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Inklusionsbarometer Arbeit 2023: Leichte Entspannung am Arbeitsmarkt – doch strukturelle Benachteiligung bleibt

Die Aktion Mensch analysiert jedes Jahr zusammen mit dem Handelsblatt Research Institute große Datenmengen, um die Situation und die Chancen von Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt genau zu erfassen. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie scheinen im Jahr 2023 überwunden zu sein, die Lage hat sich leicht entspannt – doch die strukturellen Probleme sind nach wie vor nicht gelöst. Ein Überblick über die wichtigsten Fakten.

Die Zahl 109,8 in einem Lorbeerkranz (= aktueller Wert des Inklusionsbarometers Arbeit 2023)

Das Inklusionsbarometer Arbeit zeigt im Jahr 2023 auf den ersten Blick eine Entspannung der Lage auf dem Arbeitsmarkt: Die Anzahl arbeitsloser Menschen mit Behinderung ist gesunken. Auch die Anträge von Unternehmen, die Angestellten mit Behinderung kündigen wollen, sind im Vergleich zu 2022 zurückgegangen. Die Erwerbsquote wiederum ist gestiegen, also der Anteil an Bürger:innen mit Behinderung, die eine Beschäftigung haben (siehe Infografik).
All das ist positiv und spiegelt sich auch im Gesamtwert des Barometers wider, der von 107,7 auf 109,8 gestiegen ist. Eine höhere Zahl bedeutet hier eine Verbesserung der Situation (siehe Infokasten).

Das Kernproblem bleibt bestehen

Menschen mit Behinderung werden auf dem Arbeitsmarkt allerdings nach wie vor strukturell diskriminiert. Sie erfahren in der Gesellschaft also teils große Nachteile, mit denen Menschen ohne Behinderung nicht konfrontiert sind. Daher ist die Situation auch im Jahr 2023 nicht gleichberechtigt. Das wird durch die schwankende Konjunktur in Deutschland ebenso mit beeinflusst wie durch die mangelnde Bereitschaft vieler Unternehmen, überhaupt Menschen mit Behinderung einzustellen.

Zu wenige Unternehmen stellen Menschen mit Behinderung ein

Firmen ab 20 Mitarbeiter:innen sind gesetzlich dazu verpflichtet, mindestens fünf Prozent ihrer Belegschaft mit Menschen mit Behinderung zu besetzen. Wenn sie diese Quote nicht erfüllen, müssen sie eine so genannte Ausgleichsabgabe zahlen, aus der wiederum inklusionsfördernde Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt finanziert werden. Diese „Strafe“ wird zum Jahr 2024 erhöht, im Frühjahr 2025 muss der neue Betrag erstmals gezahlt werden.
Ob das dazu führen wird, dass mehr Unternehmen ihrer Beschäftigungspflicht nachkommen, ist noch offen. Bisher stagniert deren Anteil laut Inklusionsbarometer jedenfalls beziehungsweise sinkt sogar: Nur 39 Prozent der Firmen, die es müssten, erfüllten im Jahr 2023 die Quote (siehe Infografik). Das ist der niedrigste Wert seit Einführung des Barometers. Trotz des Fachkräftemangels nutzen Unternehmen das Potenzial der Inklusion also weiterhin nicht, bemängelt die Aktion Mensch.

Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA) ein Teil der Lösung?

Die so genannten Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber:innen (EAA) könnten dabei helfen, diese Situation zu verändern, so hoffen die Expert:innen der Studie. Die EAA beraten, begleiten und unterstützen Unternehmen seit dem Jahr 2022 nämlich zum Beispiel dabei, Arbeitsplätze für einen Menschen mit Behinderung im eigenen Betrieb zu identifizieren oder Anträge auf Fördermittel zu stellen.

Das Fazit

Die Lage hat sich zwar insgesamt leicht entspannt, doch Gleichberechtigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist weiterhin nicht erreicht. Das bleibt ein ungelöstes Problem. Es ist also auch in den kommenden Jahren noch viel zu tun, um die Lage nachhaltig zu verbessern.


Die Auswertung der Aktion Mensch zum Inklusionsbarometer Arbeit 2023 und die gesamte Studie zum Download gibt es hier.

Was ist das Inklusionsbarometer Arbeit?

Die Aktion Mensch analysiert seit 2013 jedes Jahr die Inklusion auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dazu werden statistische Daten bezüglich der Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung in Beziehung zueinander und zu den Vorjahren gesetzt. So lässt sich genauer als etwa nur mit der Arbeitslosenzahl von Menschen mit Schwerbehinderung messen, wie sich die Inklusion auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich entwickelt – im Detail und über einen längeren Zeitraum hinweg.

Wie setzt sich das Ergebnis des Inklusionsbarometers zusammen?

Für die Studie arbeitet die Aktion Mensch eng mit dem Handelsblatt Research Institute zusammen. Das Forscher:innen-Team wertet für das Barometer vorhandene statistische Daten aus (= Inklusionslagebarometer) und führt zusätzlich alle fünf Jahre eine repräsentative Umfrage durch (= Inklusionsklimabarometer). Zuletzt wurde das Inklusionsklimabarometer im Jahr 2022 durchgeführt.
Aus beiden Werten zusammen ergibt sich der Gesamtwert der Studie, das „Inklusionsbarometer Arbeit“. Wenn das Ergebnis unter 100 liegt, deutet das auf eine Verschlechterung der Inklusion auf dem Arbeitsmarkt hin. Werte über 100 bedeuten eine Verbesserung. Dabei wird immer der Wert des Jahres 2013 als Bezugsgröße zugrunde gelegt, in dem die Erhebung das erste Mal durchgeführt wurde. Damals wurde ein Durchschnittswert für die Jahre 2006 bis 2010 berechnet und anschließend gemessen, wie sich im Vergleich dazu die Inklusion im Jahr 2013 entwickelt hatte.

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