Von Redaktion: Eva Windhausen Fundstücke aus dem Netz

Recht auf Bildung und Arbeit für alle: Wege aus der Werkstatt

Menschen mit Behinderung, die keine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt finden, arbeiten häufig in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM). Dort stellen sie zum Beispiel Autoteile her oder waschen Wäsche. Sie bekommen dafür aber nur 1,35 pro Stunde, also lediglich einen Bruchteil des gesetzlichen Mindestlohns. Ihren Lebensunterhalt können Sie damit nicht eigenständig verdienen. Die Vereinten Nationen forderten Deutschland deshalb 2015 auf, die Werkstätten zu schließen – doch dann würden viele wahrscheinlich gar keine Beschäftigung mehr finden, fürchtet der Behindertenbeauftrage der Bundesregierung Jürgen Dusel. Es ist kompliziert. ZEITOnline hat das Dilemma der Werkstätten aufgegriffen und drei Menschen mit Behinderung begleitet, die ihren eigenen Weg eingeschlagen haben. Unser Fundstück der Woche!

Gelb hinterlegtes Bildschirmfoto des Artikels auf zeit.de

Als die Werkstätten in den 60er-Jahren geschaffen wurden, sollten sie Menschen mit Behinderung eigentlich auf den Arbeitsmarkt vorbereiten – aber nie selbst einer werden. Das ist heute aber der Fall. Nur ein Prozent der Beschäftigten dort gelingt der Weg auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Die anderen 99 Prozent, also gut 320.000 Menschen, erwirtschaften in den Werkstätten einen gesammelten Umsatz von rund acht Milliarden Euro. Sie bekommen dafür aber weniger als den Mindestlohn.

Das ist ungerecht, sagen Menschen wie der YouTuber Lukas Krämer, einer von mehreren Interviewpartner:innen, mit denen ZEITOnline zu diesem Thema gesprochen hat. Die Menschen in den Werkstätten werden am Umsatz nämlich nicht beteiligt. Im Jahr 2019 verdienten sie durchschnittlich 207 Euro pro Monat.

Die Vereinten Nationen forderten Deutschland deshalb schon 2015 auf, die Werkstätten nach und nach zu schließen. Das löse die Probleme der Beschäftigten allerdings auch nicht, fürchtet der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung Jürgen Dusel, der im Artikel ebenfalls zu Wort kommt. Im Gegenteil: Viele würden so in die Beschäftigungslosigkeit stürzen. Das habe in Großbritannien beobachtet werden können, als dort innerhalb kurzer Zeit die Werkstätten geschlossen wurden. Aber auch Dusel fordert eine Reform des Systems hin zu einer fairen Bezahlung und einem einfacheren Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt*. Für letzteres soll ab diesem Jahr eine zentrale Ansprechstelle geschaffen werden (Anm. d. Red.: siehe auch unser Interview mit Dagmar Greskamp von der Aktion Mensch).

*Hilfe beim Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt

Der LWL unterstützt mit dem „LWL-Budget für Arbeit“ Menschen mit Behinderung dabei, aus einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu wechseln. Wer diesen Weg gehen möchte, wird von den Expert:innen in den örtlichen Integrationsfachdiensten beraten und betreut. Mehr Informationen und den Kontakt zu Ansprechpartner:innen, die weiterhelfen können, sind auf den Seiten des LWL-Inklusionsamts Arbeit zu finden.

Eine gesetzliche Regelung in Deutschland sollte den Absturz in die Beschäftigungslosigkeit eigentlich sowieso verhindern, was aber nicht funktioniert. Die so genannte Beschäftigungsquote sieht vor, dass Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeiter:innen fünf Prozent der Stellen mit Menschen mit Behinderung besetzen müssen. Viele halten sich aber nicht daran und zahlen lieber eine monatliche Abgabe als „Strafe“. Diese wiederum ist mit 140 bis 360 Euro (ab 2022) relativ niedrig. Damit wird niemand abgeschreckt, sagt Jürgen Dusel.
Lukas Krämer arbeitete selbst fünf Jahre lang in einer Werkstatt. Auch er setzt sich nun für eine Reform ein und fordert, dass Beschäftigte dort den Mindestlohn gezahlt bekommen.

Dieser ZEITOnline-Artikel (Z+ – lesbar für 1 € als 4-Wochen-Probeabo) erklärt das Dilemma der Werkstätten, lässt Expert:innen zu Wort kommen und zeigt an den Geschichten von drei Menschen mit Behinderung, wie der Weg von der Werkstatt auf den allgemeinen Arbeitsmarkt dennoch gelingen kann.

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