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Was ist eigentlich… der besondere Kündigungsschutz?

Für Menschen mit Schwerbehinderung reicht der Kündigungsschutz im Beruf weiter als für Menschen ohne Behinderung. Wozu diese Regelung gut ist und wie das Verfahren dahinter abläuft, erklären wir euch in diesem Beitrag.

Ein Ordner Papiere liegt auf weißem Untergrund.

In Deutschland gibt es einen gesetzlichen Kündigungsschutz, der alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer davor bewahrt, dass sie grundlos, willkürlich oder ungerechtfertigt aus ihrem Job entlassen werden. Für Menschen, die mit einer Schwerbehinderung leben und arbeiten, reicht dieser Schutz noch weiter: Nach dem sogenannten „besonderen Kündigungsschutz“ muss bei diesen Beschäftigten immer vorab vom zuständigen Inklusionsamt geprüft werden, ob bei der vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung die Belange des schwerbehinderten Menschen berücksichtigt werden. Der Träger des Inklusionsamtes in der Region Westfalen-Lippe ist der LWL (die Abkürzung steht für „Landschaftsverband Westfalen-Lippe“). Dieses Amt ist ein wichtiger Ansprechpartner für Menschen mit Behinderungen und setzt sich unter anderem auch dafür ein, dass der besondere Kündigungsschutz eingehalten wird.


Was unternimmt ein Inklusionsamt, wenn ein Arbeitgeber die Zusammenarbeit mit einem Menschen mit Schwerbehinderung kündigen will?

Der besondere Kündigungsschutz soll verhindern, dass schwerbehinderte Menschen ausschließlich aufgrund ihres Handicaps entlassen werden können. Das Ziel ist nicht, sie damit gegenüber anderen Arbeitnehmern besser zu stellen. Stattdessen sollen auf diese Weise mögliche Nachteile ausgeglichen werden, die diese Menschen aufgrund ihrer Behinderung am Arbeitsplatz erfahren.

Für wen gilt dieser besondere Kündigungsschutz?

Er gilt für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die einen Behinderungsgrad von mindestens 50 Prozent haben oder bei einem Grad der Behinderung von 30 bis 50 von der Agentur für Arbeit den schwerbehinderten Menschen gleichgestellt wurden. Was viele übrigens nicht wissen: Der besondere Kündigungsschutz gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber vorher nichts von der Schwerbehinderung seines Beschäftigten wusste. Das kommt deshalb manchmal vor, weil Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht gesetzlich dazu verpflichtet sind, ihre Schwerbehinderung mitzuteilen.

Gibt es Ausnahmen vom besonderen Kündigungsschutz?

Ausgeschlossen sind auslaufende, befristete Tätigkeiten und so genannte einvernehmliche Aufhebungsverträge. In letztem Fall sind sich beide Parteien einig, dass das Arbeitsverhältnis beendet werden soll. Auch dann, wenn eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer sich aus freien Stücken dazu entscheidet, zu kündigen, muss sie oder er dafür nicht erst die Zustimmung vom Inklusionsamt einholen.

Wie läuft ein Kündigungsverfahren üblicherweise ab, das vom Inklusionsamt begleitet wird?

Wenn ein Arbeitgeber die Zusammenarbeit mit einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter mit Schwerbehinderung kündigen möchte, muss er beim Inklusionsamt erst die Zustimmung dafür beantragen. Dazu muss er standardisierte Formulare und verschiedene weitere Unterlagen ausfüllen und einreichen, außerdem muss er die Kündigung ausführlich begründen. Das Inklusionsamt in Westfalen hat zudem einen Teil der Aufgaben rund um den besonderen Kündigungsschutz auf die örtlichen Fachstellen übertragen, die an dieser Stelle ebenfalls ins Spiel kommen. Sie hören die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung an und klären den Sachverhalt, der der beabsichtigten Kündigung zugrunde liegt. Danach wird die geplante Entlassung im Betrieb des Arbeitgebers genau verhandelt.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der örtlichen Fachstelle führen dazu ausführliche Gespräche mit allen Beteiligten und schauen sich, je nach vorgetragenem Kündigungsgrund, auch den Arbeitsplatz noch einmal genau an. Wenn nötig, schalten sie weitere Fachdienste ein, zum Beispiel den technischen Beratungsdienst oder den Integrationsfachdienst. Sie können auch Fachärzte zu Rate ziehen und so alle nötigen Informationen zusammentragen, um über die Kündigung entscheiden zu können. Anschließend teilen die Experten der Fachstelle ihre Ermittlungsergebnisse dem Inklusionsamt mit. Dieses entscheidet dann darüber, ob die Zustimmung zur Kündigung erteilt werden kann oder nicht.

Wie lange dauert so ein Kündigungsverfahren?

Das variiert von Fall zu Fall. Bei außerordentlichen Kündigungen etwa muss die zuständige Stelle innerhalb von zwei Wochen entscheiden, was geschehen soll. Bei betriebsbedingten Kündigungen bleibt dagegen rund ein Monat Zeit. Das Verfahren ist in der Regel in höchst strittigen Fällen etwas aufwändiger, denn das Ziel ist ja, gemeinsam mit allen Beteiligten die behinderungsbedingten Schwierigkeiten am Arbeitsplatz zu beheben, um so eine Kündigung zu vermeiden. Das ist manchmal ein sehr komplexer Prozess – der sich aber sehr lohnt. Das LVR-Inklusionsamt konnte mit entsprechenden Maßnahmen allein im Jahr 2015 in rund 50 Prozent der strittigen Fälle eine Kündigung verhindern und so einen Arbeitsplatz für einen Menschen mit Schwerbehinderung erhalten.

Welche Rolle spielen die Arbeitgeber in diesem Verfahren und wann wird einer Kündigung in der Regel zugestimmt?

Der besondere Kündigungsschutz verpflichtet Unternehmen oder Organisationen nicht dazu, einen Arbeitsplatz zu erhalten, wenn das wirtschaftlich nicht möglich ist. Ein Beispiel dafür sind betriebsbedingte Kündigungen, die in der Regel andere Gründe haben als die Behinderung eines einzelnen Mitarbeiters. Hier stimmt das Inklusionsamt der Kündigung meist zu. Auch dann, wenn absolut kein Zusammenhang zwischen der Behinderung eines Beschäftigten und den Gründen, sie oder ihn zu entlassen, zu erkennen ist, stimmt das Inklusionsamt der Kündigung in der Regel zu. Der besondere Kündigungsschutz ist also ausdrücklich nicht dazu gedacht, eine von der Behinderung gänzlich unabhängige schlechte Leistung eines Beschäftigten zu rechtfertigen – und er garantiert auch keine Anstellung auf Lebenszeit.

Schon gewusst?

Die Leistungen für Menschen mit Behinderungen im Beruf, die das LWL-Inklusionsamt anbietet, werden aus der sogenannten Ausgleichsabgabe finanziert. Diesen Betrag müssen alle Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern zahlen, die nicht mindestens fünf Prozent der Stellen mit schwerbehinderten Menschen besetzen. Die Inklusionsämter finanzieren mit diesem Geld wiederum Programme und Maßnahmen, die Menschen mit Schwerbehinderungen die Teilhabe am Arbeitsleben ermöglichen. Die Gelder aus der Ausgleichsabgabe werden also sozusagen „umverteilt“ und so wieder sinnvoll für die Teilhabe schwerbehinderter Menschen im Arbeitsleben eingesetzt.

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