Impfen, füttern, ausmisten: Wie ein 19-Jähriger seinen Traumjob fand

Tobias Koddebusch steht im Stallgang zwischen zwei großen Sauenboxen. Er greift einen großen Schwung Heu aus einer Schubkarre und stopft das Futter in die Raufe der rechten Box. Unter dem Behälter drängeln sich schon einige Sauen, die ungeduldig die ersten Halme herausrupfen. „Die Schweine müssen sich schon etwas anstrengen, um das Heu aus den kleinen Löchern der Raufe zu ziehen“, erklärt der 19-Jährige. „Das ist für sie wie ein Spiel und deshalb eine gute Beschäftigung.“ Er versorgt auch die Sauen in der anderen Box mit Heu, dann geht er weiter in den nächsten Stallbereich, schnappt sich die Mistschaufel und macht sich daran, die Boxen der Mutterschweine und Ferkel auszumisten.

Seit gut zwei Jahren kümmert sich Tobias Koddebusch zusammen mit zwei Kollegen um die rund 550 Tiere, die auf dem Hof der Bertelsbeck GbR im münsterländischen Coesfeld leben. Mit der Arbeitsstelle hat sich der größte Traum des jungen Mannes erfüllt, der das Down-Syndrom hat. Er wollte schon als kleiner Junge später einmal Landwirt werden, denn seine Eltern führen selbst einen landwirtschaftlichen Betrieb im 40 Kilometer entfernten Lüdinghausen. Dem 19-Jährigen sind die Arbeiten rund um Hof und Tiere also schon lange vertraut.

Wegen seiner Behinderung war es für Tobias Koddebusch aber trotzdem nicht selbstverständlich, dass er seinen Traumberuf auch tatsächlich ergreifen konnte. Nachdem er die Hauptschule abgeschlossen hatte, stand er vor der Frage, ob er in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung arbeiten sollte oder ob er eine Stelle in einem Inklusionsbetrieb finden würde. „Ich bin dann hier gelandet“, sagt er strahlend. „Und hier bin ich sehr glücklich.“

Tobias Koddebusch mistet gerade in seiner Arbeitskleidung den Schweine-Stall aus.
Der junge Mann macht alle Aufgaben gerne, auch das Ausmisten des Stalls. Foto: LWL/Busch

Inklusion aus Überzeugung

Den Weg in diesen Beruf ebnete ihm zu einem großen Teil die Betriebsleiterin Silke Witte. Gemeinsam mit ihren Arbeitgebern Alois Homann und Bernhard Langehaneberg machte sie aus der Bertelsbeck GbR das inklusive Unternehmen, das sie heute ist – aus Überzeugung und Leidenschaft für das Konzept. „Mein Vater leitet in Münster auch einen inklusiven landwirtschaftlichen Betrieb, in dem ich sehr viele Erfahrungen sammeln konnte“, erzählt die 33-Jährige. „Die tolle Stimmung dort hat mich total begeistert. Das wollte ich auch machen.“
Nach ihrer Landwirtschaftslehre absolvierte Silke Witte eine Fortbildung zur staatlich geprüften Agrarbetriebswirtin, seit 2015 leitet sie den Hof in Coesfeld im Auftrag der Bertelsbeck GbR. Als im Jahr 2016 ein Kollege in den Ruhestand ging, wurde eine Stelle frei. Die Betriebsleiterin nutzte die Gelegenheit und wandte sich an Mechthild Schickhoff, die Inklusionsberaterin der Landwirtschaftskammer NRW. Sie stellte den Kontakt zu Tobias Koddebusch her, der zunächst ein Jahrespraktikum im Betrieb machte. Heute ist er als landwirtschaftlicher Helfer fest bei der Bertelsbeck GbR angestellt.

Enge Zusammenarbeit und Unterstützung

An vier Tagen pro Woche hilft der junge Mann im Stall mit. Eine seiner Hauptaufgaben ist es, die Ferkel zu versorgen. Drei Tage nach der Geburt impft er die Tiere gegen verschiedene Krankheiten, setzt ihnen Ohrmarken und kupiert die Schwänze. All das hat er in Coesfeld gelernt, denn auf dem Hof seiner Eltern werden keine Ferkel, sondern nur etwas ältere Jungsauen aufgezogen. „Am Anfang war das merkwürdig für mich, ich musste so viel Neues lernen und behalten“, erinnert er sich. Silke Witte und ihr Kollege Markus Schwaag begleiteten ihn während dieser Phase eng und unterstützen ihn auch heute noch bei seinen Aufgaben.

Als die Mittagspause vorbei ist, steht für Tobias Koddebusch die Ferkelfütterung auf dem Plan. Silke Witte hilft dabei, die richtigen Futtermengen abzumessen. „Wie viel Trockenfutter die Tiere bekommen, hängt von ihrem Alter ab“, sagt die Betriebsleiterin. „Tobias hat manchmal Schwierigkeiten, das genau auszurechnen.“ Es stört sie aber nicht, dass ihr Helfer ab und zu mehr Unterstützung braucht als andere Mitarbeiter. „Ich muss damit umgehen können, dass manches einfach etwas länger dauert oder öfter wiederholt werden muss“, sagt Silke Witte. „Aber das geht gut. Für uns und unser Team ist die Zusammenarbeit eine Bereicherung und wir haben dabei immer viel Spaß miteinander.“

Silke Witte und Tobias Koddebusch auf dem Hof
Tobias Koddebuschs Chefin Silke Witte hat sich damals dafür eingesetzt, einen Mitarbeiter mit Behinderung einzustellen. Foto: LWL/Busch

Lieblingsaufgabe: Stall waschen

Das Trockenfutter für alle Schweine-Altersgruppen steht bereit, Silke Witte verlässt den Stall wieder: den Rest kann Tobias Koddebusch allein. Er teilt den Ferkeln ihre Portionen zu und schaut sich nebenbei jedes Tier ganz genau an. Die Schweine könnten trotz der Impfungen krank werden. „Wenn ich bemerke, dass ein Tier Durchfall oder Husten hat, sage ich sofort den Kollegen Bescheid“, erklärt der junge Mann. „Sie versorgen es dann, damit es ihm schnell besser geht.“ Nach dem Füttern fegt er die Gänge in den Ställen und mistet noch einmal aus. Dann tauscht er seine Arbeitskleidung gegen einen wasserfesten Overall und Ohrenschützer. Er grinst dabei die ganze Zeit, denn jetzt kommt seine Lieblingsaufgabe: den Stall waschen. Wie jeden Mittwoch säubert er mit dem Hochdruckreiniger die Boxen, die nach dem Verkauf einiger Jungschweine freigeworden sind.

Schnell ist alles blitzsauber und bereit für die neuen Ferkel, die in den nächsten Tagen geboren werden. Tobias Koddebusch hängt seinen Overall zum Trocknen auf, zieht Jeans und Pullover an und holt sein E-Bike aus dem Büro. Eine Stunde wird er für den Heimweg brauchen. Insgesamt ist er jeden Tag zwei Stunden unterwegs: Morgens fährt er mit dem Rad vom Hof seiner Eltern zum Bahnhof in Lüdinghausen, von dort mit der Bahn nach Coesfeld und dann wieder mit dem Fahrrad zu seinem Arbeitsplatz, abends denselben Weg zurück. „Die Strecke macht mir aber gar nichts aus“, sagt er. „Ich freu mich schon auf morgen!“