Frau Schröder und Herr Otto-Albrecht, mit welchen Fragen beschäftigen Sie sich in Ihrem Projekt „Role Models“?
Manfred Otto-Albrecht: „Role Models“ – also Rollenvorbilder – können andere Personen inspirieren und ihnen eine wichtige Orientierung für eigene Ziele bieten, einfach indem sie zeigen, was möglich ist. Wir möchten im Projekt vor allem herausfinden: Welche Voraussetzungen und Bedingungen müssen zusammenkommen, damit eine Person eine andere als „Role Model“ akzeptieren und sich mit ihr identifizieren kann? Wie kann eine Führungskraft mit einer Schwerbehinderung also tatsächlich ein Rollenvorbild für Arbeitnehmer:innen mit einer Behinderung sein? Und wie kann sich diese Identifikation auf die unterschiedlichen Aspekte inklusiver Arbeit auswirken, etwa auf die Ausbildung, Personal- und Karriereplanung?
Wie gehen Sie im Projekt vor?
Manfred Otto-Albrecht: Wir arbeiten als Verbundprojekt der Universität Köln und der Fortbildungsakademie der Wirtschaft (faw) gGmbH. In beiden Teams arbeiten jeweils acht Personen mit unterschiedlichen Stellenanteilen mit. Das Team der Universität Köln begleitet das Projekt wissenschaftlich und erstellt ein sogenanntes wissenschaftliches Rahmenmodell, das unsere Forschungsfragen beantwortet. Wir von der faw erarbeiten auf dieser Grundlage eine Toolbox (deutsch: Werkzeugkasten). Sie soll dabei helfen, Führungskräfte mit Behinderungen in Unternehmen als Vorbilder sichtbar zu machen, so dass sie motivierend für Mitarbeitende und Job-Bewerber:innen mit Behinderungen wirken können.
Sabine Schröder: Wir wollen mit unserem Projekt Methoden und Instrumente entwickeln, die Unternehmen und Beschäftigte dabei besonders gut unterstützen können. Dazu haben wir in vier unterschiedlich zusammengesetzten Gruppen Führungskräfte, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Arbeitsuchende und betriebliche Akteure befragt. Das hat uns wichtige Erkenntnisse für die Projektarbeit geliefert und die wissenschaftliche Recherche der Universität Köln ergänzt. Wir haben auf dieser Grundlage die Themenfelder der Toolbox erarbeitet und sind dabei, die ersten Werkzeuge fertigzustellen. Unternehmen sollen damit zum Beispiel eine eigene Role-Model-Strategie entwickeln können.
Das Projekt läuft bis zum Jahr 2027. Wie geht es bis dahin weiter?
Sabine Schröder: In wenigen Monaten startet eine Erprobungsphase. Wir konnten dafür gemeinsam mit der Uni Köln unterschiedliche Unternehmen gewinnen, die ein großes Interesse an unserer Role-Model-Strategie haben und darin eine Chance sehen, ihre Organisation inklusiver zu gestalten. Diese Unternehmen werden etwa sechs Monate lang mit einem Prototypen unserer Toolbox arbeiten. Die dabei gewonnenen Erfahrungen werden wir gemeinsam mit den Unternehmen auswerten und die Werkzeuge entsprechend überarbeiten. Wenn die Toolbox fertig ist, werden wir sie veröffentlichen. Alle Unternehmen, die möchten, dürfen sie dann kostenfrei nutzen.
Arbeiten auch im Projekt an sich Menschen mit und ohne Behinderung zusammen?
Manfred Otto-Albrecht: Ja. Nach dem Grundsatz „Nichts über uns ohne uns“ arbeiten wir in inklusiven Projektteams. Auch in den sogenannten Fokusgruppen, die wir im Rahmen unserer Forschung und Entwicklung befragt haben, waren fast ausschließlich Menschen mit Behinderung beteiligt. Wir möchten die Perspektive vieler verschiedener Zielgruppen einbeziehen. Die Projektteams setzen sich deshalb aus Menschen mit und ohne Behinderung, unterschiedlicher Geschlechter und Altersgruppen sowie mit unterschiedlicher sozialer Herkunft zusammen.
Sabine Schröder: Bei der Entwicklung der Toolbox begleitet uns außerdem ein Expert:innen-Team aus Menschen mit Behinderungen, die in ihren Unternehmen jeweils verschiedene Funktionen haben. Neben Führungskräften und Mitarbeiter:innen sind auch Job-Bewerber:innen in diesem Panel mit dabei und bringen ihre Perspektiven ein.
Welche Erkenntnisse haben Sie aus der ersten Projektphase gewonnen?
Manfred Otto-Albrecht: Wir haben gemerkt, dass der unterschiedliche Hintergrund der Projektpartner – der wissenschaftliche Zugang der Universität Köln und die betriebliche Perspektive der faw – sehr bereichernd ist und wir uns gegenseitig gut ergänzen können. Unser Ansatz im Projekt war es ja, diese beiden Perspektiven zu verbinden. Das ist auf großes Interesse bei unterschiedlichen Akteuren gestoßen, die mit beruflicher Inklusion zu tun haben. Wir haben in unserer bisherigen Forschungsarbeit im Projekt aber auch festgestellt, dass das Thema Führung und Behinderung immer noch sehr sensibel ist und tabuisiert wird. Menschen haben die Sorge beschrieben, weniger als Führungskraft, sondern als „Behinderter“ wahrgenommen und als weniger leistungsfähig eingeschätzt zu werden. Manche fürchten auch, dass ihnen deshalb Karrierewege verschlossen bleiben könnten.
Unsere Interviewpartner:innen

Sabine Schröder, Volljuristin

Manfred Otto-Albrecht, Diplom-Pädagoge und IT-Fachmann