hamborn gibt es neben dem Bauernhof noch eine Reha-Klinik, ein Altenwohnheim, einen Waldorfkindergarten, einen stationären Jugendhilfebereich mit Berufsförderung und eine Waldorfschule mit Förderschulbereich. Ein Inklusionsbetrieb wie das Hofgut passt gut ins Konzept, findet Gerd Bögeholz: „Wir wollten eine berufliche Perspektive für die Schüler aus unserem Jugendbereich und auch anderer Förderschulen schaffen.“
Die Produkte wie Käse, Gemüse, Brot und Fleisch landen in den Küchen von Reha-Klinik und Kindergarten. „Wir verkaufen unsere Produkte auch in Paderborn auf dem Markt oder in unserem Online-Shop ‚Biomanufaktur‘“, erklärt der Inhaber Gerd Bögeholz. „Dort können die Kunden einzelne oder Abo-Bestellungen aufgeben, und wir beliefern über den Shop auch Bio-Supermärkte.“

Den mit Abstand größten Anteil am Verkauf hat aber der Hofladen ‚Natura‘, der unmittelbar neben Reha-Klinik und Schule liegt. Hier gibt es die Produkte des Hofgutes an der Fleisch-, Wurst- und Brötchentheke, aber auch in den Obst-, Gemüse- und Käseregalen zu kaufen. Kosmetikartikel, Tee, Kaffee und Bio-Weine ergänzen das Angebot, so dass die Kunden ihren kompletten Einkauf im Hofladen erledigen können.

Mercedes Hermann steht hier regelmäßig hinter der Ladentheke. Sie kennt das Geschäft noch aus der Zeit, als sie die Förderschule von Schloss Hamborn besuchte. „Ich habe hier als Schülerin ein längeres Praktikum gemacht“, sagt die 24-Jährige. Nach ihrer Schulzeit bekam sie eine Ausbildungsstelle, die auf ihre Behinderung angepasst war, und wurde anschließend übernommen. „Der Laden ist viel angenehmer als große Supermärkte“, findet die Verkaufshelferin. „Auch die Kunden sind viel offener und wollen mehr Beratung. So kommen wir viel mit ihnen in Kontakt, das ist schön.“

Vor zwei Jahren wurde das Geschäft umgebaut und modernisiert, die Verkäufe stiegen dadurch an. „Wir konnten den Umsatz durch diese Maßnahmen verdoppeln“, berichtet Gerd Bögeholz. 250 bis 300 Kunden kommen heute täglich in den Hofladen, neben den Bewohnern von Schloss Hamborn sind darunter auch viele Eltern. „Sie kaufen hier ein, wenn sie ihre Kinder zur Schule oder in den Kindergarten bringen“, erklärt der 47-Jährige. „Aber es gibt ebenso Kunden, die extra wegen des Ladens zu uns rausfahren, weil sie sich gesund ernähren und regional einkaufen wollen.“




Alle sind anders

“Anderssein ist keine Hürde, sondern eine große Chance”, könnte der Grundsatz einer Initiative lauten, die sich in Deutschland für eine bessere Unternehmenskultur engagiert: Die Charta der Vielfalt hat sich zum Ziel gesetzt, dafür zu sorgen, dass in Zukunft das Potenzial aller Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft, Behinderung oder sexueller Orientierung angemessen wertgeschätzt, gefördert und genutzt wird.

“Diversity Management” heißt dieses Prinzip in der Fachwelt und in den Personalabteilungen von Unternehmen. Die Idee dahinter: Wenn alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einer Firma oder Organisation sich gegenseitig schätzen, untereinander gerne Erfahrungen austauschen und ihr Fachwissen ungehindert weitertragen können, fördert das die Kreativität eines Teams – und das wirkt sich wiederum positiv auf die Innovationskraft des Unternehmens aus. Vielfalt beim Personal lohnt sich für Firmen demnach nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht, es steigert auch deren Anpassungsfähigkeit an neue Entwicklungen auf den Märkten in Deutschland und der Welt.




Fehlerquote: Null Prozent

Büroklammern, Heftklammern und gelbe Klebezettel. Diese drei unscheinbaren kleinen Helferlein für das Ordnen von Unterlagen sind in den meisten Büros rund um den Globus wie selbstverständlich zuhause und im Einsatz. Taucht aber auch nur eines dieser drei Dinge vor Rafa Lawahs Augen auf, gibt es gleich etwas zu tun – nicht nur für die 25-jährige Bocholterin mit dem Lockenkopf, sondern auch für ihre Kollegen in der DMS Abteilung. Rafa Lawahs Aufgabe ist es, für Unternehmen und Behörden Akten einzuscannen. Scanner mögen aber keine Büro- und Heftklammern, wie sie zuhauf in solchen Unterlagen vorhanden sind.

Berge von Zeichnungen, alte Rechnungen, Bestellungen, Angebote, Auftragsbestätigungen und so ungefähr alles andere, was auf Papier gedruckt werden kann, bewahrt Rafa Lawah so mit Maschinenhilfe und viel Geduld davor, in Vergessenheit zu geraten. Durch das Einscannen werden die Inhalte maschinenlesbar und digital verfügbar – wie demnächst auch die Bauakten der Stadt Bocholt.

Hinter der Abkürzung „DMS“ verbirgt sich der Begriff „Dokumenten-Management-System“. Die Integrationsabteilung der Personal- und Service-Agentur Bocholt Borken, die vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe unterstützt wird, beschäftigt elf Menschen mit Behinderung. Eine von ihnen ist Rafa Lawah, sie kann nicht laufen. „Das war schon immer so“, erzählt die gelernte Bürogehilfin. „Ich kenne es nicht anders.“ Sie lacht und zieht fast entschuldigend die Schultern hoch. „Ich bin mit dem Rolli aufgewachsen. Man geht damit um, für mich ist das normal.“

Ein eingespieltes Team

Zusammen mit ihren zehn Kollegen zerlegt sie in ihrem täglichen Job die vorliegenden Akten zuerst in ihre Einzelteile, Seite für Seite, säuberlich sortiert. Rafa Lawah erledigt das an gleich zwei Arbeitsplätzen: Einer bei der DMS im Gewerbegebiet, einer im Bocholter Rathaus. Dort sichtet sie mit vier anderen die Akten des städtischen Bauamts und bereitet sie zum Scannen vor. „Mein Job macht mir viel Spaß,“ sagt sie.

Auch mit ihrem Abteilungsleiter Dirk Fitscher ist Rafa Lawah gut eingespielt, der in der DMS-Abteilung die Arbeit des Teams am Ende noch einmal prüft. Seite für Seite schauen Rafa Lawah und die anderen DMS’ler die Scans an und vergleichen sie mit dem Original. Wenn alles richtig eingelesen ist, bauen sie die Akte wieder zusammen und kleben auch die Post-its genau dorthin zurück, wo sie vor dem Scan pappten. Die nun digitalisierten Inhalte werden auf eine CD, DVD oder Blu-ray gebrannt und gehen zusammen mit der Original-Akte an den Auftraggeber zurück. Abläufe, die einwandfrei funktionieren: „Die Fehlerquote liegt bei null Prozent“, sagt Dirk Fitscher.

Rafa Lawah sortiert an ihrem Schreibtisch Unterlagen
Seite für Seite werden Akten und Unterlagen von der gelernten Bürogehilfin Rafa Lawah fürs Scannen vorbereitet. Foto: LWL/Arendt

Fünf Tage die Woche arbeitet die Bocholterin insgesamt, mit Pausen sind es unter dem Strich knapp fünfeinhalb Stunden pro Tag. Mehr schafft sie wegen ihrer Behinderung nicht, erzählt sie. Sie freut sich sehr über ihre Arbeit. Erst recht, weil es nicht einfach war, mit ihrer Behinderung einen passenden Job zu finden. Im ersten Jahr nach dem Ende ihrer dreijährigen Lehre im Berufsbildungswerk im westmünsterländischen Maria Veen hat sie das besonders deutlich gemerkt. Damals war sie offiziell „arbeitssuchend“ gemeldet, wohnte bei den Eltern, fand aber lange einfach keine Stelle. Sie wusste nicht, wie es in ihrem Leben weitergehen sollte. Bis der Bocholter Integrationsfachdienst anrief und fragte, „ob ich Interesse hätte, bei der EWIBO GmbH anzufangen.“ Natürlich hatte sie das, sofort.

Auch, wenn sie sich in die Welt der Scanner erst noch einarbeiten musste. Alles begann mit einem Praktikum, damit sie langsam in den Job finden konnte. Danach wurde sie fest übernommen und hat heute sogar einen Schlüssel für den von der Außenwelt hermetisch abgeschotteten Bereich der Datenverarbeitung.

Selbstständiges Leben in der eigenen Wohnung

„Ich kenne mich mit Bürotätigkeiten ziemlich gut aus“, sagt sie heute selbstbewusst. Das zeigen auch die drei Jahre Arbeitserfahrung deutlich, die sie inzwischen hat. „Ich habe jetzt endlich einen festen Job“, sagt Rafa Lawah. Und der ist sehr kostbar für sie: „Ich kann jeden Morgen aufstehen und was Sinnvolles machen.“

Die 25-Jährige führt heute ein selbstständiges, ihr eigenes, Leben. Sie fährt auch selbst mit dem Auto zur Arbeit. Jeden Dienstag trainiert sie ihr Englisch an der Volkshochschule, „Level three“. Was der Job bei DMS ebenfalls möglich gemacht hat: Sie kann endlich allein leben, in einer auf ihre Behinderung zugeschnittenen Wohnung. Eine Rampe vor der Tür und genug Platz in den Zimmern zum Rangieren mit dem Rollstuhl machen ihr Zuhause barrierefrei. Nur einmal in der Woche kommt eine Helferin für drei Stunden vorbei. „Den Rest mache ich selbst“, sagt sie.




Engagierten Nachwuchs fördern

Deutschland altert: Die Anzahl der über 60-Jährigen steigt stetig, junge Menschen hingegen gibt es vergleichsweise wenige. Diese Entwicklung, der so genannte demografische Wandel, wird für viele Berufe und Branchen früher oder später zum Problem werden. Das gilt auch für die Pflege, auf die immer mehr ältere Menschen angewiesen sind – doch der Nachwuchs für die entsprechenden Berufe fehlt schon heute.

In Hessen soll dem Fachkräftemangel jetzt mit einem neuen Ausbildungsgang entgegengewirkt werden. Das Konzept dahinter ist zugleich ein gutes Beispiel dafür, wie Inklusion im Arbeitsleben umgesetzt werden kann: Das Projekt richtet sich gezielt an Menschen mit Lernbehinderungen, mit Autismus oder auch mit psychischen Erkrankungen, die oft einen zu niedrigen Schulabschluss haben, um einen Pflegeberuf ergreifen zu können. Sie können sich seit diesem Jahr über das Berufsbildungswerk Südhessen zur Fachpraktikerin oder zum Fachpraktiker in Hauswirtschaft mit der Zusatzqualifikation Altenpflegehelferin bzw. -helfer ausbilden lassen – und zwar auch ohne Abitur.




Service und Qualität müssen stimmen

In der Kantine des Musiktheaters Gelsenkirchen arbeiten elf Menschen, fünf von ihnen haben eine Behinderung. Gemeinsam haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der AWO Service GmbH einen Treffpunkt für die Gäste geschaffen, der immer beliebter wird.


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Von der Werkstatt hinters Lehrerpult

Horst-Alexander Finke unterrichtet angehende Lehrer:innen und Sozialarbeiter:innen im Rahmen des Projektes „Inklusive Bildung“ und bringt ihnen bei, im späteren Beruf das gemeinsame Lernen und Leben von Menschen mit und ohne Behinderung besser zu managen. Ins Leben gerufen wurde das Projekt von der Kieler Stiftung „Drachensee“. Die Süddeutsche Zeitung hat sich das Projekt genauer angeschaut und eine Reportage dazu veröffentlicht.




Fit für die Zukunft

Die vier Reihen Menschen auf dem Foto wirken wie eine Wand. Alle tragen ein in grün eingesticktes »Lüttmann « auf ihrer schwarzen Dienstkleidung. Es ist das offizielle Bild der »Lüttmann Garten- und Landschaftsgestaltung« in Recke zum 25-jährigen Bestehen im Jahr 2013. Die meisten darauf lächeln, schauen nach vorne, wirken selbstsicher und stolz. Auf dem Foto spiegelt sich der Geist des Unternehmens, das Werner Lüttmann 1988 gegründet hat. Beschäftigt sind hier derzeit 55 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Alle hat Lüttmann selbst eingestellt. „Wir brauchen Leute, die zu uns passen“, sagt er und zeigt auf das Foto, das groß gerahmt im Besprechungsraum hängt.

Ein Mann in Arbeitskleidung ebnet mit einer Rüttelmaschine den Erdboden, der später gepflastert werden soll
Mergim Noshajs Stärke ist das Pflastern, für das er hier den Untergrund vorbereitet. Stift, Block und SMS gleichen im Arbeitsalltag aus, dass er nur schlecht hören und sprechen kann. Foto: LWL/Arendt

Einer dieser Leute ist Mergim Noshaj. Er hat seine Ausbildung bei Lüttmann gemacht. Noshaj hat eine Schwerhörigkeit geerbt, erzählt Werner Lüttmann, deshalb könne er sich kaum verbal ausdrücken. Seine besonderen Fähigkeiten liegen im Pflasterbereich, sagt sein Chef über ihn. Wo Hände und Füße nicht mehr reichen, ersetzen das gesprochene Wort unter Kollegen Zettel und Stift, manchmal sogar die SMS auf dem Handy. Er sei einer, der mit anpackt, sagt Lüttmann, der das Unternehmen mit seiner Frau Ruth aufgebaut hat. Er hat deshalb auch überhaupt nicht den Eindruck, dass „der Mergim“ in den Arbeitsteams nicht mithalten kann.

Viele positive Erfahrungen

Der Unternehmer ist gelernter Blumen- und Zierpflanzengärtner und hat einen Doppelmeister im Garten- und Landschafts- sowie Straßenbau. Lüttmann hat einen früheren Kreisbauhof zur Zentrale seines Unternehmens gemacht. Die Firma läuft: „Die Auftragslage ist gut“, sagt er. Neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Schwerbehinderung arbeiten im Unternehmen und bilden die Inklusionsabteilung, die Werner Lüttmann im Jahr 2008 gründete. Er wendet sich zum Foto und fragt ganz direkt: „Können Sie auf dem Foto unterscheiden, wer eine Behinderung hat und wer nicht? Das ist ein Team hier.“ Er habe so viele „positive Erfahrungen“ mit den Kollegen und Kolleginnen gemacht, dass er die Entscheidung in keiner Weise anzweifele.

Lüttmann und sein Techniker und Meister Guido Ostendorf wissen, wer welches Handicap hat. Aber das ist längst nicht allen anderen in der Firma bekannt. „Jeder muss selbst entscheiden, ob er es den Kollegen und Kolleginnen erzählen will“, sagt Lüttmann. Ostendorf ist für die Logistik in der Firma zuständig und hat sich vom LWL für die psychosoziale Betreuung schulen lassen. Und wenn er morgens die Teams zusammenstellt, achtet er auf Ausgewogenheit: Wo eine Behinderung die Arbeit einschränkt, setzt er Kolleginnen und Kollegen unterstützend ein.

Fachkräfte werden rar

Der Weg in die Firma führt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderungen über ein Praktikum. Wer dieses erfolgreich absolviert, bekommt ein Job-Angebot. „Teamfähig müssen alle unsere Leute sein, das ist wichtig.“ Für Werner Lüttmann ist der Einsatz von Menschen mit Behinderungen eine wirtschaftliche Entscheidung, die sich langfristig trage. Weil sie seltener den Arbeitsplatz wechselten und sich sehr für ihre Arbeit engagierten und die Branche lange Erfahrung mit der Beschäftigung von älteren Menschen und Menschen mit Behinderung habe.

Gartenbau-Unternehmer Werner Lüttmann in einem Garten, hinter ihm steht ein Bagger
Gartenbau-Unternehmer Werner Lüttmann setzt auf die Stärken seiner Mitarbeiter. Foto: LWL/Arendt

Als dritten Grund führt der Firmenchef den sich anbahnenden Fachkräftemangel an. Zwar bildet Lüttmann regelmäßig junge Menschen aus. Ob sich aber auch in Zukunft genügend Fachleute finden werden, ist nicht sicher.

Dass eine mögliche Behinderung für jeden Beschäftigten aktuell werden kann, hat Vorarbeiter Martin Smits am eigenen Leib erfahren. Der 48-Jährige schlägt sich seit kurzem mit einer dauerhaften körperlichen Einschränkung am Bein herum. Deswegen brauche Smits wohl bald einen angepassten Arbeitsplatz, so Lüttmann. Die enge Zusammenarbeit mit dem LWL-Inklusionsamt Arbeit helfe dem Unternehmen dabei, den Kollegen weiter beschäftigen zu können. Zum Beispiel mit Zuschüssen, um speziell auf die Behinderung zugeschnittene Geräte anschaffen zu können, oder mit dem Ausgleich für Minderleistung. „Wichtig ist, dass der sozialversicherungspflichtige Arbeitsplatz erhalten bleibt.“

Inklusion nach außen tragen

Werner Lüttmann trägt sein unternehmerisches Engagement für Menschen mit Behinderungen, wie er sagt, „bewusst nach außen“. Der 58-Jährige setzt sich in der Unternehmerschaft des Tecklenburger Landes dafür ein, dass sich das Wissen über Inklusion am Arbeitsplatz weiter verbreitet. Der Unternehmer nutzt jede Chance, damit die Gesellschaft toleranter im Umgang mit Menschen mit Behinderungen wird. Wie zum Beispiel beim Fest zum 25-jährigen Bestehen seines Betriebs, bei dem auch ein Mitarbeiter des LWL-Inklusionsamtes über die Erfolge der Inklusionsunternehmen sprach.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben ihrem Chef Werner Lüttmann viel zurück. Manchmal auch durch Engagement, das er so nicht erwartet hat. „Mergim Noshaj zum Beispiel hat mit Hilfe der Gehörlosenschule in Essen einen Kettensägen- Schein gemacht“, sagt Werner Lüttmann. „Vor so einer Leistung habe ich großen Respekt.“




Das Online-Magazin ROLLINGPLANET

Die Macher:innen beschreiben so gleich auf der Startseite sehr treffend, worum es bei ihrem nicht-kommerziellen Projekt geht: Besucher:innen lesen hier keine gewöhnlichen Nachrichten, sondern viele verschiedene Beiträge, die immer einen Fokus auf Ereignisse und Entwicklungen haben, die sich um ältere Menschen und solche mit Behinderung drehen oder für diese besonders relevant sind. Die inzwischen acht ehrenamtlichen Redakteur:innen beschreiben sich selbst und ihren Stil als „politisch nicht immer korrekt“ und haben zu vielen Themen eine Meinung (aber „ohne ideologisch zu sein“).

Eine weitere interessante Funktion des Portals soll helfen, für mehr Barrierefreiheit im öffentlichen Raum zu sorgen und Behindertenparkplätze für diejenigen freihalten, die sie brauchen: Unter der Rubrik „Parkplatzschweine“ können die Nutzer Fotos von Falschparkern einreichen, die offenkundig ohne entsprechenden Ausweis einen Behindertenparkplatz blockieren.