Frau Aust, Sie entwickeln die „Glücklich-App“ mit. Wie kam es zu der Idee?
Hinter der Glücklich-App stehen die Lebenshilfe Hamburg und der Forschungsbereich Neuropsychologie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Die Idee zur App hatte das UKE: Es wollte verhaltenstherapeutische Angebote in Leichter Sprache über eine App anbieten, um insbesondere für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen Unterstützung im Alltag anzubieten. Die Erfahrung zeigt, dass diese Gruppe ein erhöhtes Risiko zur Entwicklung einer psychischen Erkrankung hat, beispielsweise einer Depression. Ursprünglich war die Idee, das Angebot direkt in die App COGITO einzubauen. Diese ist ebenfalls ein Projekt des UKE und war bereits unter dem Namen „MKT & mehr“ (MKT: Abkürzung für „Metakognitives Training“) veröffentlicht. Es zeigte sich jedoch schnell, dass neben Übungen in Leichter Sprache auch eine vereinfachte App-Navigation entscheidend für die betreffende Gruppe ist. Deshalb haben wir die Glücklich-App als neues, separates Angebot aufgebaut.
Wie finanzieren Sie das Projekt und welches Ziel verfolgen Sie damit?
Dank einer drei Jahre dauernden Förderung durch die Aktion Mensch und der Weiterförderung der Techniker Krankenkasse Hamburg, konnten wir gemeinsam die Struktur und die Navigation der Glücklich-App entwickeln und erste Inhalte dafür entwerfen. Unser Leitgedanke war es, eine kostenfreie, barrierefreie App auf den Markt zu bringen, die die Nutzer:innen eigenständig bedienen können. Nach unseren Beobachtungen gab es bisher keine Gesundheits-App für diesen Personenkreis. Von daher freuen wir uns, dass mit dieser App zugleich ein Best-Practice-Beispiel (auf Deutsch: Beispiel für das beste Verfahren) entstanden ist, das auch andere Anbieter von Gesundheits-Apps hoffentlich zum Nachahmen inspiriert. Das nötige Wissen stellen wir übrigens auch auf unserer Homepage zur Verfügung.
Die App selbst gibt es für alle Nutzer:innen kostenlos in den App-Stores. Sie kann sogar offline genutzt werden, also ohne Internetverbindung. Dank einer Förderung durch die Techniker Krankenkasse Hamburg entwickeln wir die App derzeit außerdem weiter.
Welche Bedürfnisse von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen waren dabei wichtig – und welche Rolle spielte das in der Entwicklung der App?
Die Glücklich-App richtet sich zwar in erster Linie an die schon erwähnte Zielgruppe, sie kann aber grundsätzlich von allen Menschen genutzt werden, weil alle von Inhalten in Leichter Sprache und klaren App-Strukturen ohne Ablenkungen profitieren können. Wenn der Screenreader des Endgeräts aktiviert ist, lassen sich alle Inhalte vorlesen, die Übungen sind außerdem zusätzlich mit jeweils einer Audiodatei hinterlegt. Wir haben auch einen spielerischen Anreiz eingebaut: Durch das Sammeln von Sternen können die Nutzer:innen jede Woche einen Gold-, Silber- oder Bronze-Status erwerben.
Diese Funktionen wurden auch deshalb so entwickelt, weil wir die Zielgruppe schon zu Beginn dieses Prozesses mit einbezogen und deren Ideen berücksichtigt haben. Zum Beispiel haben wir Fokusgruppen aus Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen gebildet, die die Funktionen der App diskutiert und wertvolle Impulse gegeben haben. Sie haben die App außerdem schon in einem frühen Stadium verwendet, während das Entwicklerteam sie dabei beobachtet hat. Und zum Schluss hat die Zielgruppe die fertige App durchgetestet und Feedback dazu gegeben. Auch der Inhalt, also die Aufgaben in Leichter Sprache, wurden einer Prüfung unterzogen.
In der jetzigen Weiterentwicklung ist die Testgruppe ebenfalls in technische und inhaltliche Neuerungen, Änderungen und Prüfungen eingebunden. Aktuell entwickeln wir die Themen, die Navigation und die Struktur der App weiter. Auch daran sind Menschen aus der Zielgruppe maßgeblich beteiligt und geben uns wertvolle Rückmeldungen.

Wie wurde die Wirksamkeit der App getestet? Und was kam dabei heraus?
Das UKE hat im Jahr 2023 eine Online-Befragung zur App durchgeführt. 100 Personen, die nach eigenen Angaben depressive Symptome haben, nahmen daran teil. Weil das Interesse so groß war, konnten wir sogar eine Kontrollgruppe bilden, die die App in dem Testzeitraum von vier Wochen nicht nutzen durfte. Die abschließende Befragung derjenigen, die die App nutzten, hat gezeigt, dass sich ihre depressiven Symptome im Vergleich zur Kontrollgruppe deutlich verbessert hatten. Die App ist also wirksam. Außerdem gab es durchweg positive Rückmeldungen zur Anwendung an sich. 97 Prozent der Teilnehmenden sagten, dass sie mit der Glücklich-App die Behandlung erhalten haben, die sie sich wünschten. Ebenfalls 97 Prozent würden die App Freund:innen empfehlen. 95 Prozent gaben an, dass die App ihnen dabei geholfen hat, mit emotionalen Problemen umzugehen. Als besonders gut wurden die einfache Bedienung, die hilfreichen Tipps und die Erinnerungen an die Übungen hervorgehoben. Verbesserungsvorschläge gab es natürlich auch, zum Beispiel wünschten sich viele einen Erinnerungsmodus, der individuell eingestellt werden kann. Diese Funktion haben wir dank dieses Feedbacks schnell ergänzt.
Gibt es Pläne, die App weiterzuentwickeln oder zusätzliche Funktionen hinzuzufügen?
Die Förderung der Techniker Krankenkasse Hamburg läuft noch bis Ende 2026. Bis dahin planen wir weitere Inhalte, aktuell beispielsweise zum Thema „Angst“. Hierfür haben wir schon einige Übungen in Leichte Sprache übersetzt. Das UKE entwickelt parallel bereits Übungen für das Themenpaket „Ausgrenzung und Vorurteile“. Darüber hinaus sind erst einmal keine weiteren technischen Funktionen geplant. Um unser Selbsthilfe-Instrument dauerhaft aktuell halten und weiterentwickeln zu können, sind wir aktuell auf der Suche nach einer Anschlussfinanzierung. Wir wünschen uns sehr, dass wir hier eine Möglichkeit finden, um die digitale und gesundheitliche Teilhabe von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen mit unserem Angebot weiter voranzutreiben. —
Über unsere Interviewpartnerin

Name: Jasmin Aust
Geburtsjahr: 1993
Wohn-/Arbeitsort: Hamburg
Beruf: Sozialarbeiterin/-pädagogin (M.A.), Projektleiterin bei der Lebenshilfe Hamburg
Persönlicher Bezug zum Thema Behinderung: Hat während des Abiturs von der Schule aus als Freiwillige die Special Olympics in Bremen begleitet und sich danach für ein Freiwilliges Soziales Jahr entschieden. Richtete später ihr ganzes Studium auf Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen aus, weil ihr diese Zielgruppe am Herzen liegt – freut sich daher sehr, heute einen Beitrag für deren (digitale) Teilhabe leisten zu dürfen.