Die Sprache bestimmt das Bewusstsein. Das gilt auch und gerade für die Medien, weil sie oft über Menschen und Gesellschaft schreiben und sprechen – also auch über Menschen mit Behinderung, über die oft sehr klischeehaft berichtet wird. Wenn ein Journalist zum Beispiel über einen Menschen mit Behinderung feststellt, dass er „tapfer seinem Schicksal trotzt“ oder „mutig sein Leben meistert“, bekommen Leser schnell den Eindruck, dass ein Leben mit Handicap eigentlich kaum zu ertragen ist. Dabei leben die meisten Männer und Frauen damit ganz selbstverständlich, es ist ein Teil ihres Lebens, den sie bloß etwas anders organisieren müssen als andere.
Auch Formulierungen wie zum Beispiel die, dass Menschen „trotz ihrer Behinderung vor Lebensfreude sprühen“, verzerren das Bild stark: Zum einen wird durch das Wörtchen „trotz“ der Eindruck erweckt, dass Lebensfreude und eine Behinderung Gegensätze sind, zum anderen entsteht beim Publikum das Gefühl, dass der dort beschriebene Mensch keinen normalen Alltag hat, sondern ständig vor Lebensfreude strotzt. Dabei geht auch sie oder er täglich den gleichen unspektakulären Tätigkeiten nach wie andere Menschen auch, zum Beispiel Arbeiten, Einkaufen oder Verabredungen zum Kino mit Freunden.
Solche Zitate zeigen, wie in Zeitungsartikeln, Fernsehdokumentationen oder Radiobeiträgen manchmal auch schon kleine Wörter das gesellschaftliche Bild von Menschen oder sogar ganzen gesellschaftlichen Gruppen mitprägen können. Zugleich zeigen die Journalisten selbst mit ihrer Art der Berichterstattung, welche Vorstellungen in ihrem Kopf zu bestimmten Themen kreisen.
Leidmedien.de hat sich die Medienkritik zu diesem und anderen Themen zur Aufgabe gemacht. Die Berliner Initiative aus Medienschaffenden mit und ohne Behinderung berät zum Beispiel Redaktionen und tauscht sich regelmäßig mit Expertinnen und Experten aus. Auf der Website ist inzwischen eine große Sammlung negativer wie positiver journalistischer Beispiele entstanden. Und demnächst informiert Leidmedien.de auch „live“: Am 1. März 2018 lädt die Initiative zum ersten Abend der Veranstaltungsreihe „Die Salonfähigen“ ins taz-Café nach Berlin ein, um mit anderen Medienschaffenden über die Berichterstattung zum Thema #Behinderung zu diskutieren – und um zu zeigen, wie es die Journalisten vielleicht besser machen können.
Die Reihe veranstaltet Leidmedien.de zusammen mit dem Netzwerk Neue deutsche Medienmacher und dem Lesben- und Schwulenverband Deutschland, denn die weiteren Termine in der Reihe behandeln zwei nicht minder wichtige Themen: am 12. April geht es um #Homosexualität und #Transgeschlechtlichkeit, am 25. Mai um #Migration.
Der Veranstaltungsort ist ebenerdig zugänglich, ein rollstuhlgerechtes WC ist vorhanden und die Veranstaltungen werden in Gebärdensprache übersetzt.