Die vier Reihen Menschen auf dem Foto wirken wie eine Wand. Alle tragen ein in grün eingesticktes »Lüttmann « auf ihrer schwarzen Dienstkleidung. Es ist das offizielle Bild der »Lüttmann Garten- und Landschaftsgestaltung« in Recke zum 25-jährigen Bestehen im Jahr 2013. Die meisten darauf lächeln, schauen nach vorne, wirken selbstsicher und stolz. Auf dem Foto spiegelt sich der Geist des Unternehmens, das Werner Lüttmann 1988 gegründet hat. Beschäftigt sind hier derzeit 55 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Alle hat Lüttmann selbst eingestellt. „Wir brauchen Leute, die zu uns passen“, sagt er und zeigt auf das Foto, das groß gerahmt im Besprechungsraum hängt.
Einer dieser Leute ist Mergim Noshaj. Er hat seine Ausbildung bei Lüttmann gemacht. Noshaj hat eine Schwerhörigkeit geerbt, erzählt Werner Lüttmann, deshalb könne er sich kaum verbal ausdrücken. Seine besonderen Fähigkeiten liegen im Pflasterbereich, sagt sein Chef über ihn. Wo Hände und Füße nicht mehr reichen, ersetzen das gesprochene Wort unter Kollegen Zettel und Stift, manchmal sogar die SMS auf dem Handy. Er sei einer, der mit anpackt, sagt Lüttmann, der das Unternehmen mit seiner Frau Ruth aufgebaut hat. Er hat deshalb auch überhaupt nicht den Eindruck, dass „der Mergim“ in den Arbeitsteams nicht mithalten kann.
Viele positive Erfahrungen
Der Unternehmer ist gelernter Blumen- und Zierpflanzengärtner und hat einen Doppelmeister im Garten- und Landschafts- sowie Straßenbau. Lüttmann hat einen früheren Kreisbauhof zur Zentrale seines Unternehmens gemacht. Die Firma läuft: „Die Auftragslage ist gut“, sagt er. Neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Schwerbehinderung arbeiten im Unternehmen und bilden die Inklusionsabteilung, die Werner Lüttmann im Jahr 2008 gründete. Er wendet sich zum Foto und fragt ganz direkt: „Können Sie auf dem Foto unterscheiden, wer eine Behinderung hat und wer nicht? Das ist ein Team hier.“ Er habe so viele „positive Erfahrungen“ mit den Kollegen und Kolleginnen gemacht, dass er die Entscheidung in keiner Weise anzweifele.
Lüttmann und sein Techniker und Meister Guido Ostendorf wissen, wer welches Handicap hat. Aber das ist längst nicht allen anderen in der Firma bekannt. „Jeder muss selbst entscheiden, ob er es den Kollegen und Kolleginnen erzählen will“, sagt Lüttmann. Ostendorf ist für die Logistik in der Firma zuständig und hat sich vom LWL für die psychosoziale Betreuung schulen lassen. Und wenn er morgens die Teams zusammenstellt, achtet er auf Ausgewogenheit: Wo eine Behinderung die Arbeit einschränkt, setzt er Kolleginnen und Kollegen unterstützend ein.
Fachkräfte werden rar
Der Weg in die Firma führt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderungen über ein Praktikum. Wer dieses erfolgreich absolviert, bekommt ein Job-Angebot. „Teamfähig müssen alle unsere Leute sein, das ist wichtig.“ Für Werner Lüttmann ist der Einsatz von Menschen mit Behinderungen eine wirtschaftliche Entscheidung, die sich langfristig trage. Weil sie seltener den Arbeitsplatz wechselten und sich sehr für ihre Arbeit engagierten und die Branche lange Erfahrung mit der Beschäftigung von älteren Menschen und Menschen mit Behinderung habe.
Als dritten Grund führt der Firmenchef den sich anbahnenden Fachkräftemangel an. Zwar bildet Lüttmann regelmäßig junge Menschen aus. Ob sich aber auch in Zukunft genügend Fachleute finden werden, ist nicht sicher.
Dass eine mögliche Behinderung für jeden Beschäftigten aktuell werden kann, hat Vorarbeiter Martin Smits am eigenen Leib erfahren. Der 48-Jährige schlägt sich seit kurzem mit einer dauerhaften körperlichen Einschränkung am Bein herum. Deswegen brauche Smits wohl bald einen angepassten Arbeitsplatz, so Lüttmann. Die enge Zusammenarbeit mit dem LWL-Inklusionsamt Arbeit helfe dem Unternehmen dabei, den Kollegen weiter beschäftigen zu können. Zum Beispiel mit Zuschüssen, um speziell auf die Behinderung zugeschnittene Geräte anschaffen zu können, oder mit dem Ausgleich für Minderleistung. „Wichtig ist, dass der sozialversicherungspflichtige Arbeitsplatz erhalten bleibt.“
Inklusion nach außen tragen
Werner Lüttmann trägt sein unternehmerisches Engagement für Menschen mit Behinderungen, wie er sagt, „bewusst nach außen“. Der 58-Jährige setzt sich in der Unternehmerschaft des Tecklenburger Landes dafür ein, dass sich das Wissen über Inklusion am Arbeitsplatz weiter verbreitet. Der Unternehmer nutzt jede Chance, damit die Gesellschaft toleranter im Umgang mit Menschen mit Behinderungen wird. Wie zum Beispiel beim Fest zum 25-jährigen Bestehen seines Betriebs, bei dem auch ein Mitarbeiter des LWL-Inklusionsamtes über die Erfolge der Inklusionsunternehmen sprach.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben ihrem Chef Werner Lüttmann viel zurück. Manchmal auch durch Engagement, das er so nicht erwartet hat. „Mergim Noshaj zum Beispiel hat mit Hilfe der Gehörlosenschule in Essen einen Kettensägen- Schein gemacht“, sagt Werner Lüttmann. „Vor so einer Leistung habe ich großen Respekt.“