Von LWL-Messe 2017 | Projekte und Unternehmen

Vom belegten Brötchen bis zur Autowäsche

Das Servicehaus Stemwede betreibt einen kleinen Supermarkt und bietet Malerarbeiten, Hauswirtschafts- und Hausmeisterservice sowie Gartenpflege an. Fast die Hälfte der Mitarbeiter hat eine Behinderung. Ein Besuch in Stemwede-Haldem.

Alexander Schneider poliert die Frontscheibe eines Autos

Langeweile kennt Alexander Schneider in seinem Job im Hahme Frische Markt nicht. „Ich bekomme immer wieder neue Aufgaben. Das ist interessant und die Zeit geht schnell vorbei“, sagt der 47-Jährige mit fröhlicher Stimme. Meist hat er an der Waschanlage zu tun, die an den kleinen Supermarkt im Stemweder Ortsteil Haldem angeschlossen ist. Dort reinigt er die Wagen der Kunden und hält die Arbeitsgeräte in Schuss. Zwischendurch hilft er im Laden mit, sortiert Waren in die Regale ein oder wischt den Boden.
Bevor er im Mai 2015 die Stelle im Frische Markt bekam, jobbte er in verschiedenen Berufen, unter anderem in der Metallbranche. Einen neuen Arbeitsplatz zu finden, war für den Osnabrücker nicht einfach, denn er humpelt mit dem rechten Fuß und muss zwischendurch immer wieder Pausen einlegen.

In seinem neuen Job ist das kein Problem. 22 der insgesamt 48 Mitarbeiter haben eine Beeinträchtigung. Die Marktleiterin Olga Bartel hat bei jedem einzelnen im Blick, was er leisten kann. „Manche Kollegen können trotz einer Sehschwäche auch an der Kasse arbeiten. Bei anderen klappt das nicht“, erklärt die 36-Jährige: „Die helfen dann beim Räumen oder schmieren Brötchen.“

Das Ziel: Jobs auf dem ersten Arbeitsmarkt

Der Supermarkt ist Teil des Integrationsunternehmens Servicehaus Stemwede gGmbH, dessen Mitarbeiter mit und ohne Behinderung den Kunden neben dem Service im Laden auch Malerarbeiten, Hauswirtschafts- und Hausmeisterservice sowie Gartenpflege anbieten. Geschäftsführer Lothar Pannen und der Verein Lebensperspektiven e. V. haben das Servicehaus Anfang 2008 gegründet. Das Ziel war vor allem, Beschäftigungsmöglichkeiten für die Bewohner des Stemweder Heilpädagogischen Kinderhauses auf dem ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. In dieser Einrichtung betreuen Lothar Pannen und seine Mitarbeiter bis zu 140 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene; die meisten von ihnen haben psychische, geistige oder körperliche Behinderungen.
„Die Frage damals war: Wie können wir es schaffen, den jungen Menschen mit all ihren Problemen, aber auch Ressourcen eine Perspektive zu ermöglichen?“, beschreibt Pannen die große Aufgabe. „Wir können sie ja schlecht ohne Aussicht auf einen Arbeitsplatz zurück in ihre Heimatstädte ziehen lassen.“

Zwei Mitarbeiter reinigen die Scheiben und Felgen eines Autos vor
Zwei Mitarbeiter reinigen die Scheiben und Felgen eines Autos vor. Foto: Thorsten Arendt

Das Servicehaus ist nicht nur für die Mitarbeiter eine tolle Sache. Wer in dem vergleichsweise strukturschwachen Haldem wohnt, kann jetzt wieder vor Ort einkaufen. Der Supermarkt hat zum Beispiel Obst und Gemüse, Käse und Wurst, Nudeln, Tiefkühlpizza und Hygieneartikel vorrätig. Wegen der angeschlossenen Tankstelle hat dieser Teil des Unternehmens auch abends und sogar sonntags geöffnet. Das schätzen die Kunden besonders. „Gerade am Wochenende ist hier viel los“, sagt Olga Bartel. „Wenn alle anderen Geschäfte geschlossen sind, gibt es bei uns frische Brötchen und Grillfleisch.“

Immer mehr Kunden

Die Marktleiterin war von Anfang an dabei, sie hat den Supermarkt 2008 mit aufgebaut. „An unser Konzept mussten sich die Kunden anfangs noch gewöhnen“, sagt sie. Diese sollten zwar eigentlich so wenig wie möglich davon merken, dass sie in einem Integrationsbetrieb einkaufen. „Aber manchmal geht es eben an der Kasse doch etwas langsamer, wenn dort zum Beispiel ein Kollege mit Sehschwäche eingesetzt ist und viele Einkäufer da sind.“ Um solche Spitzen abzufangen, springt die Chefin auch mal selbst an der zweiten Kasse ein.

Wenn trotzdem einmal Kunden unzufrieden sind, spricht Olga Bartel sie direkt an und erklärt, warum es gerade länger dauert. Damit hat sie Erfolg. „Bisher ist es uns gelungen, jeden unserer Kunden zu halten. Es kommen sogar immer mehr. Auch nach fast neun Jahren steigern wir uns noch.“

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