Von Menschen und ihre Geschichten

Vier Fragen an… Frank Albin vom Deutschen Olympischen Sportbund

In Deutschland sind viele Sportveranstaltungen bisher noch nicht barrierefrei. Doch das soll sich ändern: Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) qualifiziert in den nächsten vier Jahren sogenannte Event-Inklusionsmanager:innen im Sport, kurz „EVI“s. Projektleiter Frank Albin erklärt im Interview, worauf es dabei ankommt und warum die Sportverbände noch viel zu tun haben.

Frank Albin vor einer Wand mit den fünf olympischen Ringen

Herr Albin, was ist der Job von Event-Inklusionsmanager:innen, kurz „EVI“s?

Die Aufgabe von „EVI“s ist es, Sport-Events und -Großveranstaltungen inklusiv und barrierefrei zu gestalten. Das beginnt mit der inklusiven Anmeldung zum Event, etwa über eine barrierefreie Website des Veranstalters, auf der alle Informationen auch für Menschen mit Sehbehinderung zugänglich sein sollten. Das Gebäude oder Gelände, auf dem die Veranstaltung stattfindet, sollte außerdem nicht nur für Menschen mit Gehbehinderungen barrierefrei sein, sondern zum Beispiel auch für blinde Menschen, die sich mit einem Taststock oder über Schilder mit Brailleschrift orientieren. Und die Moderation und Kommentare sollten für gehörlose Zuschauer:innen und Athlet:innen zugänglich gemacht werden, also von Gebärdensprachdolmetscher:innen übersetzt werden. Die Event-Inklusionsmanager:innen sorgen in ihren Sportorganisationen dafür, dass all das bei der Planung mit bedacht und gut umgesetzt wird.

In welchen Organisationen arbeiten die „EVI“s?

Ende Mai wurden von einer Jury die ersten zwölf Organisationen ausgewählt, die eine Förderung für solch eine EVI-Stelle bekommen. Darunter sind zum Beispiel der Deutsche Rollstuhl-Sportverband in Kooperation mit dem Deutschen Behinderten-Sportverband, Special Olympics Deutschland, die Sepp-Herberger-Stiftung des Deutschen Fußball-Bunds, der Deutsche Motor Sport Bund und der Deutsche Ruderverband. Die Verbände schaffen jeweils einen Arbeitsplatz für einen Menschen mit Schwerbehinderung, der für zwei Jahre aus Mitteln des Ausgleichsfonds des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales finanziert wird. Von 2023 bis 2025 läuft eine zweite Projektphase, dafür wählt die Jury wieder zwölf Organisationen aus, die erneut „EVI“s einstellen können.
Die Finanzierung ist übrigens als Anschubfinanzierung gedacht. Wir hoffen natürlich, dass wir diese Stellen erhalten können und durch das Projekt auch langfristig mehr Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung im Sport schaffen. Ich bin da zuversichtlich, denn die ersten Organisationen haben jetzt schon signalisiert, dass sie weitermachen möchten. Und sie werden sicher ein Vorbild für viele Vereine sein, die in den nationalen Sportverbänden organisiert sind.

Sie nennen mehrere Behindertensportverbände in Ihrer Aufzählung. Warum stellen sie überhaupt „EVI“s ein – sind ihre Veranstaltungen nicht sowieso schon barrierefrei?

Jein. Die Behindertensportverbände haben eine Vorbildfunktion. Allerdings sind sie in der Regel auf ihre Zielgruppe fokussiert, also auf Menschen mit bestimmten Behinderungen, was ja auch verständlich ist. Die Verantwortlichen in diesen Organisationen merken aber inzwischen, dass sie sich öffnen und auch für andere Behinderungsarten inklusiver aufstellen müssen. Der Rollstuhl-Sportverband etwa hat bisher kaum inklusive Angebote für Menschen mit Sehbehinderung. Und der Deutsche Gehörlosen-Sportverband kann sicher noch einiges tun, damit nicht nur gehörlose Menschen zu seinen Veranstaltungen kommen.

Wie unterstützt der DOSB die „EVI“s und deren Arbeitgeber:innen?

Wir bieten unter anderem eine neue Qualifizierung namens „Eventmanagement im Sport“ an. Die Kurse sind nicht nur für die „EVI“s gedacht, sondern stehen allen Menschen mit und ohne Behinderung offen, die ihre Organisation und ihre Angebote inklusiver gestalten wollen. Zusätzlich können die „EVI“s ein Jobcoaching in Anspruch nehmen, wenn sie das möchten. Wir besuchen außerdem sämtliche Sportorganisationen und stellen bei Bedarf Kontakte zu Beratungsstellen und anderen Expert:innen her, die dabei helfen, Arbeitsplätze barrierefrei zu gestalten.
Langfristig sollen die Event-Inklusionsmanager:innen und die Sportverbände von dem Netzwerk profitieren, das wir durch das Projekt gemeinsam Stück für Stück aufbauen. Die „EVI“s vernetzen sich bei regelmäßigen Treffen untereinander und tauschen ihr Wissen und ihre Erfahrungen aus. Wir organisieren darüber hinaus auch Treffen für die Arbeitgeber:innen – und wir möchten die Sportverbände mit Behinderten- und Selbsthilfeorganisationen zusammenbringen, die bisher noch keinen oder kaum Kontakt zum Sportbereich haben. In den nächsten Jahren wollen wir einen digitalen Informationspool aufbauen, in dem wir das Wissen, die Ideen und Lösungen aller Beteiligten zur Umsetzung inklusiver Sportveranstaltungen sammeln. Denn so können bald auch andere Organisationen darauf zugreifen und damit arbeiten.

Über unseren Interviewpartner

Porträtfoto von Frank Albin
Foto: DOSB

Name: Frank Albin
Geburtsjahr: 1971
Wohn- und Arbeitsort: Frankfurt
Beruf: Diplom-Pädagoge
(Persönlicher Bezug zum Thema) Behinderung: Hat unter anderem mit Special Olympics im Bereich „Unified Basketball“ international gearbeitet.

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