Mobbing am Arbeitsplatz: Infos und Tipps für Betroffene vom Rechtsexperten Martin Wolmerath

Herr Wolmerath, als Jurist befassen Sie sich mit rechtlichen Fragen. Zählt das Thema Mobbing mit dazu?

Mobbing ist eine sehr perfide Strategie und ein menschenverachtendes Werkzeug, mit dem Konflikte am Arbeitsplatz „gelöst“ werden. Es ist also ein Phänomen, in dessen Folge viele rechtliche Aspekte zum Tragen kommen können – es handelt sich aber nicht um einen juristischen Begriff an sich (mehr Infos zu Mobbing und der Geschichte des Begriffs siehe unten, Anm. d. Red.). Trotzdem müssen sich Rechtsanwälte wie ich immer wieder damit befassen. Zum Beispiel, wenn eine von Mobbing betroffene Person herausfinden möchte, welche arbeitsrechtlichen Schritte sie oder er in solch einer Situation gehen kann und dabei Unterstützung braucht.

Damit sprechen Sie einen wunden Punkt an. Müssen Betroffene selbst nachweisen, dass sie Mobbing ausgesetzt sind?

Ja, für rechtliche Schritte kann das wichtig sein. Aber es gibt dafür eine gute Möglichkeit, die wir auch in unserem Mobbing-Ratgeber aufzeigen: Betroffene können ein „Mobbingtagebuch“ führen. Damit sind zwei Vorteile verbunden. Durch das Niederschreiben des Erlebten kann die Person ihre Situation reflektieren und zum Teil aufarbeiten, je nach Bedarf auch mit der Unterstützung einer Therapeutin oder eines Therapeuten, weil das ja sehr belastende Erlebnisse sind. Zugleich entsteht auf diese Weise eine Sammlung des Erlebten, also aller Ereignisse, Verletzungen und ungerechten Handlungen seitens der mobbenden Personen. Auf diese Sammlung können Dritte bei Bedarf zurückgreifen, wenn sie die Betroffenen von außen unterstützen – also Ärzt:innen, Therapeut:innen und auch Rechtsanwält:innen. Die ganz wichtige Erkenntnis dabei: Was einmal zu Papier gebracht ist, kann nicht mehr in Vergessenheit geraten.

Sind Beschäftigte mit einer Schwerbehinderung öfter Mobbing ausgesetzt als Menschen ohne Behinderung?

Grundsätzlich ist es so, dass Mobbing alle treffen kann, genauso aber auch alle selbst zur Mobberin oder zum Mobber werden können. Es gibt also keinen „Prototypen“ auf jeder Seite, mit dem sich voraussagen lässt, wer mobben und wen es treffen wird. Zugleich ist das Risiko, am Arbeitsplatz in eine Mobbingsituation zu geraten, größer für Menschen, die einer so genannten Minderheit angehören. Das kann die einzige Raucherin in einer ansonsten aus Nichtrauchern bestehenden Arbeitsgruppe sein, ein sich vegan ernährender Beschäftigter unter ansonsten Fleisch essenden Arbeitskolleg:innen, aber auch eine Arbeitnehmerin mit Schwerbehinderung in einer Gruppe von Beschäftigten ohne Behinderung. Entscheidend ist also die Zusammensetzung der Gruppe. Hinzu kommen noch weitere Aspekte wie das Arbeitsklima, der Umgang miteinander, das Verständnis füreinander, der Arbeitsdruck und vor allem die soziale Kompetenz der Vorgesetzten. Um Mobbing zu verhindern, ist es so oder so wichtig, dass Vorgesetzte und Arbeitskolleg:innen ein solches Verhalten weder akzeptieren noch dulden.

Welche praktischen Tipps haben Sie für Mobbingbetroffene?

Mein wichtigster Rat ist: Suchen Sie sich Hilfe. Denn wenn Sie raus aus Ihrer akuten Situation wollen, müssen Sie aktiv werden, so schwierig das auch ist. Sprechen Sie mir Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt über Ihre Situation, wenden Sie sich an Ihre Schwerbehindertenvertretung, lassen Sie sich von Ihrem Betriebsrat, Ihrer Personal- oder Ihrer Mitarbeitervertretung vertraulich beraten. In vielen Betrieben und Dienststellen gibt es außerdem Betriebs- und Dienstvereinbarungen zum Thema Mobbing, in denen spezielle Ansprechpersonen vorgesehen sind. Darüber hinaus kann es ratsam sein, mit einer Therapeutin oder einem Therapeuten zu sprechen, um nicht allein damit zu bleiben, die Situation besser zu verstehen – und schrittweise besser damit umgehen zu können. —






Informativ und interaktiv: Neues E-Learning-Angebot der BIH rund um berufliche Teilhabe

Das BIH hat ein Online-Selbstlernportal gestartet, in dem aktuell schon zwei alltagsnahe Videos ausführlich die Themen „SGB IX im Personalmanagement“ und „Versammlung der schwerbehinderten Menschen“ behandeln. Weitere Episoden zu anderen Themen sind bereits geplant, wie etwa zu Inklusionsvereinbarungen, Barrierefreiheit, Wahl der Schwerbehindertenvertretung (SBV-Wahö) oder Kirchenrecht. Letzteres ist beispielsweise wichtig für die Zusammenarbeit zwischen den Beschäftigten-Vertretungen in Unternehmen und den Arbeitgeber:innen in Einrichtungen, die von Kirchen getragen werden – etwa Kitas und Schulen.

Wie ist das Angebot aufgebaut und was wird vermittelt?

Das aktuell bereits abrufbare Video zum SGB IX etwa erklärt an einem Fallbeispiel den Umgang mit einer Situation, in der ein Mitarbeiter seinem Chef nach vielen Jahren der Zusammenarbeit mitteilt, dass er eine Schwerbehinderung hat. Anhand dieses Beispiels werden die ersten Schritte erklärt, die in solch einer Situation sinnvoll und angebracht sind, außerdem geht es um die Pflichten der Arbeitgeber:innen, die Rechte der Beschäftigten, mögliche Leistungen durch den Staat und um das Kündigungsrecht. Alle Themen werden von verschiedenen Protagonist:innen in kurzen, schauspielerisch dargestellten Videosequenzen vorgestellt. Ergänzend gibt es interaktive Lernvideos, 3D-Animationen und weiteres Info-Material. Außerdem können die Nutzer:innen durch Quizelemente das erworbene Wissen vertiefen.  

Für wen sind die Inhalte auf der Plattform gedacht?

Das E-Learning-Angebot der BIH richtet sich an Inklusionsbeauftragte, Arbeitgeber:innen, Schwerbehindertenvertretungen, Personalabteilungen und an Betriebs- oder Personalräte. Aber auch alle anderen können das kostenlose Angebot nutzen.




„Inklusion lernen“: Kostenloses Webinar am 20. März 2024

Das Webinar informiert dazu, wie Unternehmen und Einrichtungen ein Bewusstsein für Behinderungen schaffen können, um stückweise die Inklusion im eigenen Betrieb voranzutreiben. 
Es gibt praktische Tipps zur Umsetzung und zu Weiterbildungsmöglichkeiten. Außerdem gibt es die Möglichkeit, im Anschluss an den Vortrag der Expert:innen zum Thema eigene Anliegen vorzubringen. Das Webinar richtet sich unter anderem an inklusionsoffene Personalverantwortliche, Gleichstellungsbeauftragte und Behindertenvertrauenspersonen, aber auch an alle weiteren Interessierten.

Zur Teilnahme wird die Video-Konferenzsoftware Zoom benötigt. Eine Anmeldung ist erforderlich, das Webinar ist aber kostenlos. Den Auftakt machen am 20. März um 15 Uhr die Expert:innen von myAbility, ab 16 Uhr können die Teilnehmer:innen eine halbe Stunde lang Fragen stellen. 

Alle Infos zum Webinar und den Link zur Anmeldung gibt es hier.




Mit Erfahrungswissen den Kulturwandel in der Arbeitswelt anstoßen: das Projekt „InklusionsGuides“

Frau Peschek, warum hat Ihr Verein die InklusionsGuides ins Leben gerufen?

Wir wollen damit die Arbeitswelt inklusiver gestalten. Divers aufgestellte Unternehmen und Institutionen sind anpassungsfähiger in Veränderungsprozessen und Krisenzeiten. Vielfalt ist also ein entscheidender Erfolgsfaktor. Und davon profitieren sowohl Arbeitnehmer:innen als auch Unternehmen und Organisationen. Damit dieser Wandel sozusagen von innen heraus angestoßen wird, unterstützen wir Firmen und Institutionen dabei, Menschen mit Behinderung als Mitarbeiter:innen zu gewinnen und sich als Arbeitgeber:in dabei von vornherein so aufzustellen, dass diese Zielgruppe aufmerksam auf sie wird. Um es also mit den englischen Fachbegriffen auszudrücken: Wir setzen in den Bereichen Recruiting und Employer Branding an.

Wie funktioniert das Projekt und warum setzt es besonders auf Frauen?

Frauen mit Behinderung sind auf dem Arbeitsmarkt nachweislich doppelt benachteiligt. Deshalb suchen und finden wir für unser Projekt ganz bewusst Studentinnen mit Behinderung. Sie gehen als Wegweiserinnen in Unternehmen und bieten dort ihre Expertise an, die sie aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen haben. Die Guides unterstützen die Firmen über ein Jahr hinweg dabei, Stellenausschreibungen inklusiv zu formulieren, Bewerbungsprozesse kritisch zu überprüfen und zu verbessern oder Arbeitszeitmodelle flexibel auszugestalten. Sie sensibilisieren aber auch die Mitarbeiter:innen des Unternehmens und vermitteln ihnen, welche Belange Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen haben oder haben können. Gerade das kann grundlegende Veränderungen bewirken – und das tritt auch oft ein. In den teilnehmenden Unternehmen beobachten wir bereits einen Kulturwandel hin zu einer inklusiven Arbeitskultur. Die Arbeitszeitmodelle werden zum Beispiel flexibler und auch die Kommunikation in Stellenausschreibungen ist anders als vorher.

Studentinnen haben ja normalerweise noch keine oder kaum Berufserfahrung. Warum sind sie trotzdem gut darin, Unternehmen zu beraten?

Die Studentinnen von heute sind ja die Arbeitnehmerinnen von morgen. Sie wissen deshalb am besten, wie sie arbeiten wollen und können, welche Bedürfnisse sie haben und welche Veränderungen in Unternehmen dafür nötig sind. Sie sind also bereits Expertinnen in eigener Sache. Der Hildegardis-Verein begleitet und qualifiziert sie außerdem durch Trainings zu verschiedenen Aufgabenbereichen. Dazu gehören zum Beispiel Workshops zu Themen wie „Wie kommuniziere ich meine eigene Behinderung?“, „Was sind Diskriminierungsformen und wie gehe ich damit um?“, „Was sind meine Stärken und wie kann ich diese gezielt in meine Arbeit einbringen?“ oder „Kommunikation und Methoden“. Und natürlich begleiten wir den gesamten Prozess eng mit.

Wie ist die Beratung eines Unternehmens oder einer Organisation organisiert?

Es gibt zwei so genannte Guidance-Phasen, die jeweils ein Jahr dauern. Für diese Zeit gehen jeweils zwei Studentinnen oder Absolventinnen mit Behinderung in eine Firma oder eine Institution. Die Verantwortlichen aus dem Unternehmen treffen sich einmal im Monat vor Ort oder manchmal auch digital mit den Guides. Dabei bearbeiten sie verschiedene Themen, zum Beispiel Stellenausschreibungen, Bewerbungsprozesse, Text- und Bildsprache, flexible Arbeitszeitmodelle, aber auch bauliche Barrierefreiheit. Und natürlich ist auch die Sensibilisierung der anderen Mitarbeitenden sehr wichtig. Andere Tandems treffen sich nur alle zwei Monate, dann aber gleich für zwei volle Tage. Alle Guides durchlaufen verschiedene Abteilungen, um sich die Arbeit vor Ort genau anzuschauen und so zum Beispiel Barrieren ausfindig zu machen. Dabei bringen sie ihre eigenen Erfahrungen direkt ein. Innerhalb eines Guidance-Jahres gibt es darüber hinaus insgesamt vier so genannte Resonanzgruppentreffen. Dabei kommen alle Unternehmensbeteiligten, die Guides sowie Fachleute aus den Bereichen Inklusion und Arbeitswelt zusammen. Sie berichten bei den Treffen über Ergebnisse und Erfahrungen, tauschen sich aus, beraten sich gegenseitig, durchlaufen gemeinsam weitere Trainings und vernetzen sich untereinander.

Ist dieser umfangreiche Service für die Unternehmen kostenpflichtig?

Ja, normalerweise fällt für ein Jahr Beratung ein Teilnahmebeitrag von 5.000 Euro pro Unternehmen oder Institution an. Aber dadurch, dass wir von der Aktion Mensch und der BNP Paribas Stiftung gefördert werden, können wir auch Institutionen und Unternehmen teilnehmen lassen, die sich diesen Beitrag nicht leisten können. Sie zahlen dann nur so viel, wie sie können.

Werden die Studentinnen für ihre Arbeit entlohnt?

Ja, sie bekommen eine Ehrenamtspauschale für ihre Arbeit als Guides, also eine Aufwandsentschädigung. Außerdem erhalten sie am Ende des Prozesses ein Zertifikat über die Teilnahme am Projekt.

Wie wählen Sie die Studentinnen für Ihr Projekt aus – und wie teilen sie die Guides einem passenden Unternehmen zu?

Wir suchen und finden die Studentinnen unter anderem über Kontakte und Verknüpfungen des Hildegardis-Vereins. Den Verein gibt es ja schon seit 1907, seit 2008 führen wir Inklusionsprojekte durch. Wir haben also über viele Jahre hinweg ein großes Netzwerk sehr unterschiedlicher Frauen aufgebaut, auf das wir für das Projekt zurückgreifen können. Für die Bewerbung verschicken wir Ausschreibungsunterlagen an viele verschiedene Interessierte. Wir schreiben auch die Inklusions- und Diversitätsbeauftragten aller Hochschulen in Deutschland an, damit sie die Ausschreibung an Studentinnen weiterleiten. Natürlich nutzen wir ebenso Online-Kanäle wie LinkedIn oder unsere Website. Um teilnehmen zu können, füllen die Bewerberinnen einen Fragebogen aus, mit dem sie ihre eigenen Bedarfe, ihre Motivation, mitzumachen, und ihren Werdegang erklären. Anhand dieser und weiterer Kriterien werden sie später mit einem passenden Unternehmen „gematcht“, also zusammengebracht. Die Entfernung zum Sitz der Firma oder Organisation spielt dabei zum Beispiel eine Rolle, die Barrierefreiheit des Ortes, aber auch die jeweiligen Bedarfe der einzelnen Guides.

Wie sieht es auf der Seite der Unternehmen aus: Wie und wo gewinnen sie diese dafür, sich beraten zu lassen?

Die Unternehmen werden meistens online aufmerksam auf unser Projekt, also über LinkedIn, andere soziale Medien oder unsere Website. Einige Kontakte kommen aber auch durch persönliche Ansprache zustande. Viele Unternehmen wollen sich ja ohnehin auf den Weg machen in eine diversere Arbeitswelt, wissen aber oft nicht genau, wie. Da kommt unser Projekt meist gerade passend.

Der Bedarf und das Interesse sind also auf beiden Seiten vorhanden?

Ja, der Rücklauf für das Projekt ist großartig. Das hängt sicher auch mit den Anreizen für beide Seiten zusammen. Die Studentinnen machen wertvolle Erfahrungen und bekommen unter anderem einen direkten Einblick in die Strukturen der Unternehmen und Institutionen, die sie beraten. Sie können so fast nebenbei Kontakte knüpfen, die ihnen später helfen können, einen geeigneten Job zu finden. Die Unternehmen profitieren vom Erfahrungswissen der Guides, können sich inklusiv für die Zukunft aufstellen und etwa dem Fachkräftemangel entgegenwirken. Das große Interesse bestärkt uns darin, das Projekt auch nach dem Ende der Laufzeit weiterzuführen. Bisher gab es zwei so genannte Guidance-Phasen, die jeweils ein Jahr dauern, eine davon ist bereits abgeschlossen. Dabei konnten wir zehn Unternehmen und Institutionen mit jeweils zwei bis drei Guides zusammenbringen. Insgesamt sind 22 Wegweiserinnen mit dabei.

Um das zu ändern, hat der Hildegardis-Verein aus Bonn das Projekt „InklusionsGuides“ ins Leben gerufen, bei dem Studentinnen mit Behinderung in Unternehmen gehen, um diese zum Thema Inklusion zu beraten. Das Projekt läuft von Januar 2022 bis Dezember 2024 und wird von der Aktion Mensch, der BNP Paribas Stiftung und dem Hildegardis-Verein selbst mit insgesamt 350.000 Euro gefördert. Bisher konnten so bereits 22 Frauen mit Behinderung mit zehn Unternehmen und Institutionen zusammengebracht werden.





Wie die Berliner Verwaltung inklusiver werden will – auch ohne freie Stellen

Das Land Berlin übererfüllt zwar seine gesetzliche Beschäftigungsquote für Menschen mit Schwerbehinderung, sie besetzen also mehr als die vorgeschriebenen fünf Prozent der Arbeitsplätze. Seit Ende August 2023 gilt in allen Verwaltungen Berlins samt Bezirken dennoch eine neue Regelung: Auch dann, wenn gerade keine Stelle frei ist, können Menschen mit Schwerbehinderung neu eingestellt werden. Warum und wie der Berliner Finanzsenator Stefan Evers das umsetzen will, erklärte er im August der Presse – und der Tagesspiegel hat es in diesem Artikel aufgeschrieben.

Demnach soll in so einem Fall soll das Beschäftigungsverhältnis vorerst auf bis zu zwei Jahre befristet werden. In diesem Zeitraum können die neuen Mitarbeiter:innen mit Schwerbehinderung eine freie Stelle in der Verwaltung suchen, die zu ihnen passt, und sich dort einarbeiten. Die neue Regelung gilt auch in den sogenannten nachgeordneten Dienststellen. Dazu zählt zum Beispiel das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo). Das erklärte Ziel dieser Maßnahmen laut Finanzsenator: dauerhafte Arbeitsverhältnisse.

Was es sonst noch für Möglichkeiten für die Verwaltungen geben soll, mehr Menschen mit Schwerbehinderung einzustellen, und welche Fördertöpfe es dafür gibt, lest ihr im Tagesspiegel-Artikel.




Warum Leeroy Matata aufhört: Ein Artikel des RND zeichnet den Werdegang und Abschied des YouTubers nach

Leeroy Matata heißt eigentlich Marcel Gerber und kommt aus Köln. Er lebt mit Rollstuhl und sprach zu Beginn seiner YouTube-Karriere auf seinem Kanal genau darüber: über sein Leben mit einer körperlichen Behinderung. Was als sympathisches, einfach produziertes Format anfing, wurde mit steigender Bekanntheit des Kanals professioneller. Zugleich wurden auch die Fragen, die Matata seinen Gästen stellte, „knalliger“ und reißerischer, harmlosere Themen traten stärker in den Hintergrund. Unter anderem daran entzündete sich Kritik, bis der YouTuber Anfang Dezember 2023 den Schlusspunkt unter seine Karriere setzte.

Autor Matthias Schwarzer hat für das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) aufgeschrieben, was bis zum Ausstieg des YouTubers alles geschah, was dieser in seinem letzten Video sagte und warum Inhalt und Ton der Kritik teilweise ebenfalls als schwierig zu bewerten sind.
Ein Problem dabei aber bleibt, meint Schwarzer: Marcel Gerber alias Leeroy Matata war nie und ist kein Journalist, hat also das Recherchieren und Fragenstellen nie gelernt. Laut RND fiel ihm das am Ende vermutlich auf die Füße.




Ein Kalender, der ohne Text auskommt: Die inklusive App „Independo“

Frau Kruselburger, herkömmliche Kalender-Apps können nicht das, was Independo kann. Was sind die besonderen Funktionen Ihrer Software und für wen ist sie gedacht?

Wir haben Independo gemeinsam mit und für Menschen mit Lernschwierigkeiten entwickelt, denn genau das ist unsere Zielgruppe: Menschen, die Schwierigkeiten beim Lesen und/oder Schreiben haben  und für die herkömmliche, text-basierte Kalender-Apps deshalb nicht zugänglich sind. Unsere App stellt Termine stattdessen als Symbole und mit Tonspuren dar. Außerdem können vergangene Einträge mit Emojis bewertet und durch persönliche Fotos und Audioaufnahmen ergänzt werden. Independo ist also Kalender und Tagebuch zugleich – und durch den Aufbau und das Design ist die App insbesondere für Menschen mit Lernschwierigkeiten sehr gut nutzbar.

Wie funktioniert die App, dockt sie einfach an bestehende Kalender an?

Ja, sie lässt sich mit herkömmlichen Kalendern wie zum Beispiel einem Google-Kalender, dem Kalender von Microsoft Outlook oder dem iCal-Format von Apple synchronisieren. Die Termine werden im Hintergrund in Textform in den Independo-Kalender eingespielt, übersetzt und anschließend in der Benutzeroberfläche der App mit Symbolen dargestellt. Unsere Software kann aber auch ohne vorhandene Daten genutzt, also einfach nur installiert und von Grund auf neu befüllt werden.

Wie ist die Idee entstanden, ausgerechnet solch eine App zu programmieren?

Ich hatte letztes Jahr im Herbst ein spannendes Gespräch mit „Integration Wien“, das ist eine Beratungsstelle für Kinder und junge Erwachsene mit unterschiedlichen Behinderungen, aber auch für deren Eltern und Angehörige. Es gab dort schon damals das Projekt „P.I.L.O.T.“, mit dem die Beratungsstelle Menschen mit Lernschwierigkeiten beim Einstieg ins Arbeitsleben unterstützt.  Stephanie Hiller und Katharina Lindtner, die (Zukunftsreise-)Begleiterinnen im Projekt „P.I.L.O.T.“, sind, haben mir mir bei dem Treffen von den Barrieren erzählt, auf die ihre Klient:innen oft stoßen – so gab es am Markt damals keinen Kalender, der barrierefrei für Menschen mit Lernschwierigkeiten nutzbar war und diese auch im (Arbeits-)Alltag unterstützen konnte.

Eine so komplexe Software muss ja in mehrfacher Hinsicht barrierefrei sein. Um sie zu entwickeln, braucht es sicher sehr viel Wissen über die Bedürfnisse der späteren Nutzer:innen. Wie sind Sie und Ihr Team das angegangen?

Wir haben die App von Beginn an im so genannten Co-Design entwickelt. Das bedeutet, dass wir unser Produkt mit unseren Zielgruppen gemeinsam erstellt haben, damit das Ergebnis deren Bedürfnissen und Wünschen später optimal entspricht. Bevor es also mit der Programmierung losging, haben wir Schulen und Vereine in Wien besucht, in denen Menschen mit und ohne Lernschwierigkeiten anzutreffen sind. Wir wollten so aus erster Hand erfahren, wie wir unsere Kalender-App grundsätzlich aufbauen und gestalten müssen. Auch während der Entwicklung der App haben wir immer wieder mit diesen Einrichtungen zusammengearbeitet, um bestehende Funktionen zu testen, diese gegebenenfalls zu überarbeiten und die App so immer weiterzuentwickeln. Unsere Partnerschulen und -vereine haben uns dabei sehr tatkräftig unterstützt.

Wie haben Sie und Ihr Team zusammengefunden?

Wir alle haben uns im Erweiterungsstudium „Innovation“ an der Technischen Universität Wien kennengelernt. In diesem Rahmen haben wir seinerzeit das Projekt Independo gestartet und dieses Jahr im August 2023 die Independo GmbH gegründet. 

Wer hat mitgegründet und wer übernimmt welche Aufgaben im Team?

Neben mir sind meine Studienkollegen Michael Höchtl, Konstantin Strümpf und Daniel Harringer Teil des Unternehmens. Michael Höchtl kennt sich im Bereich Data Science (Deutsch: Datenwissenschaft) sehr gut aus. Er analysiert das Feedback aus den Tests mit Nutzer:innen und übersetzt diese Rückmeldungen in technische Aufgaben für das Entwicklungsteam. Konstantin Strümpf ist als CTO (Chief Technology Officer, Deutsch: Technischer Direktor) vor allem für die technische Architektur und die technischen Strategien verantwortlich. Er sorgt unter anderem dafür, dass unsere Systeme mit geringem Aufwand viel bewirken können, also effizient sind. Außerdem stellt er sicher, dass Independo skalierbar ist, später also auch in größeren Maßstäben funktionieren kann, und sorgt dafür, dass unsere Idee zukunftssicher ist. Daniel Harringer wiederum bringt als Lead Developer (Deutsch: leitender Entwickler) umfassendes Wissen aus dem Bereich der Technischen Informatik mit. Abseits dieses Kernteams werden wir auch noch von Nathalie Büttner unterstützt, die sich auf das Design von Nutzeroberflächen spezialisiert hat, und von Florian Hochreiter, einem weiteren Entwickler.

Was ist Ihr eigener Hintergrund als Geschäftsführerin eines inklusiven Unternehmens?

Ich nehme seit meinem sechsten Lebensjahr an inklusiven Sommercamps teil, über die Jahre sind also sehr viele Veranstaltungen zusammengekommen. Dabei habe ich nicht nur wertvolle Erfahrungen gesammelt, sondern auch meine Leidenschaft für die Entwicklung von unterstützenden Technologien entdeckt. Und genau mit diesem Schwerpunkt habe ich dann später Medizintechnik studiert, was jetzt in meine Arbeit bei Independo direkt mit einfließt.

Wann geht die App an den Start?

Es wird Independo als iOS- und Android-App geben, das Programm wird aber auch im Webbrowser verfügbar sein. Vor zwei Wochen ist in den ersten Partnerinstitutionen die Pilotphase angelaufen. Wenn diese erfolgreich abgeschlossen ist, haben wir es geschafft. Schulen, Vereine und andere Institutionen können die App dann ab Januar 2024 erwerben, für Einzelpersonen wird sie im Frühjahr 2024 freigeschaltet. Übrigens haben wir zwar Förderungen von staatlichen Einrichtungen und in Österreich ansässigen Stiftungen erhalten, das Projekt soll sich aber künftig selbst tragen. Deshalb ist eine monatliche Lizenzgebühr geplant, die bei knapp 10 Euro liegen wird. Institutionen können die App als Jahreslizenzen auf der Website erwerben, wir haben für diese Kund:innen aber auch Gruppenrabatte vorgesehen. Einzelpersonen können Independo einfach im jeweiligen App-Store herunterladen und ein Monatsabo abschließen.




Inklusionsbarometer Arbeit 2023: Leichte Entspannung am Arbeitsmarkt – doch strukturelle Benachteiligung bleibt

Das Inklusionsbarometer Arbeit zeigt im Jahr 2023 auf den ersten Blick eine Entspannung der Lage auf dem Arbeitsmarkt: Die Anzahl arbeitsloser Menschen mit Behinderung ist gesunken. Auch die Anträge von Unternehmen, die Angestellten mit Behinderung kündigen wollen, sind im Vergleich zu 2022 zurückgegangen. Die Erwerbsquote wiederum ist gestiegen, also der Anteil an Bürger:innen mit Behinderung, die eine Beschäftigung haben (siehe Infografik).
All das ist positiv und spiegelt sich auch im Gesamtwert des Barometers wider, der von 107,7 auf 109,8 gestiegen ist. Eine höhere Zahl bedeutet hier eine Verbesserung der Situation (siehe Infokasten).

Grafik mit den wichtigsten Ergebnissen des Inklusionsbarometers Arbeit 2023
Grafik: Aktion Mensch

Das Kernproblem bleibt bestehen

Menschen mit Behinderung werden auf dem Arbeitsmarkt allerdings nach wie vor strukturell diskriminiert. Sie erfahren in der Gesellschaft also teils große Nachteile, mit denen Menschen ohne Behinderung nicht konfrontiert sind. Daher ist die Situation auch im Jahr 2023 nicht gleichberechtigt. Das wird durch die schwankende Konjunktur in Deutschland ebenso mit beeinflusst wie durch die mangelnde Bereitschaft vieler Unternehmen, überhaupt Menschen mit Behinderung einzustellen.

Zu wenige Unternehmen stellen Menschen mit Behinderung ein

Firmen ab 20 Mitarbeiter:innen sind gesetzlich dazu verpflichtet, mindestens fünf Prozent ihrer Belegschaft mit Menschen mit Behinderung zu besetzen. Wenn sie diese Quote nicht erfüllen, müssen sie eine so genannte Ausgleichsabgabe zahlen, aus der wiederum inklusionsfördernde Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt finanziert werden. Diese „Strafe“ wird zum Jahr 2024 erhöht, im Frühjahr 2025 muss der neue Betrag erstmals gezahlt werden.
Ob das dazu führen wird, dass mehr Unternehmen ihrer Beschäftigungspflicht nachkommen, ist noch offen. Bisher stagniert deren Anteil laut Inklusionsbarometer jedenfalls beziehungsweise sinkt sogar: Nur 39 Prozent der Firmen, die es müssten, erfüllten im Jahr 2023 die Quote (siehe Infografik). Das ist der niedrigste Wert seit Einführung des Barometers. Trotz des Fachkräftemangels nutzen Unternehmen das Potenzial der Inklusion also weiterhin nicht, bemängelt die Aktion Mensch.

Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA) ein Teil der Lösung?

Die so genannten Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber:innen (EAA) könnten dabei helfen, diese Situation zu verändern, so hoffen die Expert:innen der Studie. Die EAA beraten, begleiten und unterstützen Unternehmen seit dem Jahr 2022 nämlich zum Beispiel dabei, Arbeitsplätze für einen Menschen mit Behinderung im eigenen Betrieb zu identifizieren oder Anträge auf Fördermittel zu stellen.

Das Fazit

Die Lage hat sich zwar insgesamt leicht entspannt, doch Gleichberechtigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist weiterhin nicht erreicht. Das bleibt ein ungelöstes Problem. Es ist also auch in den kommenden Jahren noch viel zu tun, um die Lage nachhaltig zu verbessern.


Die Auswertung der Aktion Mensch zum Inklusionsbarometer Arbeit 2023 und die gesamte Studie zum Download gibt es hier.




Daumenkinos und digitale Animationen: Wie „Talking Hands“ hilft, spielerisch Gebärdensprache zu erlernen

Sowohl die gedruckten Daumenkinos als auch die digitale App von „Talking Hands“ stellen Wörter und Redewendungen aus der Deutschen Gebärdensprache bewegt dar und machen so sichtbar, wie die Handzeichen richtig ausgeführt aussehen müssen. Es wird einfacher, die Gebärden zu verstehen und zu lernen. Die beiden Angebote konzentrieren sich vor allem auf einfache Wörter und Begriffe, die in alltäglichen Gesprächssituationen nützlich sind – zum Beispiel „Danke“, „Entschuldigung“, „heute/hier“ oder „Fühlst du dich gut?“.

Im Good-News-Artikel erklären die Gründerinnen von „Talking Hands“ ihre Motivation und den Ursprung ihrer Idee. So wurde Laura Mohn durch ihre Schwester zu dem Projekt inspiriert, die das Down-Syndrom hat. Die Gründerin kennt also aus eigener Erfahrung die Schwierigkeiten, die in der Alltagskommunikation mit nicht mündlich sprechenden Menschen auftreten können.




Impulse für eine bessere Arbeitswelt auf der A+A-Messe 2023 – LVR und LWL sind mit dabei und „im Fußballfieber“

Die Expert:innen von LVR und LWL arbeiten in ihrem eigenen Berufsalltag zum Beispiel in den bundesweit neu eingerichteten Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA) (↗ siehe Interview dazu hier im Blog). Sie kennen sich also sehr gut mit Fördermöglichkeiten für Unternehmen aus, können am Messestand aber zum Beispiel auch dazu beraten, wie Mitarbeiter:innen mit Behinderung in einen Betrieb eingegliedert und auch technisch unterstützt werden können.

LWL und LVR sind „Im Fußballfieber“

Am Messestand der beiden Inklusionsämter in NRW dreht sich dieses Jahr alles um die Inklusion im Fußball. Um etwa zu zeigen, wie spannend der Sport auch ganz ohne Bilder sein kann, ist das Blindenradio des 1. FC Köln zu Gast. Es führt den Gästen mit der „Audiobox“ vor, wie ein Fußballspiel rein auditiv begleitet zu einem tollen Hörerlebnis wird. Wer selbst ein wenig kicken möchte, kann auf eine Torwand schießen – oder in einer der „BolzBoxen“ Platz nehmen und dort sitzend ein Match gegeneinander spielen.
Für Currywurst & Co., Laugengebäck und Getränke am Messestand sorgen die Cateringunternehmen der Fußballclubs FC Schalke 04 und Alemannia Aachen. Dahinter stehen jeweils die VIA Integration gGmbH sowie die georgs.plus gGmbH. Beides sind Inklusionsbetriebe, sie beschäftigen also überdurchschnittlich viele Menschen mit Behinderungen.

Kongress zu Zukunftsthemen: LVR und LVR mit Fachvortrag zum BEM dabei

Parallel zur Messe veranstaltet die Bundesarbeitsgemeinschaft für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (Basi) einen Kongress zu den Zukunftsthemen in Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit und greift dabei besonders die Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung auf. Im Fokus steht die Prävention, also das Ziel, Unfälle oder Erkrankungen im Arbeitsleben zu verhindern.

Ein Teil des Kongresses ist eine Veranstaltung der Inklusionsämter von LVR und LWL. Dabei steht das so genannte Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) im Mittelpunkt, das im Sozialgesetzbuch verankert ist. Es verpflichtet alle Arbeitgeber:innen gesetzlich dazu, Arbeitnehmer:innen mit längeren Arbeitsunfähigkeitszeiten eine möglichst frühzeitige Rückkehr in den Job zu ermöglichen – und zwar immer dann, wenn Beschäftigte innerhalb eines Jahres sechs Wochen lang am Stück oder wiederholt arbeitsunfähig sind.
Bei der insgesamt etwa dreistündigen Veranstaltung von LVR und LWL liegt ein besonderer Schwerpunkt auf der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz, außerdem gibt es Tipps und Hinweise für Betriebe, wie sie die Maßnahme gut und richtig durchführen können. Der Vortrag ist allerdings nur für Gäste mit Kongress-Tickets zugänglich (Termin des Vortrags und Preise für den Kongress siehe unten).