Alex und Lovis, ihr beiden habt ein sehr spannendes Reiseprojekt hinter euch. Darauf habt ihr euch vorher sicher eine Weile vorbereitet – auch finanziell. Womit verdient ihr euren Lebensunterhalt normalerweise? Und wie habt ihr eure Reise finanziert?
Alex: Ich arbeite beim SC Poppenbüttel, einem Sportverein in Hamburg. Dort bin ich als Inklusionsbeauftragter festangestellt, arbeite zusätzlich im Sponsoring und leite ehrenamtlich den Herrenfußball. Den festen Job habe ich aber erst nach unserer großen Reise angefangen, die haben wir also unabhängig davon finanziert – und zwar aus Ersparnissen, mit Unterstützung unserer Familien und vor allem durch eine Crowdfunding-Kampagne. Lovis hat mich auf unserer Reise in meinem gesamten Alltag unterstützt, weil ich eine angeborene Gelenk- und Muskelerkrankung habe, die mich körperlich stark einschränkt. Ein Nebenjob zusätzlich dazu wäre also gar nicht möglich gewesen.
Lovis: Auf der Reise haben wir sehr viel für unsere Crowdfunding-Kampagne gearbeitet. Für unseren Blog und Social Media haben wir zum Beispiel viel gefilmt, das Material geschnitten und die Veröffentlichung geplant. Wir wollten mit diesen Inhalten zeigen, wie Inklusion unterwegs aussehen kann, wie es ist, als beste Freunde mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen zu reisen – und dass das geht. Nach der Reise habe ich angefangen, zu studieren. Dafür bekomme ich BAFöG* und Unterstützung von meinen Eltern. Nebenbei arbeite ich freiberuflich als Foto- und Videograf, außerdem verdienen wir etwas Geld mit unseren Vorträgen. Insgesamt komme ich damit gut über die Runden.
Was ist euch beim Thema Arbeit wichtig, worauf legt ihr Wert?
Lovis: Zeitliche Freiheit ist mir gerade wichtiger als viel Geld. Ich möchte selbst entscheiden, wann und wie ich arbeite. Das gibt mir nämlich die Möglichkeit, auch an eigenen Projekten zu arbeiten – zum Beispiel an unserem Buch. Davon abgesehen ist das Studium ja auch ein Job.
Alex: Mir geht es ähnlich. Ich habe bewusst einen Job gewählt, der mir Spaß macht. Sport ist einfach meine Leidenschaft. Gerade das Ehrenamt im Fußball erfüllt mich deshalb sehr. Ich habe im Verein außerdem viel direkten Kontakt zu Menschen und die Atmosphäre ist sehr familiär – beides ist mir wichtig. Ein anonymer Konzern wäre also gar nichts für mich. Ein Gewinn ist auch, dass ich nebenher noch genug Zeit und Freiheiten habe, an Projekten wie dem Buch zu arbeiten oder weitere Reisen zu planen.
Wie lief das mit dem Buch eigentlich ab – wer hat was gemacht, wie lange hat es gedauert und was war schwierig?
Lovis: Von der ersten Anfrage bis zur Veröffentlichung hat es etwa zweieinhalb Jahre gedauert. Etwa ein halbes Jahr davon haben wir konkret am Inhalt gearbeitet. Schon während unserer Reise haben wir die ersten Gespräche dazu geführt, denn die Anfrage für das Buch kam, als wir noch unterwegs waren. Die Kapitel haben wir abwechselnd geschrieben, aber am Ende alles gemeinsam überarbeitet. Das lief im Großen und Ganzen gut, auch wenn es manchmal echt anstrengend war. Wir hatten am Ende unzählige Word-Dateien in verschiedenen Versionen. Nächstes Mal würden wir das schlauer lösen.
Alex: Es war definitiv eine Herausforderung, das Buch neben meinem Vollzeitjob zu schreiben. Gerade in der intensiven Phase saßen wir oft bis spät in die Nacht. Aber die Zusammenarbeit beim Schreiben hat sehr gut geklappt, auch wenn wir einige Runden gebraucht haben. Wir wollten aber einfach ein Buch, mit dem wir beide wirklich zufrieden sind. Nur die Korrektur am Ende war mühsam, weil wir uns damit abwechseln mussten. Wenn das nur einer von uns gemacht hätte, wäre es aber zu viel geworden.
📖 Buchtipp: „Die Reise unseres Lebens – Von Freundschaft, Inklusion und Abenteuerlust“
Alexander Källner und Lovis Wiefelspütz waren in 16 Ländern auf sechs Kontinenten unterwegs, trafen Menschen, entdeckten wilde Landschaften, sahen große Sport-Arenen – und begegneten vielen Fragen rund um Inklusion, Freundschaft und Mut. Darüber haben sie ein Buch geschrieben. Das Ziel: zeigen, wie inklusives Leben überall auf der Welt möglich ist.
📅 Erscheinungsdatum
2. Oktober 2025 (Piper Verlag, 240 Seiten, Paperback oder eBook, 18 Euro)
📍 Buchpremiere
5. Oktober 2025 im Metropolis Kino Hamburg
📚 Geplante Lesungen
u. a. bei Globetrotter München, Hugendubel Berlin, Uni Mannheim
📺 Medienauftritte
geplant bei SAT.1 Frühstücksfernsehen, NDR, Rotes Sofa
Gab es auf eurer Reise Orte, an denen euch ein besonders positiver Umgang mit Behinderung und Inklusion aufgefallen ist?
Lovis: In den USA waren wir auf der NCIL-Konferenz (NCIL: Abkürzung für „National Council on Independent Living“, auf Deutsch: „Nationalrat für unabhängiges Leben“). Das ist eine große Veranstaltung, bei der sich alles um selbstbestimmtes Leben mit Behinderung dreht. Es war dort ganz normal, dass Menschen mit und ohne Behinderung zusammenarbeiten, das wurde überhaupt nicht groß zum Thema gemacht. Das war beeindruckend. Ich finde aber, dass wir auch in Deutschland schon recht weit sind. Auch, wenn immer noch Luft nach oben ist.
Alex: Singapur haben wir sehr barrierefrei erlebt – vor allem im öffentlichen Raum. In der Metro wird zum Beispiel auch auf unsichtbare körperliche und psychische Einschränkungen Rücksicht genommen. Wenn jemand wegen einer Erkrankung beispielsweise nicht lange stehen kann, was von außen aber nicht unbedingt zu sehen ist, braucht diese Person einen Sitzplatz. Die gibt es im Zug speziell für solche Fälle. Auch am Ende des Zugs, wo es generell leiser ist, sind extra Plätze für lärmempfindliche Menschen vorgesehen. Und es gibt Hinweise, diese Plätze bei Bedarf freizugeben.
Südamerika war zwar nicht perfekt, was Barrierefreiheit angeht, aber die Menschen dort sind uns mit einer unglaublichen Hilfsbereitschaft in jeder erdenklichen Situation begegnet. Diese positive Grundhaltung würden wir uns auch hier in Deutschland wünschen.
Wenn ihr drei Dinge ändern könntet, damit ihr selbstbestimmter leben und arbeiten könnt – was wäre das?
Lovis: Ich möchte nicht mehr das Gefühl haben, etwas verstecken zu müssen. Zweitens: Ob es nun eine körperliche Behinderung ist wie bei Alex oder Neurodiversität* wie bei mir – solche persönlichen Voraussetzungen sollten im Arbeitsleben auf die potentiellen Stärken hin betrachtet werden, nicht als erstes auf die Schwächen. Und ich wünsche mir, dass andere mit mir arbeiten wollen, weil ich bin, wie ich bin, nicht obwohl.
Alex: Für mich müsste sich erstens die ganze Haltung zum Thema verändern. Menschen mit Behinderung gehören in die Mitte der Gesellschaft. Dafür muss aber – zweitens – Bürokratie abgebaut werden. Um ein selbstbestimmtes und diskriminierungsfreies Leben zu führen, brauche ich Unterstützung, die mir in Deutschland auch gesetzlich zusteht. Aber um sie zu bekommen, muss ich sehr viele bürokratische Hürden überwinden. Das müsste künftig viel pragmatischer organisiert sein. Und zum Schluss: Wir müssen die Vorurteile gegenüber Menschen mit Behinderung beseitigen. Denn inklusiv und divers aufgestellte Arbeitsteams haben nachweislich große Stärken. Davon würde wiederum die ganze Gesellschaft profitieren.
Über unsere Interviewpartner
Alexander Källner
Geburtsjahr: 1998
Wohnort/Arbeitsort: Hamburg
Beruf: Inklusionsbeauftragter und Sportlicher Leiter Fußball beim SC Poppenbüttel, Autor
(Persönlicher Bezug zum Thema) Behinderung: wurde mit einer Gelenk- und Muskelerkrankung namens AMC (Arthrogryposis Multiplex Congenita) geboren. Trägt schon fast sein ganzes Leben lang Oberschenkelorthesen, mit deren Hilfe er gehen, aber zum Beispiel keine Treppen steigen kann. Seine Arme kann er nur eingeschränkt nutzen, wodurch er im Alltag vieles nicht alleine schafft – vom Haushalt über das Tragen von Einkäufen & Co. bis hin zur Hygiene oder dem täglichen An- und Ausziehen.
Lovis Wiefelspütz
Geburtsjahr: 1997
Wohnort/Arbeitsort: Hamburg
Beruf: Student, nebenbei: Foto-/Videograf und Autor
(Persönlicher Bezug zum Thema) Behinderung: ist neurodivergent (ADHS*). Seine Tante hat eine geistige Behinderung, er hatte also schon früh engen Kontakt mit behinderten Menschen. Viele in seinem Freundeskreis sind ebenfalls neurodivergent oder – wie Alex, sein bester Freund – haben eine Schwerbehinderung.
